Dienstag, 31. Juli 2007

Kinoszene Bayern

Schön war's wieder, eine Woche auf Achse durch Bayern zu sein und Kinomacher nach ihrer Arbeit zu befragen. Unter anderem getroffen haben wir

Familie Jordan, Lichtspiele Großhabersdorf:
Seit unserem letzten Besuch ist das "Kinderparadies" fertig geworden, an dem auch Besucher, die noch zu klein für den Kinobesuch sind, ihre helle Freude haben werden: Ein Spielhaus mit Bobby-Car-Garage, eine Kletterwand, eine Burg mit Rutsche und Schaukel und ein Ball-Pool erwarten die Kleinen dort. Der Kinosaal hat eine neue Beleuchtung bekommen, und vor allem wird Familie Jordan auf der diesjährigen BKM-Kinoprogrammpreisverleihung in Hamburg eine Prämie für ihr Kinderprogramm entgegennehmen dürfen.

Familie Bezold, Casino Lichtspiele Eckental:
Man könnte meinen, die Schwaben wären in Eckental eingefallen, wenn die Besucher Bier und Popcorn selber mitbringen. Dumm nur, dass so ein Bierkasten (!) ziemlich auffällig ist, wenn man sich damit an der Kasse vorbeimogeln möchte, und dumm auch, dass das Popcorn von Frau Bezold der Kindergeburtstagsgesellschaft viel besser schmeckt als das mitgebrachte... so liebevoll und engagiert wie Antje Bezold kümmern sich nur wenige um das Kinderkino, und die Besucher danken es ihr. Die Besucherzahlen sprechen da eine deutliche Sprache.

Familie Kroiß, Roxy Abensberg:
Das Roxy hat jetzt endlich eine Homepage. Unglaublich angesichts all der Casablancas, Metropolis, Roxys und Cinemas: www.roxy-kino.de war noch frei! Furore hat man im Roxy mal wieder mit Sonderveranstaltungen gemacht. Bei "Stille Nacht, bayrische Nacht" (Zwei Filme, eine Sprache) wurden im Bierzelt die Rosenmüller-Filme "Schwere Jungs" und natürlich "Wer früher stirbt..." gezeigt. Der Andrang war so groß, dass 200 Leute wieder heimgeschickt werden mussten!! Ebenfalls gigantisch: Die Open-Air-Vorstellung von "Fluch der Karibik" im Schlosshof mit einer 14 Meter und 6 Tonnen schweren begehbaren Black Pearl, jeder Menge historisch verkleideter Piraten, einem deutschen Meister im Cocktailmixen und 600 Besuchern! Wer übrigens würde sonst noch mit einem Einzelhaus in der bayrischen Provinz auf "Spiderman 3" verzichten, um für sein treues Kinderpublikum die "wilden Hühner" spielen zu können?

Kino Solln:
Ein schickes, modernes und sehr gepflegtes Arthaus, dessen Konzept uns überzeugt hat: Komfort und Service für ein Publikum, das meist über 40 ist. Sinnvolle Details: Die Online-Kartenreservierung wird auf der Homepage und im Kinoflyer erklärt und zu den Kinderfilmen hängt statt des Jugendschutzes ein detaillierter "Wer darf wann wo rein"-Plan aus, in dem FSK-Freigabe, PG-Regelung und Tageszeit berücksichtigt sind.

Kaum ist man ein paar Tage weg...

... auf Kinoreise durch Bayern, schon verpasst man wieder eine interessante Diskussion, nämlich die um den Disput zwischen Volker Schlöndorff und Günter Rohrbach um die "Amphibienfilme". Das Hickhack um die Finanzierung und auch Auswertung von Filmen, die von Fernsehsendern koproduziert werden, sorgt ja schon länger für Unstimmigkeiten und Kannibalismus ("Alles auf Zucker!", "Deutschland - ein Sommermärchen"). Dass ein Regisseur, der sich bekanntermaßen für das Kino einsetzt, für eine kritische Anmerkung gleich gefeuert wird, ist eine bemerkenswerte Überreaktion. Nur ein Vorwand in Hinsicht auf die bisher glücklose Produktionsgeschichte der "Päpstin"? Der deutsche Zeitungsleser diskutiert inzwischen nicht die Sache, sondern Randthemen: dass die Kinoeintrittspreise ja so hoch seien und man sich deswegen nicht wundern brauche, und dass die Päpstin ohnehin ein schlechtes Buch für halbgebildete Hausfrauen sei - so gelesen in den Online-Leserkommentaren der "Süddeutschen Zeitung".

Neues von kinolabor!

In diesen Tagen erscheint in epd Film (Heft 8/2007) die Fortsetzung unserer Programmkino-Serie. Diesmal haben wir für Sie das "Mal Seh'n" in Frankfurt besucht.
Außerdem haben wir mit Freude auf unserer aktuellen Kinotour für die Kinderfilm-Marktanalyse im Auftrag des Fördervereins deutscher Kinderfilm (ausführliche Projektbeschreibung in der aktuellen Kinder- und Jugendfilm-Korrespondenz) festgestellt, dass einige unserer Ideen vom letzten Mal schon in den Kinos umgesetzt wurden! Weiter so!

Donnerstag, 19. Juli 2007

artechocks kleines Bestiarium der Kinogeher

Eine Typologie des Kinogehers aus der Sicht des "wahren" Cineasten. Das ist doch mal aus dem Leben gegriffen... besonders unterhaltsam (und auch uns immer wieder ein Rätsel): "Der Spontane".

