Erwischt: ich habe die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung diese Woche erst mittwochs aufgeschlagen und deswegen erst gestern das Interview mit Dr. Negele, dem Vorsitzenden des HDF, entdeckt. Da nichts bahnbrechend Neues darin zu entdecken war, werden Sie mir nachsehen, wenn ich es erst heute kommentiere.
Zunächst mal ein Lob: Dr. Negele hat begriffen, dass Kinoleute in der deutschen Presse nicht jammern sollten. Aus einem dunklen und geheimnisvollen Grund hat diese nämlich das Kino schon vor vielen Jahren als Sorgenkind abgeschrieben. Wenn die Zeitungen berichten, dann meist über schlechte Zuschauerzahlen, sinkende Zuschauerzahlen, Kinokrisen, das Ende des Kinos, den Tod des Kinos. Besonders krass war das 2005, als die Besucherzahlen wirklich miserabel waren und das jeder, aber auch wirklich jeder laut heulend kundtat, was die Presse dankbar aufnahm. Da hatte auch politische Gründe ("je lauter ich in der Zeitung aufjaule, desto weniger traut sich mein Vermieter, die Miete für mein Kino raufzusetzen", dachten sich wohl viele), ist aber schlecht fürs Image - stand schon 1969 in der Dichter-Studie und macht Kino nicht wirklich "sexy". Übrigens ist das Wort sexy auch nicht besonders sexy, auch wenn das manche Marketingleute zu glauben scheinen. Der Multiplex-Verbandschef jedenfalls lässt sich von der FAS-Reporterin nicht in die Besucherfalle locken und hebt stattdessen die vergrößerte Reichweite hervor. Gut so.
Erfreulich ist auch, wie Dr. Negele das mehr oder weniger zwangsläufig folgende Eintrittspreisklischee mit dem einsichtigen Vergleich des Preises für eine Pizza pariert. Herr Dr. Negele isst zwar recht teure Pizza, und dass der gefühlte Preis einer Kinokarte höher ist als der offizielle Durchschnittseintrittspreis, ist angesichts einer Preisspanne von 2,50 bis ca. 10 Euro pro Karte nicht verwunderlich. Was wie stets fehlt, ist eine Erklärung, warum der Preis so hoch ist und wie wenig dabei tatsächlich für den Kinobetreiber übrigbleibt. Man kann ja mal versuchen, das dem Publikum rational zu erklären und darauf hoffen, dass das eine gewisse Akzeptanz erzeugt.
Auf den wiederum reflexartig folgenden Part "Raubkopierer" und die virtuellen, weil nicht empirisch erhebbaren Verlustzahlen muss man nicht weiter eingehen.
Und dann kommt, na wie originell, das Home-"Cinema" (gibt es irgendwo eine Vorlage für Kino-Artikel, die alle deutschen Tageszeitungen benutzen?!). Und da hören wir, dass die Multiplexe sich in ihrem 90er-Jahre-Stil überlebt haben gemütlicher werden müssen. Eine nicht übermäßig neue These, vor etwa zwei Jahren hat die Presse Herrn Flebbe herumgereicht, der damals verkündete, Bücherregale und Ledersessel in seinen Kinos aufstellen zu wollen oder sowas in der Richtung zumindest andeutete. Hm, wie viele Multiplexe mit Captain's Chairs und Tischlampen gibt es heute in Deutschland? Eine Handvoll? Da liegt die Crux: Es gibt eine Kampagne für das Kino, die, ungeachtet der Tatsache, dass sie aus finanziellen Gründen zu sehr innerhalb und zu wenig außerhalb des Kinos stattfindet, recht gelungen ist. Woran es fehlt, ist die Fortführung dieser Kampagne im Kino. Das Versprechen wird im Durchschnittsmultiplex nicht eingelöst, obwohl man weiß, woran es fehlt. Anstatt an Atmosphäre und Service zu feilen, wird ein Riesenwirble um Digitalprojektoren gemacht, die sich keiner leisten kann und die das Filmabspiel nicht gerade revolutionieren. Dem Publikum sind die aber von 5% Cinephilen, die ohnehin lieber bei 35mm blieben, herzlich egal.
Von der Interviewerin auf etwas angesprochen, das sie "gemütliche Eckkinos" nennt - könnte hier die Rede von Programmkinos und Arthouse-Kinos sein? Wer weiß! - spricht Dr. Negele davon, dass die einen Nachholbedarf an Öko-Snacks, Kaffeeprodukten und Weinen hätten. Mal abgesehen davon, dass solche Concessions nur das i-Tüpfelchen auf einem gut geführten Kino sein können - gerade in den "Eckkinos" ist das doch längst umgesetzt. Die haben die Zeichen der Zeit erkannt und richten sich längst auf ein älter werdendes Publikum ein, das gerne zum Film ein paar hochwertige Produkte konsumiert. Im Multiplex dagegen wird man im Regelfall nicht von Kaffeeduft, sondern von Popcorn- und Nacho.Abgasen empfangen.
Was nun noch fehlt, ist ein durchaus legitimes "die Verleiher machen uns das Leben schwer" (dazu gelegentlich noch einige Zeilen an dieser Stelle), dem es aber auch an konstruktiven Vorschlägen mangelt und ein Hurra auf den deutschen Film. Diagnose: Patient gesund, alle Reflexe intakt, im Westen nichts Neues. Liebe Presse: wie wär's denn nächstes Mal mit einem Interview mit einem umtriebigen Einzelkinobetreiber und einem Soziologen o.ä. im Gesellschafts-, nicht im Wirtschaftsteil, die der Frage nachgehen, warum es so etwas wie eine Vereinzelung gibt, warum es nicht mehr attraktiv ist, mit vielen anderen einen Film zu schauen und was die Zuschauer am Kino vermissen?
