Leider erst heute erreichte uns der folgende offene Breif von Alf Mayer:
"Alf Mayer, Direktor Filmbewertungsstelle Wiesbaden (FBW) 21. November 2007
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Weggefährten,
mit diesen Zeilen verlasse ich die FBW. Es war eine produktive Zeit, es ließ sich etwas ein wenig bewegen, und ich möchte mich bei Ihnen/bei Euch für Unterstützung und viele schöne Momente bedanken. Aber das Leben ist zu kurz und schön, um es in einer Reformblockade zu vertun. Ich habe mich geirrt. Guter Wille, Energie, Ideen und viel Hilfe aus der Filmbranche reichen nicht, die FBW grundlegend zu reformieren. Den Beharrungs-Treibsand der Ministerialbürokratie, eigentümliche Auffassungen von Filmförderungspolitik und blockierte Personalstellen habe ich nun ausreichend erforscht, möge mein Nachfolger hier Land finden.
Meine Bemühungen, die FBW im eigenen Ministerium, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) wieder auf die Landkarte zu rücken, haben viel (zuviel) Reibung erzeugt. Wir haben, wie man in der freien Wirtschaft sagen würde, grundlegende Differenzen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Angestrebt habe ich eine Sockelfinanzierung der FBW aus öffentlichen Mitteln, eine Senkung der Prüfgebühren, insbesondere für Arthouse-Filme, und eine gemeinnützige GmbH oder Stiftung. Dies alles aber bleibt wohl auf Jahre blockiert. Die FBW soll eine Behörde sein&bleiben, bei der alle 16 Länder mitbestimmen, keines aber auch nur einen einzigen Euro zahlt – und auch künftig zahlen will. Hessen ausgenommen. Vielleicht…
Der FBW-Gesamthaushalt liegt bei rund 450 000 Euro. In den Sonntagsreden betonen die Kultusminister gerne die „kulturpolitische Bedeutung der FBW“, an den Werktagen aber muss dieses Geld wie in einem privaten Profitcenter, jedoch unter flächendeckend bürokratischen Bedingungen von der FBW höchstselbst erwirtschaftet werden. Dies aus dem leider schrumpfenden Kuchen des Verleih- und Kinosektors, wo jede Hilfe sinnvoll wäre, auch die der FBW-Prädikate. Die aber sollen „besser vermarktet“, „mehr Filme akquiriert“ und „neue Geschäftsfelder erschlossen“ werden (O-Ton KMK). Mit dem staatsvertraglichen Auftrag der FBW, „den guten Film zu fördern“, hat dies nichts mehr zu tun. Eine Förderung ohne den Einsatz öffentlicher Mittel ist keine Förderung.
Die 1951 gegründete FBW ist die älteste Filmförderungs-Institution der Republik. Früher hatten die FBW-Prädikate eine steuerbefreiende Wirkung von jährlich 50 bis 100 Millionen Mark. Heute ist die Arbeit der ehrenamtlichen FBW-Jurys den Ländern nicht einmal deren Reisekosten und die karge Aufwandsentschädigung wert (Jury-Gesamtkosten: 50 000 Euro, also 3333 Euro je Land und Jahr).
Verweigert wird auch eine Sockelfinanzierung der FBW, die ohne eine solche hundertprozentig abhängig bleibt von den freiwilligen Filmeinreichungen der Filmverleihe. Die Unabhängigkeit der FBW sei ja gewahrt, meint die Politik, weil die Jurys nicht direkt von der Filmwirtschaft bezahlt würden. Stimmt, falls man es ethisch nicht so genau nimmt.
Eine Sockelfinanzierung der FBW, das wären lächerliche 200 000 bis 320 000 Euro pro Jahr, geteilt durch 16 Länder also je 12 500 bis 20 000 Euro.
Dazu kommt Paragraph 12 der FBW-Verwaltungsvereinbarung, der verlangt: „Sämtliche Einnahmen der FBW sind zweckgebunden und ausschließlich für die der FBW obliegenden Aufgaben zu verwenden. Überschüsse sind einer Rücklage zuzuführen.“ Ist es die der FBW obliegende Aufgabe, dem Land Hessen über Jahrzehnte eine Obere Landesbehörde inklusive aller Personal- und Verwaltungsaufgaben voll zu finanzieren? Wie weit das Usus geworden ist, zeige ein makabres Beispiel: Todesanzeige und Grabkranz meines Vorgängers Steffen Wolf, 23 Jahre Bediensteter des Landes Hessen, mussten aus den FBW-Prüfgebühren beglichen werden, weil das Ministerium sich verweigerte.
