Samstag, 25. August 2007

Wir lieben Kino(tm)

Mit dem Slogan "Wir lieben Kino" wirbt der Sender Tele5 schon seit einiger Zeit für sein Spielfilmprogramm. Jeden echten Filmtheaterfan ärgert das natürlich, aber nach all den "Kino"-Events im Fernsehen hat uns dieser Komparativ auch nicht mehr nachhaltig schockiert.

Während sich unsere Stirnfalten also dabei vergleichsweise schnell wieder glätteten, wurden sie schon tiefer und blieben länger, als Tele5 begann, die Exklusivnutzung von Kinosälen zu verlosen: Du und Deine besten Freunde, allein im Kino, ohne die anderen Nervensägen - das war so in etwa die Botschaft. Das geht dem Cineasten dann wirklich gegen den Strich, und wir fragten uns: welcher Kinobetreiber gibt sich denn für sowas her? Immerhin war er schlau genug, sich nicht als Kooperationspartner in den Tele5-Spots zu outen. Wir stellen aber mal die wohl nicht allzu gewagte Vermutung an, dass es sich um die Kinokette handelt, an der der Geschäftsführer der TMG, zu der Tele5 gehört, zu knapp 50% beteiligt ist.

So, und jetzt kommt's: Die setzen da wirklich noch einen drauf. Neulich nachts hat Tele5 "Die Commitments" gesendet, ein Film, der weder zum gängigen Leinwand- noch Fernsehrepertoire gehört. Für solche Ausstrahlungen schätzt man das Fernsehen ja dann doch, weil man ein Werk überhaupt in irgendeiner Weise zu sehen bekommt. Leider hat Tele5 den Film in der Rubrik "Flirtkino" gesendet: auf etwa 50% der Bildschirmfläche in der linken oberen Ecke zusammengeschoben, rechts davon und drunter Bänder mit SMS-Kontaktservices und buntem Geblinke. Und zwischendrin gab's auch noch Werbepausen. Da blieb mir echt die Luft weg. Nicht nur, dass man sich sowas überhaupt noch traut, sondern dafür auch noch das Wort "Kino" zu missbrauchen.

Ach, hätte sich doch nur vor langer Zeit ein kluger Mensch den Begriff "Kino" schützen lassen. Dann gäbe es heute nicht nur Kino und "Kino", sondern nur das Kino(tm). Ich hab jetzt gleich noch viel mehr Lust, den Fernseher aus zu lassen. Also: wer in Bonn spielt regelmäßig Repertoire?

Freitag, 24. August 2007

Kinoszene Bonn (1): Rettet das Metropol!

Und hier noch ein Hinweis auf ein weiteres trauriges Kapitel der Kinogeschichte: das prächtige Metropol in Bonn ist schon seit längerem todgeweiht. Ist eine Weile her, dass ich darüber gelesen hatte, und ich hatte das Thema auch schon wieder aus dem Augen verloren, aber bei der Preisverleihung wurde die geplante Entkernung und Umnutzung des Kinos dankenswerterweise nochmal erwähnt. Als Neu-Bonner muss ich da natürlich drauf hinweisen. Also gleich alle hier auf den Link klicken und sich schlau machen: www.rettet-das-metropol.de

Mehr über Bonner Kinos erzähle ich Ihnen, sobald ich dazu komme, sie eins nach dem andern zu besuchen. Im Moment habe ich ausnahmsweise anderes im Kopf, aber die richtige Kino-Saison beginnt ja auch erst.

Meine Lieblingskeywords

Weil man ja neugierig ist, wieviele Leser man hat und woher die kommen, nutzen wir ein kleines Tool, das uns ein wenig über die Aktivität auf unserer Seite verrät - unter anderem, vermittels welcher Suchbegriffe jemand auf unsere Seite gestoßen ist. In letzter Zeit waren das unter anderem "Wo liegt Kuba", "Beschwerde an Cinecitta in Nürnberg" und "Übelkeit bei Surround"... wir sind schon gespannt, was als nächstes kommt!

P.S.: Bitte hören Sie auf, den Namen meiner zweifellos reizenden Freundin in Suchmaschinen einzugeben - sie ist schon vergeben :)

BKM-Kinoprogrammpreis 2007 verliehen

Was tut man nicht alles für eine gute Party: Den Chef überreden, am dritten und vierten Arbeitstag in einer neuen Beschäftigung gleich mal je einen halben Tag zu fehlen, knapp 5 Stunden Zugfahrt (einfach!), sich die Nacht um die Ohren schlagen und morgens um sieben wieder auf die Reise gehen... aber der alte Kaispeicher, ein großes Buffet, und die Möglichkeit, die ca. 200 engagiertesten Programmkinomacher Deutschlands zu treffen, sollten einem das wert sein. Feiern können sie, die Kinoleute. Anders als 2006 war die Stimmung auch weniger von den Nachwehen eines unglücklichen Kinojahres gezeichnet.

Gewonnen haben also die drei sympathischen Damen von der Scala aus Lüneburg, die sich so freuen, dass sie einen gar nicht auf ihre Homepage lassen, ohne über den Preis zu informieren! Das ist doch schön zu sehen. Wer also auch diesmal mit "alten Hasen" wie dem Abaton im letzten Jahr gerechnet hatte, lag falsch. So war's eine richtig schön spannende Preisverleihung, allein schon wegen des Grillgeruchs, der durch die geöffneten Fenster auf die Galerie zog, auf der wir standen und hungerten... über zwei Stunden sind dann vielleicht doch ein bißchen lang für so eine Zeremonie. Wir waren dann nicht lange auf der Party (wie gesagt, um sieben ging die Reise weiter) und haben deshalb die Ankunft der Queen Mary II verpasst (tröt-tröt) - schade. Vielleicht erzählt uns jemand von Ihnen, wie es war? (Nicht so neblig wie am nächsten Morgen hoffe ich. Aber da haben Sie ja noch geschlafen...)

Herzlich gratulieren möchten wir unseren "Homies", das sind Ariane Hofmann, Beatrix Loew, Gunter Deller und Martin Loew vom Mal Seh'n, das dieses Jahr schon fast in die Preiskategorie vorgedrungen ist, die es verdient hätte und zusätzlich den Spitzenpreis Dokumentarfilm eingesackt hat. Noch ein Treppenstüfchen drüber - Respekt! - Antje Witte vom Orfeo's Erben, schon obligatorisch auch das Filmtheater Valentin, dessen Besitzer Werner Rosmaity vor einigen Jahrzehnten auf dem Gelände rund um den Kaispeicher als Dreikäsehoch noch Bananen aus dem Freihafen mopste und dessen Theaterleiter Holger Ziegler mein 16mm-Mentor war. Auch hier sitzen wir regelmäßig. Unseres Wissens zum ersten Mal dabei war auch die Harmonie - Sie werden es sich denken können, unser Jubel für unsere Stammkinos hat uns auf der Galerie schnell als Frankfurter geoutet. Bewerben lohnt sich eben - das hat auch Bernd Jordan erfahren dürfen, der dieses Jahr zum ersten Mal dabei war und gleich eine Prämie für sein Kinderprogramm bekommen hat.