Und apropos "Brokeback Mountain": Da sitzen wir also eines Tages im Kino, es läuft die Marlboro-Werbung, und eine der jungen Frauen hinter uns, Typ "Rotweintrinkerin" (aus unserem persönlichen Bestiarium) meint interessiert: "Ach, das ist der Film über die schwulen Cowboys, davon habe ich schon gehört."

Also ehrlich, ist doch lustiger als zuhause auf dem Sofa, oder?

kinolabor ist wieder unterwegs!

Nach unserer Kinoreise durch Deutschland im vergangenen Jahr (epd Film berichtet in seiner Programmkino-Serie darüber) sind wir endlich wieder auf Achse! Diesmal nicht auf eigene Faust, sondern "in höherem Auftrag". Es sollte uns wundern, gäbe es von unterwegs nicht wieder die eine oder andere Kuriosität zu berichten. Wir halten Sie auf dem Laufenden.


Lachen erlaubt?!

Neulich vor der Eingangstür zum Saal des Kinos im Filmmuseum, Spätvorstellung, Woody Allen. Eine Dame beschwert sich, letztens bei der Komödie hätten manche Leute so laut gelacht, das gehöre sich doch nicht, man sei ja schließlich nicht allein im Saal. Was ist nur aus dem Kino geworden?

Reißt die Sitze raus!

Sovieles hat sich im Lauf der Jahre in den Kinos verändert, aber die Sitze sind immer noch schön feste am Boden angeschraubt (anders würden sie übrigens auch gar nicht stehenbleiben). Wär's da nicht mal Zeit für einen Paradigmenwechsel? Wie wäre es denn mit verschiebbaren Sesseln, die man beliebig gruppieren kann. Dann könnten sich auch Gruppen von mehr als zwei Leuten so hinsetzen, dass man mal einen Blick oder ein Wort (oder eine Berührung) tauschen kann. Oder die Alternativen "reihenmittig" und "Kuschelbank" würden sich nicht mehr gegenseitig ausschließen. Genug Beinfreiheit bei jeder Größe. Abstand zu unangenehmen Nachbarn.

Kostet zuviel Platz? Na, so voll sind die Kinos ja meistens doch nicht. Also lieber ein paar Stuhlreihen raus und den Besuchern mehr Komfort gönnen. Die Reihenüberhöhung ist natürlich ein echtes Problem, die müsste weg, und dafür die Leinwand entsprechend höher gehängt werden. Dafür sehen wir dann wieder zu unseren Helden auf.

Und das ist erst der Anfang. Richtig radikal sind Kinder, wenn man sie danach fragt, wie man denn einen Kinosaal kindgerechter gestalten könnte. Das ist uns bei einer Befragung aufgefallen, die wir durchgeführt haben. Hat sich schon mal jemand überlegt, wie wenig kindgerecht so ein Kinosaal ist? Manche Kinobetreiber bieten immerhin extra Sitzkissen an, damit die Knirpse wenigstens über die Vorderreihe schauen können. Die Kinder selbst aber würden sich zum Beispiel Liegesitze wünschen (mal ehrlich, die wären nciht nur was für Kinder, oder??). Frei positionierbare Sitzsäcke wurden auch genannt, damit man so richtig schon fläzen kann. Und das Highlicht: von der Decke hängende Sitzschaukeln. Gut, fragen Sie nicht, was da bei "Spiderman" im Saal abgeht, und wie man die lustig schaukelnden Kiddies aus dem Projektorstrahl raushalten soll, ist auch eine Überlegung wert. Aber, hey, das ist wenigstens mal innovativ.

Eigentlich erstaunlich, dass sich die individuelle Positionierung bisher nur beim Open-Air auf der Liegewiese durchgesetzt hat. Im früheren "Sternchen" in Biberach/Riß soll es mal bewegliche Sitze gegeben haben (seit Ende der 70er bis vor ein paar Jahren), aber da ging es wohl mehr drum, den Raum tagsüber als Café und abends als Kino nutzen zu können. Na, wenn schon Verzehrkino oder Kino-Bar, warum denn dann noch die alte Frontalanordnung und nicht nette Bartische mit verrückbaren Stühlem wie im Kabarett? Das Service-Kino-Konzept mag nichts für Puristen sein, aber besser als sein Ruf ist es allemal. Und bei der zeitgenössischen Kinoarchtiketur ist man doch um jede Abwechslung froh.

Montag, 16. Juli 2007

Veranstaltungstipp: "Die Blume der Hausfrau"

DIE BLUME DER HAUSFRAU
Dokumentarfilm von Domnik Wessely

Ein Film mit Kultstatus: Dominik Wessely hat fünf Vorwerk-Vertreter einen Monat lang begleitet auf ihrer Tour durch die deutsche Provinz. Herausgekommen ist ein Film voller Situationskomik und mit einem verschmitzten Blick in deutsche Wohnzimmer. Wer immer schon einmal wissen wollte, wie Andere auf Vertreterbesuch reagieren, kommt bei diesem Film auf seine Kosten.

Dienstag 17.07. 19:30 NAXOS HALLE Frankfurt

Sonntag, 15. Juli 2007

Kinoszene Frankfurt (2)

Wir gratulieren dem Kino des Deutschen Filmmuseums / DIF e.V., das unlängst in Berlin für seine hervorragende Programmarbeit im Jahre 2006 in Berlin mit dem Hauptpreis des Kinemathekenverbundes in der Kategorie 1 – Städte über 500.000 Einwohner – ausgezeichnet wurde.

Die Jury lobte insbesondere das weite Programmspektrum und den Fakt, dass jeweils ungefähr doppelt so viele deutsche und europäische wie US-amerikanische Filme zur Aufführung kamen.

Mehr dazu auf der Homepage des DFM/DIF...