Jetzt, kurz vor meinem Abschied, ließ sich mit viel Druck erreichen, dass das Land Hessen mit Wirkung vom 1. September 2007 der FBW die Miete im Schloss Biebrich „erlässt“. Das begrüße ich sehr und bedanke mich bei den hier Handelnden, geht es dabei doch um immerhin 65 000 Euro im Jahr.
Aber: Es hat aber fast 25 Jahre gedauert, bis im Lande Hessen endlich der Beschluss der Finanzministerkonferenz vom 20.1.1983 vollzogen wird, wonach „die Unterbringung von ländergemeinsamen Einrichtungen in landeseigenen Gebäuden unentgeltlich erfolgt“.
25 Jahre lang hat sich das Land Hessen aus den Einnahmen der FBW (siehe § 12) - also von der Filmwirtschaft, von Filmverleihen, Produzenten, kleinen Filmemachern und auch von Filmstudenten – die FBW-Miete einverleibt und der Förderarbeit entzogen. 25 Jahre FBW -Mietkosten machen, konservativ verzinst, heute 1,96 Millionen Euro.
Darauf hat die FBW ein politisches Anrecht. Damit stünde die FBW heute ganz anders da. Damit kann die FBW neu gestaltet werden. Das ist genug Kapital für eine Stiftung oder eine gGmbH. Und damit können auch endlich die Prüfgebühren insgesamt und besonders für Arthouse-Filme gesenkt werden, wie ich es stets gefordert habe. Hessen ist am Zug. Hessen hat eine Bringschuld.
Alf Mayer"
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Weggefährten,
mit diesen Zeilen verlasse ich die FBW. Es war eine produktive Zeit, es ließ sich etwas ein wenig bewegen, und ich möchte mich bei Ihnen/bei Euch für Unterstützung und viele schöne Momente bedanken. Aber das Leben ist zu kurz und schön, um es in einer Reformblockade zu vertun. Ich habe mich geirrt. Guter Wille, Energie, Ideen und viel Hilfe aus der Filmbranche reichen nicht, die FBW grundlegend zu reformieren. Den Beharrungs-Treibsand der Ministerialbürokratie, eigentümliche Auffassungen von Filmförderungspolitik und blockierte Personalstellen habe ich nun ausreichend erforscht, möge mein Nachfolger hier Land finden.
Meine Bemühungen, die FBW im eigenen Ministerium, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) wieder auf die Landkarte zu rücken, haben viel (zuviel) Reibung erzeugt. Wir haben, wie man in der freien Wirtschaft sagen würde, grundlegende Differenzen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Angestrebt habe ich eine Sockelfinanzierung der FBW aus öffentlichen Mitteln, eine Senkung der Prüfgebühren, insbesondere für Arthouse-Filme, und eine gemeinnützige GmbH oder Stiftung. Dies alles aber bleibt wohl auf Jahre blockiert. Die FBW soll eine Behörde sein&bleiben, bei der alle 16 Länder mitbestimmen, keines aber auch nur einen einzigen Euro zahlt – und auch künftig zahlen will. Hessen ausgenommen. Vielleicht…
Der FBW-Gesamthaushalt liegt bei rund 450 000 Euro. In den Sonntagsreden betonen die Kultusminister gerne die „kulturpolitische Bedeutung der FBW“, an den Werktagen aber muss dieses Geld wie in einem privaten Profitcenter, jedoch unter flächendeckend bürokratischen Bedingungen von der FBW höchstselbst erwirtschaftet werden. Dies aus dem leider schrumpfenden Kuchen des Verleih- und Kinosektors, wo jede Hilfe sinnvoll wäre, auch die der FBW-Prädikate. Die aber sollen „besser vermarktet“, „mehr Filme akquiriert“ und „neue Geschäftsfelder erschlossen“ werden (O-Ton KMK). Mit dem staatsvertraglichen Auftrag der FBW, „den guten Film zu fördern“, hat dies nichts mehr zu tun. Eine Förderung ohne den Einsatz öffentlicher Mittel ist keine Förderung.