Schade, dass wir so wenig Zeit hatten. Wenigstens hat sie gereicht, um ein paar "alte Bekannte" zu treffen, unter anderem auch Helgard Gammert vom Bali in Berlin und Marga Engelmann von den Harsefelder Lichtspielen. Beide unbedingt besuchenswerte Kinos, beide in liebevoller Frauenhand - dem Thema werden wir uns gelegentlich noch widmen. Ein paar Entscheidungen der Jury haben uns zwar auch dieses Jahr wieder, sagen wir, "überrascht", aber so genau, wie wir es auf unseren Reisen tun konnten, können ihre Mitglieder wahrscheinlich angesichts der Papierberge nicht hingucken. Gewonnen haben jedenfalls auch noch viele, viele andere, die wir hier nicht auslassen dürften - es sind nur zu viele, um sie alle zu nennen. Eine vollständige Liste gibt es hier, und einige Fotos (leider nicht so eine reichhaltige Auswahl wie bei der Fete in Lich letztes Jahr) auf der Homepage des Abaton.


In eigener Sache

Wie ich nicht nur an den Klickzahlen, sondern auch an den Gesprächen erkennen kann, die ich während der Kinoprogrammpreisverleihung geführt habe, erfreut sich unser Blog schon nach kurzer Zeit einer wachsenden Zahl von interessierten Stammlesern. Darauf sind wir sehr stolz und geben uns alle Mühe, damit es auch so bleibt. Wie Sie bemerkt haben werden, ist unsere Produktivität in der vergangenen Woche deutlich gesunken. Das hat natürlich einen guten Grund: ich widme mich seit einigen Tagen einer neuen beruflichen Herausforderung in einer anderen Stadt, denn das kinolabor, hinter dem ja auch eine kleine Firma steht, kann uns derzeit noch nicht ernähren. Dem immensen Arbeitsaufwand, der Umzugsphase und dem fehlenden Internetanschluss in meiner Interimsunterkunft ist es geschuldet, dass ich momentan weit weniger zum Schreiben komme, als ich es mir auch selber wünschen würde. Meine geschätzte Partnerin kann das auch nicht auffangen, da sie ja bekanntermaßen die Kinos der Republik bereist. Wir rechnen mit einer Besserung der Lage in einigen Wochen. Bis dahin: Sehen Sie es uns nach und bleiben Sie uns treu!

Dienstag, 21. August 2007

Meine Lieblingsfeinde

Eigentlich ist ja wenig dagegen zu sagen, daß da jemand hergeht, gleich einen ganzen Haufen erfolgreicher Kinderbücher (auch noch zum Thema Sport! Kampf den dicken Kindern!) schreibt, diese dann der Einfachheit halber gleich selbst verfilmt und die Hälfte der deutschen Bevölkerung unter zehn damit in die Kinos lockt (hatte man jedenfalls den Eindruck). Wie gesagt: Eigentlich.

Denn erstens ist schon die Literaturvorlage eine Anbiederung sondergleichen, die sprachlich nicht einmal in den Sozialkrimis der späten Siebziger und frühen Achtziger Jahre ihresgleichen findet. Lesen kann dazu führen, daß die Sprache reicher wird. Muß es aber nicht. Warum also sollten die Filme dann besser sein als ihre literarischen Vorgänger? Sind sie auch gar nicht, einmal abgesehen von dem Hochglanz, auf den jedes kleine Ochsenknecht-Gesicht poliert ist, und durch den die drei Schmutzflecken nur umso besser zu sehen sind. Sogar die Kinobetreiber, die naturgemäß froh sind über die Besucherzahlen, die ihnen die wilden Kerlchen bringen, räumen ein, daß den Filmen die Liebe fehlt, mit denen etwa die vergleichbare Serie in rosa "Die Wilden Hühner" gemacht ist. Auch eine Buchvorlage, auch ein Massenphänomen, aber trotzdem mit mehr Anstand angegangen.

De gustibus non disputandum, und die Hauptsache ist ja, daß die Kinder Spaß im Kino haben, mögen die Erwachsenen meinen. Aber zwei Punkte gilt es bei aller Geschmackstoleranz zu bedenken. Punkt 1: Nicht nur einem Kinobetreiber ist aufgefallen, daß eine Menge Kinder aus einem "Wilde Kerle"-Film deutlich aggressiver herauskommt, als sie hineingegangen ist. In Zeiten, in denen man in Schulen Konflikttrainings und Gewaltpräventions-Aktionen durchführt, wirkt eine solche Tatsache kontraproduktiv. Die Macht eines (Kino)films ist nicht zu unterschätzen, nutzen wir sie sinnvoll!

Punkt 2: Ein namhafter Kinderfilm-Regisseur sagte neulich, das Hauptproblem liege darin, daß die Ausnahmezahlen, die ein "Wilder Kerl" - allerdings ebensogut ein "Wildes Huhn" - erreicht, mittlerweile auch an andere Kinderfilme als Maßstab angelegt werden. Und das ist grundfalsch. Denn nicht jeder Film ist massenkompatibel, Anspruch kostet oft Zuschauer. Diese Erwartung aber kostet den deutschen Film die Vielfalt.

Samstag, 18. August 2007

Verschwendet Eure Courage

Mit guten Wünschen ist das ja so eine Sache. Denn eigentlich ist es häufig so, daß man jemandem genau das Gegenteil von dem sagt, was man ihm wünscht: "Mast und Schotbruch" rief man dem ausfahrenden Seefahrer zu, lange vor der Gigantomanie einer Queen Mary 2. "Hals- und Beinbruch" ist auch so etwas, das man jemandem, freundlich auf die Schulter klopfend, zuspricht. Der Krüger-Lorenzen (Deutsche Redensarten - und was dahinter steckt) verrät hierzu:

„Nach altem Aberglauben werden bei unverhüllten Glückwünschen die bösen Geister angelockt, die dann erst recht Unheil stiften. Wird jedoch das Gegenteil ausgesprochen, werden die Dämonen hinters Licht geführt, und alles geht gut.“

Aberglaube also. Das Kino nun kommt in seinen Ursprüngen vom Jahrmarkt; und Schausteller gehören mit ziemlicher Sicherheit zu einem der abergläubischsten Berufszweige, die es gibt. Doch gerade die Kinomenschen sind es, die den bösen Geistern die Stirn bieten, denn ihr Wunsch nach Glück lautet nicht etwa: "Film- und Leinwandriß!" - oder so ähnlich. Nein, einem Kino wünscht man: "Gut' Licht, gut' Ton" (und für die Klimpersüchtigen unter uns) "... und volle Kassen!" Man beschwört all das, was man wirklich haben möchte. Jeder, der so mutig ist, kann eigentlich voll Stolz vor sein Publikum treten und an seine Zukunft glauben.

Freitag, 17. August 2007

Es lebe das Abenteuer!