Freitag, 13. Juli 2007

Kinos am Raschplatz als Untermieter

programmkino.de meldet, dass das Filmkunst-Center am Raschplatz (Hannover) während der Umbauphase des Raschplatzes ins gegenüberliegende Cinemaxx zieht. Hoffen wir, dass es nicht so endet wie mit dem Olympia in Frankfurt, das wegen Umbauarbeiten schloss und nie wieder öffnete...

Dass die Kinos am Raschplatz ins Cinemaxx ziehen, ist dadurch möglich, dass Hannover fest in Cinemaxx-Hand ist: Hier begann Hans-Joachim Flebbe in den Siebzigern seine Kino-Karriere im Apollo (wird heute von einem ehemaligen Flebbe-Mitarbeiter geführt). Außer dem Apollo, das sozusagen Bestandsschutz genießt, dem kommunalen Kino im Künstlerhaus (das wie das Apollo in der Cinemaxx-Programmzeitschrift inserieren darf) und dem Off-Kino im Sprengel sind alle Leinwände in Hannover Teil des Flebbe-Unternehmens.

Dienstag, 10. Juli 2007

Kinowerbung

Auch wenn mein ultimativer Hass-Werbespot für das Eis mit dem großen "M" endlich von einem (kaum besseren) Nachfolger abgelöst wurde, ist es doch immer wieder schön, in ein werbefreies Programmkino zu gehen, wo nur Trailer laufen.

Das bis zu 45minütige Werbevorprogramm im Kinocenter und Multiplex gehört wahrscheinlich zu den meist genannten Störfaktoren im Kino. Trotzdem ist es nach wie vor gang und gäbe. Im Filmecho konnte man vor zwei oder drei Jahren mal die Diskussion um einen unabhängigen Multiplex-Betreiber verfolgen, der einen Aufschlag von ca. 50 Cent pro Karte verlangte und dafür die Werbespots abschaffte. Weiß leider nicht mehr, wo das war. Das Problem an diesem Modell war, dass er von diesen 50 Cent nicht anteilig an die Filmverleiher abführte, was naturgemäß zu einigem Ärger führte.

Bei der Wiedereröffnung des Cinema in Frankfurt wurde die werbefreie Leinwand in den Vordergrund gestellt, allerdings sind die Kartenpreise dort auch nicht ganz ohne. Dass sich das nicht nur rechnet, sondern auch die deutlich schlauere Alternative ist, rechnet eine weitere RMC-Studie vor.

Da fragt man sich nur: wie macht das ein ambitioniertes Programmkino wie das Mal Seh'n, das nur eine Leinwand hat, keine Werbung zeigt und trotzdem niedrige Eintrittspreise hat...?

Kurios: "Palast"-Kino Radebeul

Soso, Radebeul soll das amtlich kleinste Kino der Welt haben. Neun Plätze, ob da Kino-Feeling aufkommt...? Die Vision des Nachbarschafts-Kintop, wo man mit ein paar Freunden eine DVD gucken kann, ohne zuhause einen Beamer oder Riesenfernseher zu haben, könnte angesichts der Zuschauerzahlen aber zukunftsfähig sein...

Wann kommt die Garderobe wieder?

Manchmal sieht man sie noch in Kinos aus den Fünfziger Jahren, die Theken mit Vorhängen, an denen man damals seinen Mantel, seine Taschen etc. abgeben konnte. Heute werden sie meist als Rumpelkammer benutzt.

Dabei ist die Idee einer Garderobe doch gut - wer saß nicht schon im Winter oder an einem verregneten Tag im Kino und ärgerte sich über die nasse oder muffige Jacke, die er auf dem Schoß oder auf dem Nebensitz liegen hatte. In einem leeren Saal stört das noch wenig, aber ist es voller, hat man vielleicht keinen Sitz zur Ablage neben sich frei. Oder man belegt mit seinem Gepäck gute Sitzplätze, die andere Leute vielleicht gerne gehabt hätten.

Klar ist das Personal teuer, und den Kinos fehlt das Geld auch für dringendere Sachen. Wer jetzt sagt, "aber die Kartenpreise sind doch eh so hoch" und glaubt, dass an der Kinokasse dicke Gewinne eingefahren werden, von denen sich auch ein Garderobenangebot finanzieren ließe, sollte sich vielleicht mal diese Studie von RMC anschauen. Aber angesichts des steigenden Durchschnittsalters des Publikums und entsprechend steigendem Servicebewusstsein ist ein kleiner Aufschlag vielleicht gar kein Problem. Wer für eine werbefreie Vorführung 50 Cent mehr ausgibt, zahlt womöglich auch den selben Betrag, um seine Karstadt- (oder von mir aus auch Manufactum-) Tüten und seine Winterjacke los zu sein.

Anstatt nur immer vom "Premium-Medium" zu sülzen und sich mit Eintagsfliegen wie "Kino für Fortgeschrittene" anzubiedern, sollten Kinobetreiber den sogenannten "Best Agern" einfach mal die Atmosphäre und den Service bieten, den sie von ihren übrigen Freizeitaktivitäten gewohnt sind. Zu befürchten ist allerdings, dass ein von Kinobetreibern sicher nicht unerwünschter Nebeneffekt dann zum Hauptgrund wird: dass die Garderobe nämlich nicht unter dem Aspekt "Dienstleistung", sondern unter dem Totschlag-Argument "Raubkopierer" zwangsweise wieder eingeführt wird: alle Jacken müssen draußen bleiben, 's könnte ja einer ne Kamera drinhaben.