Die 1951 gegründete FBW ist die älteste Filmförderungs-Institution der Republik. Früher hatten die FBW-Prädikate eine steuerbefreiende Wirkung von jährlich 50 bis 100 Millionen Mark. Heute ist die Arbeit der ehrenamtlichen FBW-Jurys den Ländern nicht einmal deren Reisekosten und die karge Aufwandsentschädigung wert (Jury-Gesamtkosten: 50 000 Euro, also 3333 Euro je Land und Jahr).
Verweigert wird auch eine Sockelfinanzierung der FBW, die ohne eine solche hundertprozentig abhängig bleibt von den freiwilligen Filmeinreichungen der Filmverleihe. Die Unabhängigkeit der FBW sei ja gewahrt, meint die Politik, weil die Jurys nicht direkt von der Filmwirtschaft bezahlt würden. Stimmt, falls man es ethisch nicht so genau nimmt.
Eine Sockelfinanzierung der FBW, das wären lächerliche 200 000 bis 320 000 Euro pro Jahr, geteilt durch 16 Länder also je 12 500 bis 20 000 Euro.
Dazu kommt Paragraph 12 der FBW-Verwaltungsvereinbarung, der verlangt: „Sämtliche Einnahmen der FBW sind zweckgebunden und ausschließlich für die der FBW obliegenden Aufgaben zu verwenden. Überschüsse sind einer Rücklage zuzuführen.“ Ist es die der FBW obliegende Aufgabe, dem Land Hessen über Jahrzehnte eine Obere Landesbehörde inklusive aller Personal- und Verwaltungsaufgaben voll zu finanzieren? Wie weit das Usus geworden ist, zeige ein makabres Beispiel: Todesanzeige und Grabkranz meines Vorgängers Steffen Wolf, 23 Jahre Bediensteter des Landes Hessen, mussten aus den FBW-Prüfgebühren beglichen werden, weil das Ministerium sich verweigerte.
Jetzt, kurz vor meinem Abschied, ließ sich mit viel Druck erreichen, dass das Land Hessen mit Wirkung vom 1. September 2007 der FBW die Miete im Schloss Biebrich „erlässt“. Das begrüße ich sehr und bedanke mich bei den hier Handelnden, geht es dabei doch um immerhin 65 000 Euro im Jahr.
Aber: Es hat aber fast 25 Jahre gedauert, bis im Lande Hessen endlich der Beschluss der Finanzministerkonferenz vom 20.1.1983 vollzogen wird, wonach „die Unterbringung von ländergemeinsamen Einrichtungen in landeseigenen Gebäuden unentgeltlich erfolgt“.
25 Jahre lang hat sich das Land Hessen aus den Einnahmen der FBW (siehe § 12) - also von der Filmwirtschaft, von Filmverleihen, Produzenten, kleinen Filmemachern und auch von Filmstudenten – die FBW-Miete einverleibt und der Förderarbeit entzogen. 25 Jahre FBW -Mietkosten machen, konservativ verzinst, heute 1,96 Millionen Euro.
Darauf hat die FBW ein politisches Anrecht. Damit stünde die FBW heute ganz anders da. Damit kann die FBW neu gestaltet werden. Das ist genug Kapital für eine Stiftung oder eine gGmbH. Und damit können auch endlich die Prüfgebühren insgesamt und besonders für Arthouse-Filme gesenkt werden, wie ich es stets gefordert habe. Hessen ist am Zug. Hessen hat eine Bringschuld.
Alf Mayer"
Wir geben zu, dass das FBW-Prädikat nach unserem Eindruck nicht mehr für das stand, was es sein sollte - viele Prädikatvergaben haben uns sehr verwundert. Wir wissen aber auch, dass dies nicht zuletzt den hohen Prüfgebühren geschuldet war und Alf Mayer sich hier für eine Neupositionierung stark gemacht hat. Der Gedanke eines Markenzeichens für gutes Kino - und diesen Ruf genießt das Prädikat unvermindert - spricht uns aus der Seele. Wir wüßten es gerne auch auf Filmtheater erweitert. Dass dieser Versuch letztlich an mangelnder Wertschätzung scheitern musste, bedauern wir. Wir hoffen, dass die Energie und der Optimismus, den Alf Mayer jederzeit verströmt, zukünftig auf fruchtbareren Boden fallen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen