Mittwoch, 27. Februar 2008

There will be blood - oder?

Und noch ein Link zu einer wirklich schönen Kinogeschichte:

Freitag 07: Im Kino

Yesterday...

Raketenmäßig habe ich in den vergangenen Wochen meine Karriere vorangetrieben und dabei fast völlig den Kontakt zum "Mutterboden" Kino verloren. Die Berlinale - war da was? Dass der neue Woody Allen jetzt doch im Kino startet - erst gestern erfahren (danke, liebe Constantin, für euer Einsehen). Dass Doris Dörrie behauptet, einen Film mit "einer Ratte namens Ratatouille" gesehen zu haben - gnädigerweise entgangen. Dass AG Kino und VdF sich um die Finanzierung häßlicher Digitalprojektoren fetzen - eigentlich zu vermuten, aber faktisch erst am letzten Samstag mittag erfahren, bei der Lektüre der Filmechos der vergangenen drei Wochen. Aus dem selben Zeitraum liegen auch noch Sonntagsausgaben der Zeitung rum, die Festplatte des DVD-Recorders quillt über, möglicherweise läuft inzwischen sogar Gegenschuss in einem Kino in Reichweite, und am Kühlschrank begegne ich immer dieser sehr attraktiven, aber fremden Frau, die behauptet, mit mir das Bett zu teilen. Ich muss dieser Behauptung unbedingt mal nachgehen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.

Immerhin, der Urlaub steht an, im wahrscheinlich einzigen Kino-Hotel Deutschlands, und vorher wollen wir noch nach Karlsruhe, wo eine Ausstellung an die Filmtheatergeschichte der Stadt erinnert. Das sind doch Lichtblicke. So etwa Mitte März werde ich dann erfahren, wer Oscars gewonnen hat (nicht dass mich das interessieren würde) und ob es sich gelohnt hat, 2003 gegen Studiengebühren zu frieren.

Montag, 18. Februar 2008

Trost der Banalität

Neulich endlich mal wieder im Kino gewesen. Zum ersten Mal alleine in dieser fremden Stadt, in der im Februar die Kirschbäume blühen, nachdem man im November versucht hat, uns zu ertränken. Es war schon dunkel, als ich über den großen, leeren Marktplatz zum Kino ging. Ein wehmütiger Blick hinüber zum Metropol, dann neben dem offiziellen Popcornkino-Eingang des CineStar eine Treppe hinunter in den immerhin zweitgrößten Saal. Vorbei an der Süßigkeiten-Verkäuferin, die immer wieder um ihren Tresen spurten muß, um die Eintrittskarten abzureißen, hinein ins dunkle Vergnügen. Der Saal: oval, vorne zumindest. In Falten gelegtes Rot, den ganzen Raum entlang, so daß man selbst im Dämmerlicht fast erschlagen wird von der Aussage: Wir sind Kino. Mitte Mitte war ein gut gewählter Platz, die Leinwand ist groß genug. Und größere Menschen, zwischen deren Köpfen ich hindurchspähen muß, setzen sich auch erst mit Filmbeginn. Überhaupt: Wenig Publikum, das sich komplett in die letzten fünf Reihen drängt. Einige kamen wegen der Buchvorlage, andere hatten gehört, der Film habe gute Kritiken gehabt, eine erfolgreiche Überredungstaktik, die auch die Kinomuffel davon überzeugt hatte, den Film sehen zu wollen.

"Drachenläufer": Die Meßlatte liegt hoch: Acht Millionen verkaufte Bücher in drei Dutzend Ländern, so die Stuttgarter Zeitung, und dennoch taucht kein großer Star im Vorspann auf; der berühmteste Name mag noch Marc Forster sein, der Regisseur. Spätestens seit "Nicht ohne meine Tochter" wissen wir alle, daß die Verfilmung der Niederschrift von Lebenserfahrungen eine herbe Enttäuschung sein kann. Das Leben ist nun einmal so, daß der Film es nur nachspielen kann. Und in der Regel merkt man das. Nur war es noch ein bißchen abstruser: Die Filmerfahrung war, daß ich Schauspielern dabei zusehe, wie sie Sätze und Ereignisse aus einem Buch nachsprechen und -spielen, die ein Mensch aus Fiktion und Erzählungen von wirklichen Ereignissen verwoben hat. Oder kürzer: Gesehen habe ich einen abgefilmten Roman, der zwar den Worten gefolgt ist, aber den Inhalt nicht verstanden hat.