Montag, 9. Juli 2007

Der "richtige" Sitzplatz

Eine durchaus diskussionswürdige Frage für den Kinogänger ist die nach dem richtigen Sitzplatz. Eine endgültige Antwort darauf gibt es natürlich nicht - jeder mag da seine individuellen Vorlieben haben -, aber im Lauf der Zeit habe ich einige Argumente und Theorien gesammelt, die eine Hilfestellung bieten mögen.

Aus Gründen der optischen Verzerrung ist es natürlich angeraten, sich möglichst in der Reihenmitte niederzulassen. Dagegen spricht höchstens, dass man diesen Platz nur mit Schwierigkeiten während der Vorstellung verlassen kann. Das sollte man natürlich sowieso vermeiden, aber manchmal zwingen eine eine fehlerhafte Vorführung oder schlecht kalkulierte Flüssigkeitsaufnahme dazu. Zwischendrin zum Rauchen rauszugehen ist indiskutabel. In einigen intimeren Kinos bieten die äußersten Plätze allerdings die durchaus überlegenswerte Alternative, die Beine in den Gang strecken zu können, wo die Beinfreiheit nicht die Möglichkeit dazu bietet.

Schon schwieriger zu bestimmen ist, in welchem Abstand zur Leinwand man am besten sitzt. Es gibt ja durchaus Fans der ersten Reihe, denen das Erlebnis dicht an der Leinwand das Höchste ist, während andere hier der im Regelfall ungünstigen Kopfhaltung verächtlich von "Rasierloge" sprechen - das ist stark abhängig davon, ob der Abstand der ersten Reihe nach architektonischer Vernunft oder nach unternehmerischer Rendite bemessen wurde. Große Nähe zur Leinwand birgt allerdings bei entsprechender Filmkost und empfindlichem Magen auch die Gefahr der Übelkeit bei rasanten Kamerafahrten, Handkamera und schnellen Schnitten (in der "Bourne-Verschwörung" etwa soll es häufiger zu entsprechenden Anflügen von Übelkeit gekommen sein)
, während große Ferne zur Leinwand sich gnädig auswirken mag, wenn das Bild weniger scharf ist als es sein sollte. Die letzte Reihe ist dem Ruf nach eher bei Kinobesuchern beliebt, die nicht allein des Films wegen gekommen sind; sie bietet außerdem in großen Sälen die Option eines durch entsprechenden Abstand kleineren und somit "domestizierten" Bildes. Aber deswegen sind wir doch nicht im Kino, oder? Gern empfohlen wird deshalb ein Abstand, bei dem die Leinwandbreite das Gesichtsfeld ausfüllt. Der Filmrestaurator Nicola Mazzanti formulierte das einmal mathematisch so, dass der Sitzplatz an der Spitze eines gleichseitigen Dreiecks liegen sollte, dessen andere Ecken sich an den Enden der Leinwand befinden. Über den vorteilhaftesten Sitzplatz in einem Saal zu dikutieren, den Mazzanti als "volumetrischen Scherz" bezeichnen würde (tritt meist in der Form des "Schachtelkinos" oder als Längs- oder Querschlauch, womöglich noch mit Säulen, auf), erübrigt sich.

Im 3D-Kino gelten etwas andere Gesetze, hier sind reihenmittige Plätze unbedingt zu bevorzugen, außerdem heißt es, dass dort die Sitzplätze weiter vorn die vorteilhaftesten seien: wenn die Bildränder nicht wahrgenommen werden, soll der 3D-Effekt am besten zur Geltung kommen.

Bisher nicht berücksichtigt bei alldem ist der Einfluss des Tons. Während man davon ausgeht, dass Surround-Ton in der Mitte des Saals am überzeugendsten ist, habe ich inzwischen gehört, dass dies aufgrund der gängigen Auspegelung eher am Ende des zweiten Saaldrittels der Fall sei. Abhängig von der Leinwandbreite wird es in vielen Sälen also keinen "idealen" Platz mit optimalem Raumklang bei gleichzeitiger Gesichtsfeldfüllung des Bildes geben.

Ob man bei der gegebenen Reihenüberhöhung das Bild überhaupt vernünftig über den Vordersitz (und am besten auch den Vordermann) hinweg sehen kann, sollte auch in die Überlegung miteinfließen. Da es in Multiplexen heute von den meisten Plätzen aus gängig ist, auf das Kinobild hinabzublicken, erzielt man die klassische "larger than life"-Überhöhung des Filmgeschehens respektive des Stars meist nur im vorderen Drittel des Saals.

Dazu kommen praktische Erwäggründe, etwa Nähe zum Ausgang, wenn es denn sein muss - hier wird der unruhige Zeitgenosse wenigstens nicht zur Belästigung; Lichteinfall der Notausgangs- oder Treppenbeleuchtung; womöglich auch unterschiedliche Reihenabstände oder durchgesessene Sitze, um die man als regelmäßiger Besucher eines Filmtheaters weiß. Viele sitzen ja heute auch nicht gerne direkt neben einer fremden Person, wenn man solchermaßen kinoentwöhnt ist, könnte sich der Filmgenuss durch ein oder zwei Sitze Abstand zum Nebenmann tatsächlich erhöhen.

Also sitzen Sie doch, wo Sie wollen - aber achten Sie drauf, dass Sie sich da wohlfühlen.

Weiterführende Erörterungen zur Frage des Verbleibs der Außengarderobe oder flexibler Bestuhlung erwarten Sie demnächst.

Freitag, 6. Juli 2007

Smile!

Gesehen in den "Lichtspielen Mössingen".

Kinoszene Frankfurt (1)

Der Turm-Palast, so heißt es in der Frankfurter Rundschau, soll 2010, im Jahr seines 60jährigen Bestehens, abgerissen werden. Schade um das Traditionshaus, das nach dem Krieg auf den Resten des Ufa-Palasts wieder aufgebaut und 1950 eröffnet wurde, schade auch um das einzige Haus, das Blockbuster in der Originalfassung zeigt, wenn auch kein Verlust angesichts der heruntergekommenen und teilweise absurd geschnittenen Schachtelkinos, die dort bespielt werden.

Ein Blick ins Strandgut aber offenbart, dass sich die Arthouse-Kinos Cinema und Harmonie scheinbar anschicken, die Nachfolge zu übernehmen. Wie wäre es sonst zu erklären, dass sich dort neuerdings auch "Fluch der Karibik (OmU)", "Harry Potter und der Orden des Phoenix (OV)" und "Death Proof (OV)" im Programm finden? Sicherlich alles andere als Arthouse-Filme, die sich auch nicht nahtlos ins übrige Programm der Häuser einfügen.

PANS LABYRINTH: Wieviel Spanien steckt in Guillermo Del Toros Film über eine Franquismus-Episode?

„Der spanische Realismus ist kein ‚Dokumentarstil’, sondern genau das Gegenteil. Die Wirklichkeit ist nicht nur das Sichtbare, sondern das, was im Unterbewußtsein schlummert, das Geträumte, Gewünschte und Vorgestellte.“ Obgleich einem Buch über die Filme Carlos Sauras entstammend, dem nach Luís Buñuel wahrscheinlich berühmtesten spanischen Filmregisseur, klingen diese Sätze wie ein Leitmotiv zu Guillermo Del Toros neuem Film Pans Labyrinth.

Der Pan

Der Originaltitel lautet El Laberinto del Fauno, doch ob man nun Pan, den Gott des Waldes und der Natur, oder Faunus, den Wolfsgott, in den Vordergrund stellt, es bleibt die ambivalente Besetzung dieser bocksbeinigen Figur. Er steht gleichermaßen für Fruchtbarkeit, Musik und Tanz, mithin ungezwungener Lebensfreude, aber ebenso für Unbeherrschtheit und Schrecken. Ursprünglich bekanntlich der griechischen, respektive römischen Mythologie entstammend, widmete die römisch-katholische Kirche einige Eigenschaften der Figur dem Teufel. Die katholische Kirche wiederum stellt jedoch einen der Eckpfeiler des spanischen Staates unter Franco dar: Selbst ein bocksbeiniges, hinkendes Wesen voller Widersprüche in Lehre und Handlung. Auch der Pan/Faun in Pans Labyrinth bleibt den ganzen Film über ambivalent. Er sagt das eine, aber die Konvention lehrt, daß zwielichtige Gestalten in der Literatur und in Filmen das jeweils andere meinen. Auch, wenn das Baumwesen sich hier letzten Endes als Werkzeug des Guten herausstellt, bleibt die Lehre, die er dem Kind vermittelt hat: das Mißtrauen.

Das Kind

Protagonistin des Films ist ein Kind – ungewohnt für das deutsche Publikum, das sich mit dieser Identifikationsfigur in einem „Erwachsenenfilm“ zunächst schwertut. In Spanien aber ist die Tradition der „Kinderfilme“ lang: Sie reicht insbesondere in den 1970er Jahren von Victor Erices El espíritu de la colmena (Der Geist des Bienenkorbs, 1973) über Carlos Sauras Cría Cuervos (Züchte Raben, 1975) bis zu Jaime Caminos Las largas vacaciones del 36 (Long vacations of 36, 1976), um nur die Bekanntesten zu nennen. Fast scheint Ivana Baquero, die Ofélia des Films, Del Toros Neuentdeckung von Ana Torrent zu sein, der Ana aus Sauras Cría Cuervos. Das oberflächliche Kinderspiel ermöglichte es der franquistischen Zensur zum Teil, über darunterliegende Systemkritik hinwegzusehen. Über den Umweg der vermeintlichen kindlichen Harmlosigkeit wurden die Dinge jedoch nur um so deutlicher ans Licht gebracht.

Ein Thema, das Del Toro auch variiert aufnimmt: Die Haushälterin des Capitáns bringt selbst zur Sprache, daß der Deckmantel der schwachen, unscheinbaren Frau ihre Kollaboration mit den Partisanen ermöglichte.

Erinnerungsarbeit

In Spanien wurde die (filmische) Vergangenheitsbewältigung nach Francos Tod 1975 zunächst zu einer Suche nach dem „dritten Weg“: viele Filme waren kompromißlerisch, versöhnlich, nach dem Motto: „Alle hatten irgendwie recht“. Man wollte dem erneuten Aufflammen der Differenzen von Republikanern und Altfranquisten vorbeugen. Eine genaue Darstellung der Kriegsgreuel und Diktatur-Grausamkeit fehlte zugunsten verschlüsselter Andeutungen und später dem Lächerlichmachen der ewig Gestrigen. Zwar gab es auch mutige Filme, doch daß noch Jahre nach Francos Tod und dem Ende der Zensur ein Film, der die Wahrheit aufdeckt, Gefahr für die persönliche Sicherheit darstellen konnte, zeigt das zu trauriger Berühmtheit gelangte Beispiel der 1997 verstorbenen Filmemacherin und Politiker Pilar Miró. Vor dem Hintergrund der Anfang der 1980er Jahre in Spanien aktuellen Debatte um Folterungen durch die Guardia Civil im Baskenland, fühlte die Polizeieinheit sich durch den Film El Crímen de Cuenca (Das Verbrechen von Cuenca, 1981) bedroht. Miró erzählt darin von der brutalen Folterung eines Untersuchungshäftlings durch die Guardia Civil – die sich jedoch Jahrzehnte zuvor abgespielt hatte. Der Film wurde drei Jahre lang in Spanien verboten, und die Filmemacherin vor ein Militärgericht gestellt.

Der Bürgerkrieg 1936 bis 1939 und die franquistische Diktatur bleiben ein Trauma der spanischen Geschichte, an dem sich über Jahrzehnte hinweg die Künstler über alle Kulturbereiche hinweg abarbeiten. Wo aber liegt der Bezug eines Mexikaners zu diesem Thema? Guillermo del Toro, 1964 in Guadalajara geboren, lernte in seiner Kindheit viele spanische Emigranten und ihre Geschichten kennen, die ihn bis heute beschäftigen. Das Thema des spanischen Bürgerkriegs hat er bereits in einem anderen Film verarbeitet, ebenfalls mit einem Kind als Bezugsfigur. The Devil’s Backbone (in Deutschland nur auf DVD erschienen, 2001) ist eine Geistergeschichte, was bei manch einem Publikum falsche Erwartungen weckt. Denn der Film ist nur oberflächlich ein Vertreter des Genres Horror, das „Geträumte, Gewünschte und Vorgestellte“ handelt vom Begreifenlernen und Durchschauen: „Ein Geist, ist ein schrecklicher Moment, der dazu verdammt ist, sich ständig zu wiederholen, etwas Totes, das von Zeit zu Zeit lebendig erscheint“, spricht der Lehrer im Film zu seiner Klasse.

Der Name Francos erscheint im Film übrigens nur zweimal: Einmal auf Plakatwänden, das andere Mal bei der Verteilung der Brotration an die Bewohner: Unser täglich Brot auf diktatorisch.

Gewalt

Wieder einmal überrascht die FSK mit ihrer Einstufung des Filmes „Ab 16 Jahren“. Die Deutlichkeit der Gewalt, die in Pans Labyrinth zelebriert wird, hätte vielleicht auch eine rigidere Maßgabe gerechtfertigt. Entspannende Sequenzen existieren nicht – selbst die Feen essen Fleisch. Um sinnlose Gewalt handelt es sich freilich nicht – die der Geschichte eingeschriebene Historizität, und selbst der Bezug auf den ursprünglichen Märchencharakter legitimieren die verstörende Darstellung. Auch Sauras Ana y los lobos (1972) endet mit einem Kopfschuß. Ebensowenig ist es aber eine sadistische Grausamkeit, die Capitán Vidal als der eigentlich „Böse“ des Films übt. Seine Taten gehen weit über Sadismus hinaus. Bei de Sade stellt die Triebbefriedigung genauso wie das Überschreiten gesellschaftlich akzeptierter moralischer und ethischer Grenzen den Hintergrund für Gewalt; Del Toros General foltert und schlachtet aus Pragmatismus: gefühllos kalt, gleichgültig. Nicht einmal Verachtung leistet er sich.

Dem gegenüber stehen die republikanischen Partisanen, durch ihre Gegenüberstellung mit Vidal als die „Guten“ gekennzeichnet. Doch die „Guten“ bei Del Toro sind nicht gut, weil sie besser, humaner handeln als die „Bösen“; sie sind die Guten, weil sie (zufällig?) für die moralisch bessere Sache kämpfen. Deswegen stellen sie auch keine Identifikationsbilder dar – sie sind sympathisch, nehmen aber einen relativ kleinen Teil der Präsentation ein.

Fazit

Was also ist spanisch an diesem Film über ein dunkles spanisches Geschichtskapitel? Sicherlich das Thema, ebenso der innermediale Bezug. Die Machart – manchmal. Wenn etwa das Jahrzehnt gekennzeichnet wird anhand eines Autos, das eine einsame Landstraße entlangfährt. Solche Einstellungen finden sich nur minimal variiert unter anderem genauso in The Devil’s Backbone wie in La prima Angélica (Die Cousine Angelica, Carlos Saura, 1972). Oder das Gruppenbild mit (in diesem Fall: toter) Dame inklusive Dienstboten vor dem Herrenhaus. „Unspanisch“ ist der sukkzessive Verlust der gesamten Familie, obwohl man auch dies als Kritik am Franco-Staat deuten könnte, dessen Grundmauern Kirche, Familie, Militär zugleich die Begrenzungen der Individualität und der physischen wie psychischen Gesundheit bilden.

Trotz der düsteren, mondscheinblauen Regenrealität und der dieser entgegengesetzten fleischfarbenen, blutdurchtränkten Märchenwelt, die beide eine amerikanische Bildersprache pflegen (bis hin zu Ofélias Disney-Alice-im-Wunderland-Kleid), ist Pans Labyrinth auf eine Weise ganz gewiß spanisch: Der Aufenthalt im Geträumten, Gewünschten, Vorgestellten – außerhalb der sichtbaren Realität – ist kein Eskapismus. Die Welt hinter den Spiegeln ist keine bessere, sie ist nur eine besser verständliche.

Multiple Schemata für Kinderfilme

Mit den Kinderfilmen ist es eine Crux. Nun war es schon immer so, daß Kinder in Kinderfilmen (gemeint ist der Kinderfilm als Zielgruppenfilm, ausgehend also von seinem Gebrauchswert) schon immer recht schablonenartig dargestellt waren. Irgendwie hat man es bis vor zehn, fünfzehn Jahren aber immernoch geschafft, die Kinder zumindest so AUSSEHEN zu lassen, als wären sie Kinder. Anders bei den aktuellen Filmen. Voon der seltsamen Landhaus-Kindermode, kombiniert mit Landarbeiterstiefeln in "Hände weg von Mississippi" mal ganz zu schweigen, fallen besonders "Die wilden Hühner und die Liebe" auf. Was, bitteschön, ist das denn für eine Art von Kleidung, die dort getragen wird? Auf jeden Fall ist sie so krampfhaft verschieden und unterschieden vom Alltäglichen, daß man sogar schon wieder von einer Art Uniform sprechen könnte. Irritierend auch der Kommentar von einem der Lumpenfundus-Mädchen über ein anderes: "Die trägt ja nur Hippie-Klamotten!" Der Unterschied zu der eigenen Kleidung war nicht ersichtlich. Aber gut - vielleicht kleiden sich Mädchen heute so. Aber seit wann zupfen sich Kinder eigentlich die Augenbrauen? Und wer war eigentlich derjenige, der durchgesetzt hat, daß die sekundären Geschlechtsmerkmale von Mädchen immer so penetrant in den Kamerafokus gerückt werden müsssen???!!! Besonders erschreckend ist dies auch in "DWK 3".

Übrigens scheint es eine weitere Regel außer alternativer Kleidung für Kinderfilme zu geben: Da Kinder sich ziemlich grundsätzlich mit dem Fahrrad bewegen müssen (egal, ob in der Großstadt oder auf dem Land, egal, ob es auch öffentliche Verkehrsmittel oder die Möglichkeit zu laufen gibt), muß ja irgendetwas mit dem Fahrrad passieren, wenn das Kind am Zielort angekommen ist. Anscheinend MUSS man das Fahrrad hinschmeißen. "Die wilden Hühner" haben mich kurzfristig verunsichert hinsichtlich dieser einfachen Regel, doch siehe da: Gibt es eine größere Gruppe von Kindern, die die Fahrräder irgendwo anlehnt oder hinstellt, wirft im Hintergrund doch mindestens ein Kind das Rad zu Boden. Solch ein Glück. Sonst hätte man ja gar kein multipel anwendbares Schema für den Kinderfilm.

Der Beschwerden-Melder

Die Nachricht vom Beschwerde-Handy der US-Kinokette Regal ist nicht ganz neu, aber ihr Kuriositätsgehalt verschaffte ihr auch in der ohnehin wenig film-, ganz besonders aber nicht filmtheateraffinen deutschen Presse etwas Aufmerksamkeit. U.a. berichteten die Berliner Zeitung und die Süddeutsche.

Das Konzept klingt erstmal gut: Stimmt im Kinocenter oder Multiplex das Bildformat nicht, ist das Saallicht noch an, der Ton fehlerhaft oder die Klimaanlage ausgefallen - bisher musste man in diesem Fall den Saal verlassen, im Foyer einen der spärlich vorhandenen Mitarbeiter suchen und darauf hoffen, dass dieser weiß, was er zu tun bzw. an wen er sich zu wenden hat, damit der Fehler möglichst schnell behoben werde. Es sei denn, man gehörte den ca. 95% Laien im Saal an, die davon ausgehen, es sei ein Projektionist zugegen, der den Fehler selbst bemerkt oder zumindest durch Rufen darauf aufmerksam zu machen sei. Das ist kein Vorwurf an die Laien, aber es zeigt den Unterschied, der heute zwischen der Realität des Kinos und seiner Wahrnehmung besteht. In Zukunft also soll man nicht mehr dem Nebenmann auf die Füße treten und einige Minuten des Films verpassen müssen, sondern es genügt, einen Knopf auf einer Fernbedienung zu drücken, sodann soll sich ein Mitarbeiter des Hauses des Problems annehmen.

Zur Auswahl stehen die Buttons "Bild", "Ton", "Piraterie" und "Sonstige". Diese Auswahl erscheint etwas unüberlegt. Sehen wir mal von Scherzkeksen ab, die während der Fluch-der-Karibik-Vorführung fortwährend den Piraterie-Button drücken, so haftet diesem sicher etwas von Denunziantentum an. Warum außerdem sollen Zuschauer Aufgaben des Kinopersonals übernehmen? Fragen wirft auch die Option "andere Störungen" auf, die sich hauptsächlich auf das Mitpublikum erstrecken. Nur ein Gerät pro Saal soll ausgegeben werden, und zwar an Mitglieder des Regal-Premium-Kundenclubs, berichtet Blickpunkt:Film online. Da handelt es sich dann zumindest, so darf man hoffen, um regelmäßige Kinogänger, die auch beurteilen können, wann Bild oder Ton verbesserungsbedürftig sind. In bezug auf das Mitpublikum sind aber Unstimmigkeiten vorprogrammiert, je nachdem, ob man den regelmäßigen Toilettenfrequentierer und das tuschelnde Pärchen schon oder die grölenden Kids in der letzten Reihe noch nicht als störend empfindet. Die Alternative, jedem so ein Ding in die Hand zu geben, stelle ich mir ungefähr so vor wie die Aggressionstherapie, die die Simpsons bei Dr. Marvin Monroe absolvieren: sie disziplinieren sich solange gegenseitig mit Stromschocks, bis das Netz zusammenbricht.

Klingt weit hergeholt? Thomas Schärer schreibt in Xenix - Kino als Programm über eben jenes Zürcher Kino:
"Nur wenige Neuerungen erwiesen sich als unpraktikabel, beispielsweise Stehlampen im Kinosaal, an denen individuell für Dunkelheit gesorgt werden konnte, weil der zentrale Lichtschalter in der Operateurkabine für undemokratisch befunden wurde."
Ist der Kinosaal ist noch nicht reif für Demokratie?

Wird der Mecker-Funk auch in deutschen Kinos eingeführt, wünschen wir uns also nur die Knöpfe "Bild", "Ton", "Temperatur" und "Pinguin", denn letzteren hätten wir während einer Preview zu "Die Reise der Pinguine" gerne betätigt. Die plärrend über die Sitzreihen hinwegtobenden Grundschülern ("andere Störungen") waren durch einen angemessen groben Tonfall in den Griff zu bekommen, den Kinomitarbeiter im Plüschpinguinkostüm, der mitten in der Vorstellung durch den Saal torkelte (vermutlich als perfide getarnter "Piraterie"-Sheriff unterwegs) hätten wir aber nur zu gerne "weggedrückt".

Donnerstag, 5. Juli 2007

Das Kino im Kopf

Und noch eine Fundstelle - diesmal in der Fernsehserie "Der Landarzt":

Eine junge Frau, offensichtlich am Kopf lädiert (wodurch, ist mir leider entgangen), kommt stöhnend zu sich: "Mein Kopf tut weh... und alles ist so intensiv... wie im Kino!!"

Wenn das mal keine Steilvorlage für die nächste Kino-Marketingkampagne ist...

P.S.: Bei eingehender Untersuchung stellte der Landarzt nicht nur eine Beule fest, sondern auch, dass die junge Frau schwanger ist. Zu Risiken und Nebenwirkungen (hoffentlich nicht des Kinobesuchs?) fragen Sie Ihren Landarzt oder Ihr Kräuterweiblein.

Tucholsky (1)

Gefunden in "Rheinsberg", wahrscheinlich die schönste Passage über das Kino bei Tucholsky (wer es nicht glaubt oder selber stöbern möchte, dem sei textlog.de wärmstens empfohlen):

"Aber noch trocken kamen sie in dem Saal des Wirtshauses an. Richtig, ein kleines Orchester war da, es verdunkelte sich der Saal ...

NATUR! MALERISCHE FLUSSFAHRT

DURCH DIE BRETAGNE.

KOLORIERT.

Der Apparat schnatterte und warf einen rauchigen Lichtkegel durch den Saal. Eine bunte Landschaft erschien, bunt, farbenprächtig, heiter. Die Kolorierung war der Natur getreulich nachgebildet: Die Bäume waren spinatgrün, der Himmel, wie in einem ewigen Sonnenuntergang, in Rosa und Blau schwimmend ... Während die Flußlandschaft hell vorbeizog, schwankte dauernd ein schwarzer Schatten, in Form einer Stange, durch das Bild, was vermuten ließ, dass die Aufnahme von einem Dampfboot aus gemacht worden war. Dies bestätigte sich; denn nach einer kleinen Weile drehte sich der hellbraun gebohlte Teil eines Schiffes in das Bild, das nun das Nahe und das Ferne zugleich erkennen ließ: eine rosagekleidete Dame, mit weißem Spitzenschirm, anscheinend zu diesem Zwecke hinbeordert, erzeugte vermittels freundlichen Lächelns, Winkens und eifrigen Aufund Abspazierens geschickt den Eindruck sommerlichen Glückes; hinten glitten die kolorierten Bestandteile der Bretagne vorbei, Trauerweiden, die Zweige in das Wasser hängen ließen, kleine ockergelbe Häuschen, die anscheinend auf ihre Umgebung abgefärbt hatten, ein vorüberziehender Fischdampfer ...

Die Claire saß erschüttert.

»Wolfgang, es ist zu traurig! Glaubsu, dass der sterbende Krieger seine Heimat erreicht?«

Er glaubte es nicht. Um so weniger, als jetzt der eben eingetretene Klavierspieler geräuschvoll drei kräftige Akkorde erschallen ließ, sein Bierglas herunterwarf, aber hierdurch unbeirrt sich anschickte, den nunmehr folgenden Film: ›Moritz lernt kochen‹ in angemessener Weise zu begleiten. Die Musik tobte: der Nachbar steckt den Kopf zur Tür herein, Moritz steht am Kochherd, packt den andern, wirft ihn in den Topf, dass die Beine heraussehen. Schwanken, Fallen, Töpfe kippen, Sintflut, man schwimmt gemeinschaftlich die Treppe herunter, schüttelt sich unten die Hände, nimmt das triefende Mobiliar unter den Arm und verschwindet ...

Die Claire konnte sich nicht beruhigen: sie fragte, wollte alles wissen. Ob er denn nun kochen könne, ob der Nachbar gut durchgekocht sei, sie könne übrigens kochen, perfekt, möchte sie nur sagen ...

Und schwieg erst, als helle Buchstaben auf dunklem Grund ankündigten:

›Das rettende Lichtsignal‹.

In der Titelrolle Herr Violo.

Von der Greizer Hofoper.

Auf Grund einer freundlichen, stillen Übereinkunft zwischen Filmfabrik und Publikum bedeutet die blaue Farbe Nacht, während die rote die Katastrophe einer Feuersbrunst anzeigt, so dass es allen klar wurde, wie man in solch gefährlichen Stunden eines rettenden Lichtsignales des Bräutigams bedurfte. Mochte die Handlung durchsichtig sein, hier war das Leben, aber konzentriert. Wenn das Meer, wenn die Brandung an Felsen schlug, wenn der Vorplatz eines Hauses einen Augenblick frei blieb und man an den Zweigen sehen konnte, wie der Wind geweht hatte, der Augenblick war dahin, unwiederbringlich dahin ... Wie beängstigend schön war es, wenn Eisenbahnzüge, lautlos, wie große Schatten erschienen, immer näher, größer – ein Kopf sah aus dem Fenster ..."

(Kurt Tucholsky: Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte)

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Gut Licht - gut Ton!