Ein kurzer Kommentar von Verena Lueken, auf den ich durch Filmzeit aufmerksam geworden bin, offenbart die ganze Tragik des Kritikerdaseins - eine Mischung aus Liebe und Enttäuschung von Film und auch Kino. "Zwischen Cinéphilie und Nekrophilie", hat Thomas Elsaesser das einmal genannt. Frau Lueken beschreibt eine Sneak in einem Frankfurter Kino, das sie sich große Mühe gibt, unmissverständlich zu beschreiben und dessen Namen sie doch nicht nennen möchte. Denn einerseits schätzt sie es für die besprochene Veranstaltung, andererseits ist der Zustand dieses Kinos, des Turmpalasts, tatsächlich eine Schande - weil es ein Traditionshaus ist, eine wichtige Rolle im Spielplan einnimmt und weil die Betreiberfirma Marktführer in Deutschland ist und doch so wenig Achtung für ihre Gäste zeigt.

Die sich wie zum Trotz dennoch einfinden und gemeinsam Experimentierfreude und das Kino als Ritual zelebrieren. Ausgerechnet im runtergekommensten Kino Frankfurts lebt eine Kinokultur, die selbst in Programmkinos als weitgehend ausgestorben gilt, wenn auch der Anspruch der Turmpalast-Sneak deutlich unterhalb der Schwelle zur Filmkunst angesiedelt ist. Aber für ein richtig großartiges Kinoerlebnis sehen wir eben über manchen verweichlichten Luxus hinweg - das war in der Avantgarde schon immer so (die übrigens vermutlich lieber als "aufgeschlossen" statt als "Allesfresser" bezeichnet werden würde). Avantgarde? Ja, denn das Kino ist inzwischen so oft totgesagt worden, dass immer noch hinzugehen schon progressiv geworden ist. Bei Autofans sind ja neuerdings auch die "Youngtimer" wieder angesagt. Das dürfen Sie reaktionär nennen, aber darin steckt auch eine gewisse Verweigerung gegen die Konsum- und Kulturindustrie.

Schade nur, dass auch diese Hommage an das Kino und sein Publikum leider nicht um den Kritiker-Fauxpas des "aber..." herumkommt, in dem sie den Eindruck erweckt, eine solche Sneak sei überwiegend etwas für junge Leute, die es mit der Sauberkeit nicht so genau nehmen. Eine kleine Warnung ist angesichts des Kinos angebracht, Wörter wie "schmutzstarrend" sind aber eher dazu angetan, Kinoabstinente weiter vom Kino fernzuhalten, anstatt ihnen das Abenteuer ans Herz zu legen. Die besten Filmkritiken sind ja auch nicht die, die im letzten Absatz belegen, warum ein insgesamt solider Film, den man sich während der Lektüre schon halb vornahm anzusehen, in den Augen des Kritikers schlussendlich doch gescheitert ist; sondern die, die einem sagen, warum oder für wen es sich trotzdem lohnen könnte, ihn anzusehen.

Why have all the teenies gone?

Jugendliche wandern aus den Kleinstadt-, Dorf-, Familien- oder Programmkinos ab. Das ist in den meisten Fällen eine Tatsache. Sobald einer aus der Clique ein motorisiertes Fortbewegungsmittel hat, oder allerspätestens, wenn der Jugendliche selbst den Führerschein besitzt, ist das Multiplex in der Großstadt oder wo immer sich eins findet, allemal interessanter als das Kino der Kindheit. Man will sich abgrenzen, von der Zeit, als man selbst noch nicht für voll genommen wurde, von den Eltern. Zum großen Teil spielt natürlich auch die Filmauswahl der Kinos eine Rolle: Ist es als als Refugium der Eltern schon verworfen, hat es vollends verloren, wenn es sich zu Arthouse- oder gar Programmkinofilmen versteigt. Jugendfilme? Fehlanzeige. Kaum eine andere Zielgruppe ist so wenig gewillt, die ihr zugedachten Filme zu sehen, wie Jugendliche. Es geht ja gerade darum, NICHT in dieser Übergangsphase sein zu wollen, es geht darum, selbst zu entscheiden, was und wie man ist. Aber selbst, wenn das örtliche Kino "Stirb langsam 4.0" spielen würde - es fehlt das Glitzern der Moderne. Für manche kann der Trost darin liegen, daß bei gelungener Kinosozialisation die erwachsen Gewordenen eines Tages zurückkehren, vielleicht sogar mit ihrer eigenen Familie. Doch das setzt eine hohe Standortaffinität voraus. Einstweilen heißt es, Lösungen in der Gegenwart zu suchen: Die findige Betreiberin des Weltspiegel-Theaters in Mettmann, bzw. der Kinos 1 + 2 in Ratingen (NRW) hat das naheliegende getan. Bei ihr gibt es einmal im Monat den Teenie-Day: Kino + Disco + Getränk (alkoholfrei, aber attraktiv) = mehr Zuschauer in einer kritischen Publikumsphase. Was meinen Sie? Was ist Ihr Weg? Diskutieren Sie mit uns!

Donnerstag, 16. August 2007

Kuba liegt am Teltower Damm

Auch das Balikino in Berlin-Zehlendorf darf den Programmpreis des Kulturstaatsministers stolz entgegennehmen. Wider die Arthouse-isierung des Best Ager-Kinos bietet Helgard Gammert seit vielen Jahren ihrem Publikum ebenso anspruchsvolle wie unterhaltsame Kinofilme. Besonderer Leckerbissen im August (23.-29.08.): Die Kuba-Filmwoche, die sie in Zusammenarbeit mit dem ICAIC veranstaltet. Neben Lesungen werden unter anderem die Klassiker "Vampiros en la Habana" (Zeichentrickfilm, CU/ES/DDR 1985) und Daniel Díaz Torres' sozialkritisch-surrealistischer "Alicia en el pueblo de maravillas" (CU 1991) zu sehen sein. Außerdem wird der Musikdokumentarfilm "Paraíso" von Alina Teodorescu gezeigt, der die Gruppe "Madera Límpia" dokumentiert, die auf mitreißende Weise traditionelle kubanische Musik mit modernen Stilen wie Rap etc. kombiniert - und ganz nebenbei versucht, im alltäglichen Wahnsinn zu überleben. ¡Viva Cuba!

Glückwunsch

Herzlichen Glückwunsch an das Brazil in Schwäbisch Gmünd, das sich im Besitz des langjährigen Kinomachers Walter Deininger befindet. Es erhält nächste Woche in Hamburg den Preis des BKM für ein herausragendes Jahresfilmprogramm. Mitgestaltet wurde das Programm von Ralph Möller, der sich nun anderen Dingen widmet - schade! Aber viel Glück weiterhin!

Montag, 13. August 2007

Kinos und ihre Zeit

Man freut sich ja immer, wenn Kinos auch mal außerhalb der Branche Aufmerksamkeit bekommen. Gerade heute habe ich so etwas in einem besonders hübschen Zusammenhang in der aktuellen Ausgabe von "Autobild Klassik" entdeckt. Da gibt es einen Artikel "Automobile Architektur: Deutschland - eine Zeit-Reise", in dem mit einem Opel Olympia Rekord P1 verschiedene Klassiker der automobilen Architektur in ganz Deutschland besucht werden: das Autohaus Kittner in Travemünde, die vom Wald zurückeroberten Reste der alten Opel-Rennbahn nahe Rüsselsheim, das Motel Hamburg... und auch das Autokino Gravenbruch, das falls Sie es nicht wussten, das älteste Europas ist (Eröffnung 1960).

Bei dem Artikel geht mir aus den verschiedensten Gründen das Herz auf: als Auto- und Kinoliebhaber natürlich, als Frankfurter (neben dem nahen Autokino wird findet auch das Parkhaus Hauptwache Erwähnung), wegen der wunderbaren Idee des Artikels und auch der grandiosen Fotos. Und dann diese Assoziationen: altes Auto/Filmprojektor, also Mechanik, die so richtig schön nach Öl riecht; Auto bzw. Kino und Architektur, ein Trio, über das noch eine Abhandlung fehlt; und natürlich, ganz am Rande Kino/Reise. Warum sind wir nur noch nicht auf die Idee gekommen? Nun, das kinolabor ist mit einem New Mini zwar stilvoll motorisiert, aber von einem richtigen mechanischen Auto hat man sich damit doch schon ein Stück entfernt. Wir behalten das im Hinterkopf.

In einem kurzen, aber liebevollen Text erfahren wir über das Kino:
"Und wenn in den 60ern an Wochenenden das Kino fast ausverkauft war, wenn über 1000 Autos durch die gelb-rote Einfahrt rollten, dann stehen zwei Generationen später zwei Dutzend Wagen da, als Spiderman 3 läuft. In Zeiten von Multiplex und DVD haben es Autokinos nicht leicht. Doch sie bleiben einer jener Orte, an denen das Auto zum Zimmer wird".
Das ist etwas ungerecht, denn auch wenn keine oktanhaltigen Streifen wie "Cars" oder "The Fast and the Furious" laufen, ist dort ganz gut was los.
Immerhin erfreut es sich gerade in der jungen Generation steigender Besucherzahlen (!) und hat deshalb jüngst eine zweite Leinwand bekommen. Mit einem leckeren Burger dazu, die dort frisch zubereitet werden, weht ein Hauch von Sixties und Texas durch den Gravenbrucher Wald... wenn Sie auch den den Glücklichen gehören, die ein Autokino in der Nähe haben, sollten Sie diese wirklich andere, aber reizvolle Kinoerfahrung unbedingt mal wieder machen!

Der Autobild-Artikel erscheint übrigens auch online, allerdings als Serie. Teil eins finden Sie hier, in Teil sechs ist dann mit dem Autokino zu rechnen.

Tucholsky (2)

1926 besuchte Peter Panter alias Kurt Tucholsky das noch junge Studio des Ursulines in Paris, ein Avantgardekino.

"Es war [...] der in Deutschland schon bekannte ›absolute‹ Film des Malers Ruttmann auf dem Lichtspielplan – und dazu gab es gratis einen herrlichen Radau. Es ist nicht zu glauben, wie einfache Linien und Farbflecke, Spiralen und drehende Kreise eine Menschenmenge so zum Überkochen bringen können. Die Leute pfiffen und sangen und schrien, manchmal fragte einer: »Est-ce qu'il y a quelqu'un qui comprend?« und dann antworteten wieder die andern; »Wer das nicht versteht, braucht ja nur hinzusehen!« und so ging das unter mächtigem Krach eine schöne Viertelstunde. Ohrfeigen waren nicht gefragt, Hinauswürfe unter Pari. Besonders herzlich und dumm lachten die anwesenden Damen – und die allgemeine gute Laune kam erst wieder, als ein alter Verbrecherfilm gezeigt wurde, in der der alles verloren habende Spieler in Monte Carlo mit einem zu kleinen Hut und wilden Gesten ans Meer stürzt und dort – halt dir feste! – einen Mann in weißen Hosen niederknallt. Das Verbrechen wird aber entdeckt, als der böse Mann ein herzinniges Mädchen als Braut umärmelt. Die Leute lachten Tränen, und man sollte auch in Berlin einen alten Herzenswunsch von mir erfüllen: alte Filme zu geben. Das ist eine Kurzweil von zehn Minuten, und die Direktoren werden sich die Hände reiben. Mehr wird bei Chaplin auch nicht gelacht." ("Studio des Ursulines", in: Vossische Zeitung, 16.05.1926)

Was lernen wir daraus? Für alten Quatsch sollte man sich nicht zu schade sein; und: wenn man ein bisschen Leben ins Publikum bringen will, braucht man Filme, mit denen man aneckt. Quod erat demonstrandum - auf unserer Kinotour haben wir im Schwäbischen folgende nicht unähnliche Episode gehört: Ein Kinobetreiber veranstaltete regelmäßige Sneak Previews, die sich zwar großer Beliebtheit bei den jungen Erwachsenen erfreuten, die Major-Verleiher sahen die Previews aber zunehmend weniger gern. Also machte der Kinobetreiber aus der Not eine Tugend, dachte sich "ein bisschen Filmbildung schadet denen nix" und stellte die Sneak auf Arthouse-Filme um. Das Publikum reagierte angesichts von "Battle in Heaven" allerdings irritiert, verließ nach kurzer Zeit in Scharen den Saal und drohte dem Vorführer Prügel an, sollte er nochmal mit so einem Film rüberkommen... und da soll noch einer sagen, Kino ginge den Leuten nicht nahe.

Samstag, 11. August 2007

"Die" Verleiher

Ein heikles Thema, aber eins, das die Kinomacher beschäftigt. Gerade von den Betreibern kleinerer Häuser hört man immer wieder Haarsträubendes.

Kurios war etwa der Fall, als wir in einem Kino mit besonders niedrigen Eintrittspreisen einen Preisaushang entdeckten, der nur für Filme eines bestimmten Verleihers einen höheren Eintrittspreis auswies. "Die hatten ein bestimmten Mindestbetrag festgelegt, den sie pro Kinokarte haben wollen, der war bei meinen Preisen nicht machbar", sagt der Betreiber. Irgendwann war das auch den anderen Verleihern zu wenig. "Da hab' ich plötzlich keine Filme mehr gekriegt, von gar keinem mehr. Dabei schreiben die doch in ihren Verträgen, dass sie keinen Einfluss auf die Eintrittspreise nehmen", schüttelt er den Kopf. Programmkinobetreiber schlucken bei den Mindestgarantien, wenn sie zu denjenigen gehören, die für Abwechslung im Programm eintreten, also Filme konsequent fest terminieren und nicht länger als eine oder zwei Wochen "auf Schiene" einsetzen.

Noch brisanter als die Preisgestaltung ist aber, an Kopien ranzukommen. Da kursieren die wildesten Geschichten, von "ich kriege keine Kopie, obwohl meine Zahlen besser sind als die der Konkurrenz" bis hin zu "BKM-Kopien kriegen nicht unbedingt die, die sie brauchen, sondern die, die einen guten Draht zum Disponenten haben". Von der Tagesstimmung und der Gewogenheit der regionalen Disponenten soll überhaupt viel abhängen. So fragt sich eine Kinobetreiberin, warum auch in der achten Woche keine Kopie eines Weihnachtsfilms für eine gebuchte Sonderveranstaltung zu bekommen war - wohlgemerkt war Weihnachten zum geplanten Termin bereits vorbei! Aber auch gute Besucherzahlen können zum Fluch werden, wenn man ein Ein-Saal-Kino hat und prolongieren muss, auch wenn man den Film lieber für den nächsten Start absetzen würde.

Manch einer kam auch ins Grübeln, als er den Jugendfilm "Die Wolke" nicht nur im Nachmittags-, sondern auch im Abendprogramm spielen sollte. Überhaupt bekommt man als Provinzkinobetreiber einen Blockbuster nur zum Bundesstart, wenn man ihn drei oder vier Wochen in jeder Vorstellung spielt. Die ersten zwei Wochen mag sich das ja für beide Seiten rechnen, aber gerade in kinoarmen Landstrichen muss für jeden was dabei sein - Kinderfilme, Unterhaltungsfilme, und an ein paar Terminen im Monat auch ein bisschen Arthouse. Kein Wunder, dass die Center in den nahegelegenen Städten bessere Zahlen schreiben als die Landkinos: das Publikum muss ja abwandern, wenn im Kino am Ort seit vier Wochen nur ein Film läuft!

Freilich, die Verleiher tragen ein hohes Risiko: floppt der Film, für den sie bereits Geld ausgegeben haben, bleiben sie auf den Verlusten sitzen. Also sind sie selbstverständlich daran interessiert, ihre Kopien dahin zu verteilen, wo sie die besten Einspielergebnisse in der kürzesten Zeit erwarten. Das ist absolut in Ordnung. Aber wenn man in der sechsten oder achten Woche in einem Multiplex-Saal mit gerade mal fünf oder zehn Besuchern sitzt, fragt man sich doch, ob irgendwo außerhalb der Stadtgrenze nicht ein kleines Kino und ein paar hundert treue Besucher auf genau diese Kopie warten. Oder warum Häuser mit Interlock-Systemen gleich vier Kopien brauchen. Dass die Ursache hierfür in launischen Disponenten zu suchen ist, die durch unprofessionelles Verhalten ihrem Unternehmen das Geschäft versauen, klingt doch eher unwahrscheinlich.

An eine Besserung, wenn die digitalen Kopien sich durchgesetzt haben, glaubt keiner so richtig. Dann werden die Startkopien halt einfach teurer. Andererseits: wir wollen ja auch nicht wirklich, dass zukünftig alle 1800 Spielstätten "Spiderman 4" zum Start zeigen, oder?

Viele Kinobetreiber gehen jetzt einen anderen Weg und buchen über einen unabhängigen Zentraldisponenten. Besagtes Unternehmen betreut mittlerweile 150 bis 200 Leinwände und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Die Kinobetreiber müssen sich auf keine bestimmte Zeit binden, der Service kostet, so hört man, etwa 150 Euro pro Leinwand. Schon am Wochenende schicken die Kinoleute ihre Wunschliste ein, am Montag kommt dann die Bestätigung. DIe Erfahrung zeigt, dass viele nun deutlich früher an die gewünschte Kopie kommen - noch dazu stressfrei. Denn das stundenlange Herumtelefonieren am Montag und wiederholte Nachfragen "Ham Sie jetzt die Wilden Kerle für mich?" entfällt. Gerade für Familienbetriebe eine enorme Entlastung.

Nicht vorzustellen, gäbe es jetzt noch mehrere Unternehmen dieser Art - in diesem Wettbewerb würden möglicherweise auch noch die Preise fallen. Oder wenn am Ende gar jeder jeden Film verleihen könnte, die Kinobetreiber ihren "Fluch der Karibik" also von BVI ebenso beziehen könnten wie von UPI oder X Verleih, aber zu unterschiedlichen Konditionen. Die DVD können Sie ja später auch bei Karstadt, Amazon oder Saturn kaufen.

Wie sind Ihre Erfahrungen? Was halten Sie davon? Diskutieren Sie mit uns!

Donnerstag, 9. August 2007

Alle Reflexe in Ordnung

Erwischt: ich habe die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung diese Woche erst mittwochs aufgeschlagen und deswegen erst gestern das Interview mit Dr. Negele, dem Vorsitzenden des HDF, entdeckt. Da nichts bahnbrechend Neues darin zu entdecken war, werden Sie mir nachsehen, wenn ich es erst heute kommentiere.

Zunächst mal ein Lob: Dr. Negele hat begriffen, dass Kinoleute in der deutschen Presse nicht jammern sollten. Aus einem dunklen und geheimnisvollen Grund hat diese nämlich das Kino schon vor vielen Jahren als Sorgenkind abgeschrieben. Wenn die Zeitungen berichten, dann meist über schlechte Zuschauerzahlen, sinkende Zuschauerzahlen, Kinokrisen, das Ende des Kinos, den Tod des Kinos. Besonders krass war das 2005, als die Besucherzahlen wirklich miserabel waren und das jeder, aber auch wirklich jeder laut heulend kundtat, was die Presse dankbar aufnahm. Da hatte auch politische Gründe ("je lauter ich in der Zeitung aufjaule, desto weniger traut sich mein Vermieter, die Miete für mein Kino raufzusetzen", dachten sich wohl viele), ist aber schlecht fürs Image - stand schon 1969 in der Dichter-Studie und macht Kino nicht wirklich "sexy". Übrigens ist das Wort sexy auch nicht besonders sexy, auch wenn das manche Marketingleute zu glauben scheinen. Der Multiplex-Verbandschef jedenfalls lässt sich von der FAS-Reporterin nicht in die Besucherfalle locken und hebt stattdessen die vergrößerte Reichweite hervor. Gut so.

Erfreulich ist auch, wie Dr. Negele das mehr oder weniger zwangsläufig folgende Eintrittspreisklischee mit dem einsichtigen Vergleich des Preises für eine Pizza pariert. Herr Dr. Negele isst zwar recht teure Pizza, und dass der gefühlte Preis einer Kinokarte höher ist als der offizielle Durchschnittseintrittspreis, ist angesichts einer Preisspanne von 2,50 bis ca. 10 Euro pro Karte nicht verwunderlich. Was wie stets fehlt, ist eine Erklärung, warum der Preis so hoch ist und wie wenig dabei tatsächlich für den Kinobetreiber übrigbleibt. Man kann ja mal versuchen, das dem Publikum rational zu erklären und darauf hoffen, dass das eine gewisse Akzeptanz erzeugt.

Auf den wiederum reflexartig folgenden Part "Raubkopierer" und die virtuellen, weil nicht empirisch erhebbaren Verlustzahlen muss man nicht weiter eingehen.

Und dann kommt, na wie originell, das Home-"Cinema" (gibt es irgendwo eine Vorlage für Kino-Artikel, die alle deutschen Tageszeitungen benutzen?!). Und da hören wir, dass die Multiplexe sich in ihrem 90er-Jahre-Stil überlebt haben gemütlicher werden müssen. Eine nicht übermäßig neue These, vor etwa zwei Jahren hat die Presse Herrn Flebbe herumgereicht, der damals verkündete, Bücherregale und Ledersessel in seinen Kinos aufstellen zu wollen oder sowas in der Richtung zumindest andeutete. Hm, wie viele Multiplexe mit Captain's Chairs und Tischlampen gibt es heute in Deutschland? Eine Handvoll? Da liegt die Crux: Es gibt eine Kampagne für das Kino, die, ungeachtet der Tatsache, dass sie aus finanziellen Gründen zu sehr innerhalb und zu wenig außerhalb des Kinos stattfindet, recht gelungen ist. Woran es fehlt, ist die Fortführung dieser Kampagne im Kino. Das Versprechen wird im Durchschnittsmultiplex nicht eingelöst, obwohl man weiß, woran es fehlt. Anstatt an Atmosphäre und Service zu feilen, wird ein Riesenwirble um Digitalprojektoren gemacht, die sich keiner leisten kann und die das Filmabspiel nicht gerade revolutionieren. Dem Publikum sind die aber von 5% Cinephilen, die ohnehin lieber bei 35mm blieben, herzlich egal.

Von der Interviewerin auf etwas angesprochen, das sie "gemütliche Eckkinos" nennt - könnte hier die Rede von Programmkinos und Arthouse-Kinos sein? Wer weiß! - spricht Dr. Negele davon, dass die einen Nachholbedarf an Öko-Snacks, Kaffeeprodukten und Weinen hätten. Mal abgesehen davon, dass solche Concessions nur das i-Tüpfelchen auf einem gut geführten Kino sein können - gerade in den "Eckkinos" ist das doch längst umgesetzt. Die haben die Zeichen der Zeit erkannt und richten sich längst auf ein älter werdendes Publikum ein, das gerne zum Film ein paar hochwertige Produkte konsumiert. Im Multiplex dagegen wird man im Regelfall nicht von Kaffeeduft, sondern von Popcorn- und Nacho.Abgasen empfangen.

Was nun noch fehlt, ist ein durchaus legitimes "die Verleiher machen uns das Leben schwer" (dazu gelegentlich noch einige Zeilen an dieser Stelle), dem es aber auch an konstruktiven Vorschlägen mangelt und ein Hurra auf den deutschen Film. Diagnose: Patient gesund, alle Reflexe intakt, im Westen nichts Neues. Liebe Presse: wie wär's denn nächstes Mal mit einem Interview mit einem umtriebigen Einzelkinobetreiber und einem Soziologen o.ä. im Gesellschafts-, nicht im Wirtschaftsteil, die der Frage nachgehen, warum es so etwas wie eine Vereinzelung gibt, warum es nicht mehr attraktiv ist, mit vielen anderen einen Film zu schauen und was die Zuschauer am Kino vermissen?

Kinoszene Frankfurt (3)

Keine guten Nachrichten, auch wenn früher oder später damit zu rechen war: das allseits heiß geliebte und seit Jahren leer stehende "Royal" soll nun abgerissen werden. Die FAZ berichtete.

Damit bleibt an wirklich alten Frankfurter Traditionskinos nicht mehr viel übrig. Das Eldorado (früher: Scala, 1912), das Cinema (1956), das Neue Theater (heute: Filmforum, 1940), die Harmonie (1928), der Turmpalast (1950) und der Europa-Palast (1952, heute E-Kinos) sind nur noch teilweise oder gar nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form erhalten.

Wer sein Gedächtnis auffrischen möchte: "Lebende Bilder einer Stadt. Kino und Film in Frankfurt am Main", zu haben im Deutschen Filmmuseum für ca. 10 Euro.

Cinemaxx-Show im Internet

Cinemaxx bietet auf seiner Homepage jetzt eine moderierte Trailershow an. Nicht besser oder schlechter als ein gewöhnliches TV-Magazin über die Neustarts der Woche. Aber verrät mir mal jemand, warum in Zeiten der Digitalisierung so häufig Filmstreifen und 35mm-Projektoren im Hintergrund der Zwischentitel zu sehen sind? Mit Film werben und digitale Videos zeigen wollen. Ihr Schlingel.

Dienstag, 7. August 2007

Webers eröffnen weiteres CINEMAGNUM

Nicht zu bremsen: Nach Dresden, Weimar und zuletzt Frankfurt hat das Ehepaar Weber (bekannt als Betreiber des Cinecitta Nürnberg, das als eines der erfolgreichsten Multiplexe gilt) nun auch in Würzburg ein digitales 3D-Kino im IMAX-Stil eröffnet. Der Betrachter sieht's und staunt, hat doch in den letzten Jahren ein IMAX nach dem anderen mangels Profitabilität die Biege gemacht. Selbst das etablierte und vergleichsweise gut gehende IMAX beim Deutschen Museum in München musste schon vor längerer Zeit schließen, die verbleibenden IMAX Dome bzw. 3D-Kinos in Speyer und Sinsheim dürften sich auch nur dank der Anbindung an die Technikmuseen halten können. In Nürnberg glaubt man aber offenbar, das mit den gleichen (!) 45minütigen, mäßig spannenden Naturdokus, für die der hauseigene Fantasia Filmverleih wiederbelebt wurde, besser zu können. In Würzburg und Frankfurt wurden gar die Räumlichkeiten der früheren IMAX-Kinos übernommen. Einzige Neuerung: Die Filme wurden vom 70mm-Horizontal-Film des IMAX-Formats, dem einzigen echten Argument für IMAX, auf ein 16:9-Bild in 2K-Auflösung runtergerechnet, so dass die Leinwand oben und unten schwarz bleibt. Das ist nicht ganz dasselbe.
In Zukunft sollen in den Cinemagnum-Kinos aber auch 2D-Opernübertragungen und vor allem Hollywood-Blockbuster in 3D laufen, von denen angeblich etliche in der Mache sind. Das klingt natürlich vielversprechend, ist aber noch Zukunftsmusik. Ob die Webers Visionäre sind oder ein gutes Beispiel für schlechtes Timing abgeben, wird sich also erst noch zeigen.
Interview und Stimmen von der Cinemagnum-Premiere in Frankfurt Ende Mai gibt es beim Internet-Radio rockfun24.de hier und hier.

Es geht auch cooler

Weniger hitzig, aber dennoch kritisch hat sich Christoph Hochhäusler in einem Interview mit der Berliner Zeitung zum Thema der Amphibienfilme geäußert:
"Es gibt in Deutschland keine Filmindustrie. Es gibt nur eine Fernsehindustrie, die sich die Kinoauswertung von Filmen gewissermaßen leistet. Auf der anderen Seite stehen Regisseure wie ich, die zumindest im Kopf für die "Vorführsituation Kino" arbeiten. Denn ich wünsche mir natürlich, dass meine Filme aus freien Stücken gesehen werden, konzentriert und unter technisch optimalen Bedingungen. Die Fernsehrealität sieht anders aus. Das Fernsehen zu Hause passiert mitten im Leben, zwischen Telefon und dem Nachbarn ohne Zucker, im Halbdunkel. Da das Bild so klein ist, ist das Verhältnis des Zuschauers viel eher eines der Kontrolle - man informiert sich mehr über eine Geschichte als dass man sie erlebt - während man im Kino von einer Leinwand "erleuchtet" wird, die um ein Vielfaches größer ist, als man selbst."
Liebes Fernsehen, lass die Leute Kinofilme drehen! Davon profitieren doch auch die Sender, die sich mit "Event-Kino" schmücken können, das das Label "Kino" auch verdient hat.

Sonntag, 5. August 2007

Die PG-Regelung - Chance oder Risiko?

Seit dem 01.04.2003 erlaubt es die PG-Regelung „personensorgeberechtigten Personen“, also ausschließlich den Eltern, mit ihren Kindern ab sechs Jahren einen Kinofilm zu besuchen, der von der FSK mit der Freigabe „Ab 12 Jahren“ versehen wurde. Es geht um die Stärkung der Elternkompetenz – so weit, so gut. Die Erfahrungen aus der Kinopraxis sprechen eine andere Sprache. Selbst, wenn man den optimalen Fall annimmt, daß die Eltern tatsächlich a) die Zeit haben, sich das Filmangebot genau durchzusehen, vielleicht im Internet einen Trailer anzuschauen oder Rezensionen zu lesen, und b) auch das Interesse – und beides ist nicht selbstverständlich! – bleibt doch der Einwand, den auch Bernd Merz, der Rundfunkbeauftragte der Evangelischen Kirche Deutschland warnend formuliert:

„Man sagte, in Begleitung von Eltern lernen Kinder besser zu erleben und zu deuten. In der Praxis ist das Problem, daß wir es bei Kindern zwischen sechs und zwölf mit einem erheblichen Alters- und Bewußtseinsunterschied zu tun haben. Wovor die Kirchen damals gewarnt haben, ist oft eingetreten: daß Eltern mit weinenden Kindern während oder nach der Vorstellung zu den Kinobesitzern kommen und sich beschweren, daß dieser Film über die Parental-Guidance-Regelung schon für ihren Sechsjährigen zugelassen ist. Ich denke, es kommt nicht von ungefähr, wenn Fachleute sich hinsetzen und einen Film für ein bestimmtes Alter freigeben. Filme werden nicht dadurch erträglicher, daß Kinder sie sich mit ihren Eltern ansehen.“

Es gibt eine ganze Generation traumatisierter Kinder, die „Aktenzeichen XY ungelöst“ sehr wohl in Gesellschaft ihrer Eltern ansah und zum Teil heute geradezu panische Angst vor Einbrechern hat. Wenn Kinobetreiber erzählen, daß kleine Kinder weinend mitten im Film aus Der kleine Eisbär (freigegeben ohne Altersbeschränkung) stürmen, fragt man sich, wie ein Sechsjähriger das Horror-Drama Der Exorzismus der Emily Rose, der mit seiner FSK 12-Freigabe unter die PG-Regelung fällt, verkraftet. Im positivsten Fall ist es wie in dem Kleinstadtkino, in dem der zehnjährige Junge in dem Film Die Geisha (FSK 12) einfach einschlief. Wozu vergibt die FSK sorgfältig ihre Alterseinstufungen, wenn sie durch den Gesetzgeber mit der Begründung, den gemeinsamen Kinobesuch als ganze Familie ermöglichen zu wollen, umgestoßen werden? Auf den Internetseiten der FSK findet sich jedoch keinerlei Stellungnahme, weder positiv noch negativ, zu der Regelung, obwohl der Ständige Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden Folker Hönge 2000, in der überarbeiteten Version sogar noch im Mai 2002 betont:

„Wirtschaftlicher Zwang ist oft stärker als Vernunft und Einsicht und Deregulierung, die versucht, Jugendschutzaufgaben allein Eltern zu übertragen oder davon auszugehen, daß Kinder und Jugendliche so medienkompetent wären, daß sie sich alleine schützen können, ist naiv und falsch.“

Eine Meinungsänderung ist legitim. Aber die dezidierte Begründung der Prüfregeln der FSK für die einzelnen Altersklassen verliert dadurch an Glaubwürdigkeit. Der Verdacht drängt sich auf, die PG-Regelung sei eigens für Kassenschlager wie Harry Potter und der Feuerkelch (FSK 12) erfunden worden.

Studie unter Kinobetreibern und Verleihern

Eine im Dezember 2005 von der Beratungsfirma Rinke Medien Consult (RMC) durchgeführte Studie veröffentlichte die Ergebnisse einer Erhebung unter 524 Kinobetreibern und Verleiherfirmen zu Akzeptanz und Perspektiven der PG-Regelung. Immerhin eine überwiegende Mehrheit von 96 Prozent der Befragten gab an, die Regelung zu kennen. 2,9 Prozent wußten von der Änderung des Jugendschutzgesetzes, ohne sich aber darunter etwas Genaues vorstellen zu können. 1,1 Prozent hatten von der PG-Regelung noch nie etwas gehört. Auf die Frage nach der Relevanz der Regelung für die Kinobetreiber antworteten immerhin fast drei Viertel (73,5%), daß sie vor der Änderung regelmäßig Probleme mit Eltern hatten, die ihre Kinder in Filme mitnehmen wollten, die erst ab zwölf Jahren freigegeben waren. Interessant wird diese Zahl im Hinblick auf die Theorie, daß die PG-Regelung zur Potenzierung der Zuschauerzahlen durchgesetzt wurde. Ginge es nach den Wünschen von Verleihern und Kinobetreibern, würde die Regelung sogar noch ausgeweitet: 43 Prozent der Verleiher und 24 Prozent der Kinobesitzer sähen die PG-Regelung gerne auch für andere Altersklassen angewandt, und zwar insbesondere auf FSK 16. Bemerkenswerterweise sind nur zehn Prozent der Filmtheaterbesitzer und niemand (!) auf der Verleiherseite für eine Wiedereinführung des Status quo ante.

Praktische Probleme

Die Beschränkung auf die Eltern als „personensorgeberechtigte Personen“ stellt in der Praxis für viele Kinobetreiber ein Problem dar: Zum einen besteht die Schwierigkeit der Vermittlung dieser Regelung an Personen, die nicht personensorgeberechtigt sind: Wieso darf beispielsweise die Großmutter mit ihrem Enkel nicht King Kong (FSK 12) ansehen? Außerdem ist es unrealistisch, bei einem Besucherandrang von Hunderten von Gästen bei Harry Potter jeweils den Ausweis zu kontrollieren. Aus Zeit- und Personalmangel kann kaum ein Kino zu jeder Vorstellung die vorgeschriebene Prüfung durchführen.

Und das Fernsehen?

Die PG-Regelung: Ein marktförderndes Instrument. Denn es beschert viele Besucher, die dem Film sonst – noch – hätten fernbleiben müssen. Skeptiker mögen einwenden, daß das Kind ja auch im Fernsehen vieles sieht: ein kurzsichtiges Gegenargument. Denn Fernsehen besitzt für Kinder eine ganz andere Eindringlichkeit als Kino: Zu Hause brennt Licht, der Fernseher ist nicht gesichtsfeldfüllend, Störfaktoren wie beispielsweise andere Familienmitglieder können interagieren. Das fernsehende Kind selbst kann jederzeit aufstehen, herumlaufen, zur Toilette gehen oder in die Küche, sprich: Der Ablenkungsfaktor ist hier ungleich größer als im Kino, und damit auch die Intensität, mit der die Bilder auf das Kind wirken. Diese These bestätigen auch mehrere Kinomacher. Im Kino befindet sich das Kind in einem vollkommen dunklen Raum; das gesamte Gesichtsfeld wird von dem verstörenden Film ausgefüllt, die Konzentration wird auf eine einzige Sache fokussiert.