Daß die Geschichte auf der Leinwand dennoch wirkt, daß der Mensch, der durch dieses Fenster sieht, sich so schrecklich klein vorkommt, liegt weder an der Musik noch an den Schauspielern: Es ist die absolut tote Kargheit der Landschaft, das Wissen, daß genau dort wirklich Leben stattfindet, das dem Zuschauer mit einer Gewalt den Atem nimmt, daß ich ganz plötzlich froh bin über das tröstlich, freundlich-blaß leuchtende Schild der Notbeleuchtung. Ein kleines Stück Banalität gegen die Verlorenheit der Weite.

Sonntag, 10. Februar 2008

35mm rules!

Autsch

Das tut weh: Das Kinojahr 2007 war noch weniger erfolgreich als das Jahr 2005. Dass der Umsatz dennoch besser ausgefallen ist, tröstet nur wenig, denn zugleich haben auch die Kartenpreise einen deutlichen Hüpfer über die 6-Euro-Grenze gemacht. Wie man aus der Broschüre "Wie gründe ich ein Kino?" der AG Kino lernen darf, ist mit den Kinokarten allein sowieso kein Geld zu verdienen.

Dass Kino ein Auslaufmodell sein soll, wollen wir trotzdem nicht glauben. Weniger Filmtitel mit einer Zahl hintendran, frischere Kinokonzepte wie zuletzt vor fast 20 Jahren die Multiplexe, dann brummt der Laden wieder. Vielleicht ein Luxuskino mit Movie-on-demand? Kinoflatrate wie in Dublin (Paris hat meines Wissens auch so ein System, sogar kinoübergreifend meine ich mich zu erinnern)? Oder müssen wir sogar so weit gehen, im Programmkino Popcorn und Nachos zu legalisieren?

Wir können auch nicht feststellen, dass große Flachbildschirme im Wohnzimmer das Kinoerlebnis ersetzen könnten. Wir haben jetzt auch so einen, aber für diese Woche stehen wieder drei Kinobesuche im Kalender. Also an uns kann's nicht liegen.

Montag, 4. Februar 2008

Zusammen ist man weniger allein

Es ist nun wissenschaftlich erwiesen, was wir schon immer wussten: Filme schauen kommt besser in der Gruppe. Es erklingt der Ruf an alle Marketingexperten: Kinomacher verkaufen keine Filme, sondern ein Erlebnis. Die Inszenierung beginnt am Einlass.

Sonntag, 3. Februar 2008

Von welchem Kino sind Sie denn?

In den vergangenen Wochen haben wir einen neuen Typus kennengelernt, nach dem engagierten Kinomacher und dem schrulligen Filmvorführer (gerne auch in Personalunion) gehört nun auch der ahnungslose Kartenverkäufer zum Bestiarium. Natürlich handelt es sich dabei um Klischees, aber ganz unwahr sind sie an vielen Plätzen nicht.

Erlebnis 1: Nachmittagsvorstellung, Das Dschungelbuch. Frage an den Kartenverkäufer: "Läuft der auf Film?" Er reicht uns wortlos ein Programmheft und deutet auf den Eintrag. Ja, ich sehe, welcher Film läuft - aber ist der auf Film oder zeigt ihr eine DVD? Kartenverkäufer, verwirrt: "Ich weiß nicht, ich verkaufe nur die Karte... ich denke schon... soll ich mal nachfragen?" Ja, bitte. Er greift zum Telefon, hebt an, zu wählen, zögert - "Also was wolltet ihr jetzt genau wissen?" Die Hilflosigkeit in seinem Blick ist grenzenlos.
Später lässt sich klären: "Jaja, Film. 16mm zwar, aber schon Film", gibt man uns am Einlass zu verstehen. Daran werden Sie erkennen: das ist uns nicht einem Multiplex widerfahren. Also bitte - wer wird denn über 16mm meckern?!
Wir treiben es ein bisschen weit und legen auch noch einen Gildepass vor und wollen einen weiteren kaufen. Der Kartenverkäufer trägt sich zu diesem Zeitpunkt vermutlich innerlich mit einem Jobwechsel. Er kennt die Karte nicht, will auch auf die Nachmiitagsvorstellung keine weiteren Rabatte geben, verfügt auch über keine Kärtchen, die er verkaufen könnte. Wir schweigen, wissend: das Kino ist Mitglied der AG Kino.
Die Kopie ist wunderbar erhalten, der Ton gut. Ein totgesagtes Format entfaltet seinen vollen Charme.

Erlebnis 2: Wir rufen vor der Vorstellung im Kino an, wollen wissen, ob Werbung vor dem Film gezeigt wird. Die Zeit drängt, aber der Kinobesuch muss noch im Tagesprogramm untergebracht werden. Frage: "Sie spielen doch heute den und den Film?" - "Öhhh... jaaa... ja, tun wir."
Hier verkauft man uns immerhin einen Gildepass, das geht sogar einigermaßen routiniert vonstatten. Preisnachlass: ein Euro auf einen Kartenpreis von zehn Euro, Sonntags um 13:30 Uhr. Mein Gott.

Erlebnis 3: Ich lege meinen Gildepass vor. Die Kartenverkäuferin dreht und wendet, rätselt, setzt auf Ehrlichkeit: "Haben Sie mit dem hier schonmal Ermäßigung bekommen?" Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht, und das sage ich ihr auch. Sie geht in sich und verkauft mir eine ermäßigte Karte. Später am Einlass werde ich gefragt: " Von welchem Kino sind Sie denn?" ich weiß nicht: soll ich mich geschmeichelt fühlen oder wie ein Betrüger vorkommen? Ich bin von keinem Kino, leider, und gebe das auch ungern zu. Ich habe nur einen Gildepass. "Sie haben aber für den Ausweis bezahlt?" Langsam komme ich mir wie ein Betrüger vor. Ja, habe ich. Richtige AG-Kino-Mitglieder zahlen übrigens auch für ihren Ausweis, etwa das fünfzigfache, soweit ich informiert bin. "Sie haben aber trotzdem die falsche Karte." Spricht's, entreißt sie mir und tauscht "Hauptvorstellung 1" gegen "Hauptvorstellung 2". Dagegen nun ist nichts einzuwenden.

Erlebnis 4: Sie ahnen es - der Gildepass. "Was ist das denn? Gilde? Hab' ich ja noch nie gesehen. Nee, den nehmen wir nicht." Also, eure Kollegen im anderen Kino nehmen den. Ihr gehört ja zusammen. Das ist der Gildepass von der AG Kino. "Ach so, AG Kino. Das kenne ich. Den Trailer zeigen wir." (Sieht sich das AG Kino-Logo an) "Ja, dann ist das OK. Ich kenn das bloß nicht mit Gilde. Hab ich noch nie gehört, und ich arbeite schon drei Jahre hier."
Ich könnte ihm über die Gilde erzählen, ihm manche Daten nennen, 1953, 2001, Namen von berühmten Mitgliedern, über unterschiedliche Ansichten, über den Zusammenschluss - aber was weiß ich schon.

In der nächsten Folge: die unbeteiligte Kartenabreißerin.

Kino, Kino, Kino

Die Zeit, die ich sonst mit dem Schreiben für diesen Blog verbracht hätte, habe ich diese Woche in Kinobesuche investiert. Gut für mich, schlecht für Sie, in jedem Fall vernünftig: die Erfahrung sollte Vorrang vor der Metaebene haben. Ich habe Ihnen dafür auch ein bisschen was zu erzählen. Drei Kinobesuche in einer Woche, drei verschiedene Kinos - fast wie früher.

27.01.08, Nightmare before Christmas 3D, Berger Kinos, Frankfurt:
Der erste "reguläre" 3D-Film - also außerhalb von IMAX oder Sondervorführungen -, den wir im Kino sehen, zugleich auch der erste "reguläre" Besuch eines D-Cinema. Haben wir die Zukunft gesehen?
Es ist schon verwunderlich, dass ausgerechnet ein Stadtteilkino wie das Berger, als (meines Wissens) erstes Kino Frankfurts und nicht eines der modernsten oder schönsten auf D-Cinema umsteigt. Das Bild ist sehr gut, klar, man kann nicht behaupten, dass digitale Projektion schlecht wäre, noch dazu sind die Leinwände des Berger nicht so groß. Das Flair des Kinos an sich und die moderne Technik, die man eher in Großkinos erwartet, wollen aber nicht so recht zusammen passen. Aber so empfinden geschweige denn das bemerken werden die allerwenigsten.
Vom 3D-Effekt hatte ich mir mehr erwartet. Ghosting in dunklen Sequenzen war zwar nicht mehr feststellbar. Aber einerseits füllte die Leinwand nicht das Blickfeld, so dass man eher das Gefühl hatte, durch ein Fenster in eine 3D-Welt zu schauen als dass sie einen umgab. Andererseits fiel die Bewegungsunschärfe deutlich mehr auf als in 2D, und bei schnellen Bewegungen kam es oft zu leichtem Stottern und Asynchronität der 3D-Bilder, so dass Effekt und Wahrnehmung gestört wurden. Diese Überbetonung des Apparatus reißt einen leicht aus dem Geschehen.

28.01.08, Comrades in dreams, Kino in der Brotfabrik, Bonn:
Erstaunlich: der Film, dem ich so entgegengefiebert habe, hat mich eigentlich enttäuscht. Vielleicht war die Erwartungshaltung zu groß nach all den Wochen. Aber ich habe Kinomacherfilme gesehen, die mich weit mehr angesprochen haben.
Der Film beginnt mit einer vielversprechenden Struktur: man sieht die Kinomacher reihum bei der Beschaffung der Filme, der Vorbereitung der Vorführung, dem Kartenverkauf etc. Diese Dramaturgie der Filmvorführung kam mir im Film immer mehr abhanden. Der eigentliche Höhepunkt hätte für mich das Publikum sein müssen, das den Film erlebt, diese Szenen gehören aber zu den schwächsten des Films, und das Aufräumen hinterher fehlt fast ganz. Kaum ein Blick in einen Vorführraum, dafür viele lange Monologe über die Rahmenbedingungen des Lebens. Filmtheater sind in diesem Film mehr der Katalysator, über den einige Persönlichkeiten vorgestellt werden.
Am stärksten beeindruckt hat mich die Szene, die die Minuten kurz vor Einlass in das indische Zeltkino schildert. Ein gigantisches Zelt in der Nacht, in das LIcht von Flutlichtscheinwerfern getauscht, von einem hohen und kräftigen Zaun umgeben, der nur mit Mühe den Massen tausender Menschen standhalten kann, die dagegen drängen und Einlass begehren. Eine stark verzerrte Lautsprecherstimme heizt die Massen an, immer wieder muss das Personal Leute davon abhalten, über den Zaun zu steigen. Das ist nicht Kino, wie wir es kennen. Die Szene ist von immenser Bedrohlichkeit, mit den Bildern assoziiert man Militärcamps, Flüchtlingsandrang und dergleichen. Dann werden schmale Lücken im Zaun geöffnet, kaum dass ein Mensch durchpasst. Mehrere Mitarbeiter versuchen den hereinrennenden Menschen, die Eintrittskarten zu entreißen. Frauen mit Kindern auf dem Arm - die Kinder weinen und schreien nicht, sehen nicht einmal beunruhigt aus! -, eine alte Frau wird an das Metallgestände gedrückt, es scheint weh zu tun.
In Afrika: Männer streiten sich um die "Startkopie" eines Films von 2004. Die Filmrollen sind vom Transport vieleckig statt rund, vielleicht auch verwölbt, so genau vermag man es auf den kurzen Blick nicht zu sagen. Die Koreanerin sagt beim Abendessen: "Wir sollten einen Film über Ganzjahresgemüse zeigen."
Was für Probleme haben wir eigentlich?

01.02.08, Die Band von nebenan, Neue Filmbühne, Bonn:
Wir sind zu früh, nutzen die Zeit, um einer Entdeckung nachzugehen, die wir bei der Parkplatzsuche einen Block weiter gemacht haben. Ein großes Gebäude im Dunkeln, im Vorbeifahren ein kurzer Blick und die sofortige Gewissheit: das muss ein Kino gewesen sein. Richtig: Das Gebäude, das eine Sportkneipe und einen Biomarkt beheimatet, ist das ehemalige Odeon-Kino in Bonn-Beuel. Ein klassischer Kinobau, groß und funktional. Dahinter liegt die Brotfabrik. Dort drängt sich ein Kino in einen Raum, der weder von der Größe noch von der Form her wirklich dafür geeignet ist. Was ist hier falsch gelaufen?
Beim Betreten des Saals der Filmbühne erschrecken wir: Der Saal ist viel kleiner als erwartet, karger Holzdielenboden, die Leinwand steht größenmäßig in keinem Verhältnis zum Raum, ist mehr wie ein Großfernseher in die Wand eingebettet. Es ist egal, der Film - eigenartig übrigens, dass er hier läuft, er hätte eher ins Rex gepasst - rettet alles. Er nimmt das Publikum mit, Tiefe und Timing der Lacher stimmen, an manchen Stellen fühlt man sich an Tati erinnert. Auch, weil hier und da ein Zuschauer vereinzelt lacht. Nicht mehr über den Film - den sollen Sie selber sehen.