Fazit

Bei schlechten Filmen bedeutet die PG-Regelung ein Risiko, doch für gute Filme ist es eine Chance: Denn Kinder haben natürlich Umgang mit Medien, auch jüngere Kinder, und niemand strebt ein Kinoverbot für Kinder an. Eine Kritik an der PG-Regelung kann und soll, wenn auch unter dem oben formulierten Vorbehalt, nur die ursprünglichen FSK-Freigaben stärken, die darauf abzielen, Kinder einer bestimmten Altersklasse eben nicht mit Visualitäten und Inhalten zu konfrontieren, die sie überfordern. Kino darf für Kinder nicht zum Angstraum werden, sondern muß positiv besetzt bleiben.

Freitag, 3. August 2007

"heute" berichtet über Filme

Über das Verhältnis von Kino und Fernsehen gibt es leider nicht häufig Gutes zu berichten. Da freut es einen umso mehr zu sehen, wenn eine seriöse Nachrichtensendung regelmäßig über Filmpremieren berichtet. Die "heute"-Nachrichten des ZDF haben in letzter Zeit mehrminütige Beiträge z.B. über die neuen Teile von "Shrek", "Stirb langsam" oder "Harry Potter" wie auch "Death Proof" gebracht. Schade nur, dass es sich dabei um solche Filme handelt, die ohnehin ein großes Presseecho haben. Das mag einem gewissen "Verjüngungsdrang" von ARD und ZDF geschuldet sein. Dabei wäre angesichts des Zuschauerprofils der öffentlich-rechtlichen Sender gerade dort der geeignete Ort, um die Aufmerksamkeitsspanne anspruchsvollerer Produktionen durch frühere Wahrnehmung deutlich zu verlängern. Denn unter den Programmkino- und Arthouse-Produktionen gibt es ja häufig potentielle Erfolgsfilme, die aber unter niedrigen Werbebudgets unabhängiger Verleiher und kurzen Laufzeiten in den Filmtheatern zu leiden haben und so aus den Kinos verschwunden sind, bevor sie sich innerhalb der Zielgruppe herumsprechen konnten - das als Vorschlag für die Zukunft. Dennoch handelt es sich bei der Initiative der heute-Redaktion um einen guten, sogar einen sehr guten Anfang, um Film wieder mehr in die Öffentlichkeit zu rücken!

Mittwoch, 1. August 2007

Kinoszene Pforzheim

Üblicherweise schreiben wir ja nur über Kinos, die wir zumindest einigermaßen kennen, aber was wir über das Cinema in Pforzheim gehört haben, klingt, als wäre es einen Besuch wert, wenn wir mal in der Gegend sind. Robert Bernnat hat uns auf sein Kino hingewiesen. Er hat das Haus im Dezember 2006 wiedereröffnet - davor schon mal Hut ab, kommt ja nicht mehr so oft vor, dass sich jemand traut, ein Kino aufzumachen. Das Programm liest sich gut, und besonders erfreulich: auch die Filmgeschichte hat ihren Platz bekommen. Damit schließt Bernnat an die Tradition des Filmtheaters als Filmkunst-Haus unter Walter Kirchner und Kommunales Kino an. Sehr schön!

Programmkino oder was?

Auch wenn es nicht der Politik der Kinointeressensverbände entspricht, möchte ich an dieser Stelle doch einmal für die Differenzierung der Kategorien Programmkino und Arthaus plädieren. Es ist einfach nicht dasselbe.

Programmkino, das bedeutete ursprünglich Unabhängigkeit von den Verleihern – die Kinomacher bestimmten ihr Programm, nicht die Verleihstaffeln. Die Filme wurden zu Programmen geordnet, sorgfältig vorgeführt und nur einige wenige Male abgespielt. Ziel des ganzen war es, das Kino zum Diskussions- und Kommunikationsraum auszubauen und ein kritisches Publikum zu formieren. Mit diesem Anspruch gingen im Januar 1970 das Arsenal und im Oktober desselben Jahres das gewerblich geführte Abaton an den Start. Von den bestehenden Gilde-Theatern distanzierte man sich durch ein breiter gefächertes und weniger „bürgerliches“ Programm: in den Programmkinos waren auch die Avantgardefilme, politische Dokumentarfilme, Filmgeschichte und das Genre zuhause.

Heute bedeutet Programmkino üblicherweise noch ein festes Monatsprogramm und das Abspiel anspruchsvoller Filme „auf Schiene“. Themenschwerpunkte, Reihen, Retrospektiven und Filmklassiker zählen eher schon zu den Ausnahmen. Die Abgrenzung zu Arthouse-Kinos fällt da in vielen Fällen nicht einfach, besonders da im Branchenjargon alles, was nicht Mainstream ist, undifferenziert in den Topf „Arthouse“ geworfen wird. Unter Arthouse sind aber eigentlich deutlich eher anspruchsvolle Unterhaltungsfilme als schwierige Filmkunst zu verstehen, üblicherweise handelt es sich dabei um Crossover-Filme, die auch in Centern oder Plexen laufen. Unter anderem deshalb pflegen Arthäuser in der Regel auch kein fest terminiertes Monatsprogramm.

Über Größe und Gestaltung des Kinos lassen sich dabei keine grundsätzlichen Aussagen treffen, auch im Programm sind die Übergänge oft fließend, die Kategorisierung kann in Einzelfällen durchaus Schwierigkeiten bereiten. Programmkinos haben in vielen Fällen nicht mehr als einen Saal und sind häufig Einzelhäuser. Das kann auf Arthouse-Kinos ebenso zutreffen, diese kommen aber auch als Kinocenter vor und zeigen z.T. auch Hollywoodfilme. Ebenso fahren viele Multiplexe zu bestimmten Zeiten oder in einem einzelnen Saal eine Arthouse-Schiene.

Den Anspruch, bessere Filme zu zeigen, verfolgen beide, wenn auch unterschiedlich konsequent. Interessenskonflikte entstehen dann, wenn ein Arthaus dem örtlichen Programmkino die "Brotfilme", also die größeren Fillm"kunst"-Starts wegspielt. Dass ein Unterschied besteht, lässt sich auch dadurch belegen, dass z.B. Firmen für Kinowerbung die Kategorien getrennt behandeln: „Filmkunstkinos bieten anspruchsvolle Programme mit Filmreihen und Retrospektiven für Cineasten, die so genannten Arthouse-Kinos zeigen ein vornehmlich gehobenes Programm, das sich jedoch auf ein eher breites Interesse stützt.“ (Quelle: www.agir.de) Unterschiedliche Kinos – unterschiedliche Zielgruppen.