Zunächst mal ein Lob: Dr. Negele hat begriffen, dass Kinoleute in der deutschen Presse nicht jammern sollten. Aus einem dunklen und geheimnisvollen Grund hat diese nämlich das Kino schon vor vielen Jahren als Sorgenkind abgeschrieben. Wenn die Zeitungen berichten, dann meist über schlechte Zuschauerzahlen, sinkende Zuschauerzahlen, Kinokrisen, das Ende des Kinos, den Tod des Kinos. Besonders krass war das 2005, als die Besucherzahlen wirklich miserabel waren und das jeder, aber auch wirklich jeder laut heulend kundtat, was die Presse dankbar aufnahm. Da hatte auch politische Gründe ("je lauter ich in der Zeitung aufjaule, desto weniger traut sich mein Vermieter, die Miete für mein Kino raufzusetzen", dachten sich wohl viele), ist aber schlecht fürs Image - stand schon 1969 in der Dichter-Studie und macht Kino nicht wirklich "sexy". Übrigens ist das Wort sexy auch nicht besonders sexy, auch wenn das manche Marketingleute zu glauben scheinen. Der Multiplex-Verbandschef jedenfalls lässt sich von der FAS-Reporterin nicht in die Besucherfalle locken und hebt stattdessen die vergrößerte Reichweite hervor. Gut so.
Erfreulich ist auch, wie Dr. Negele das mehr oder weniger zwangsläufig folgende Eintrittspreisklischee mit dem einsichtigen Vergleich des Preises für eine Pizza pariert. Herr Dr. Negele isst zwar recht teure Pizza, und dass der gefühlte Preis einer Kinokarte höher ist als der offizielle Durchschnittseintrittspreis, ist angesichts einer Preisspanne von 2,50 bis ca. 10 Euro pro Karte nicht verwunderlich. Was wie stets fehlt, ist eine Erklärung, warum der Preis so hoch ist und wie wenig dabei tatsächlich für den Kinobetreiber übrigbleibt. Man kann ja mal versuchen, das dem Publikum rational zu erklären und darauf hoffen, dass das eine gewisse Akzeptanz erzeugt.
Auf den wiederum reflexartig folgenden Part "Raubkopierer" und die virtuellen, weil nicht empirisch erhebbaren Verlustzahlen muss man nicht weiter eingehen.
Und dann kommt, na wie originell, das Home-"Cinema" (gibt es irgendwo eine Vorlage für Kino-Artikel, die alle deutschen Tageszeitungen benutzen?!). Und da hören wir, dass die Multiplexe sich in ihrem 90er-Jahre-Stil überlebt haben gemütlicher werden müssen. Eine nicht übermäßig neue These, vor etwa zwei Jahren hat die Presse Herrn Flebbe herumgereicht, der damals verkündete, Bücherregale und Ledersessel in seinen Kinos aufstellen zu wollen oder sowas in der Richtung zumindest andeutete. Hm, wie viele Multiplexe mit Captain's Chairs und Tischlampen gibt es heute in Deutschland? Eine Handvoll? Da liegt die Crux: Es gibt eine Kampagne für das Kino, die, ungeachtet der Tatsache, dass sie aus finanziellen Gründen zu sehr innerhalb und zu wenig außerhalb des Kinos stattfindet, recht gelungen ist. Woran es fehlt, ist die Fortführung dieser Kampagne im Kino. Das Versprechen wird im Durchschnittsmultiplex nicht eingelöst, obwohl man weiß, woran es fehlt. Anstatt an Atmosphäre und Service zu feilen, wird ein Riesenwirble um Digitalprojektoren gemacht, die sich keiner leisten kann und die das Filmabspiel nicht gerade revolutionieren. Dem Publikum sind die aber von 5% Cinephilen, die ohnehin lieber bei 35mm blieben, herzlich egal.
Von der Interviewerin auf etwas angesprochen, das sie "gemütliche Eckkinos" nennt - könnte hier die Rede von Programmkinos und Arthouse-Kinos sein? Wer weiß! - spricht Dr. Negele davon, dass die einen Nachholbedarf an Öko-Snacks, Kaffeeprodukten und Weinen hätten. Mal abgesehen davon, dass solche Concessions nur das i-Tüpfelchen auf einem gut geführten Kino sein können - gerade in den "Eckkinos" ist das doch längst umgesetzt. Die haben die Zeichen der Zeit erkannt und richten sich längst auf ein älter werdendes Publikum ein, das gerne zum Film ein paar hochwertige Produkte konsumiert. Im Multiplex dagegen wird man im Regelfall nicht von Kaffeeduft, sondern von Popcorn- und Nacho.Abgasen empfangen.
Was nun noch fehlt, ist ein durchaus legitimes "die Verleiher machen uns das Leben schwer" (dazu gelegentlich noch einige Zeilen an dieser Stelle), dem es aber auch an konstruktiven Vorschlägen mangelt und ein Hurra auf den deutschen Film. Diagnose: Patient gesund, alle Reflexe intakt, im Westen nichts Neues. Liebe Presse: wie wär's denn nächstes Mal mit einem Interview mit einem umtriebigen Einzelkinobetreiber und einem Soziologen o.ä. im Gesellschafts-, nicht im Wirtschaftsteil, die der Frage nachgehen, warum es so etwas wie eine Vereinzelung gibt, warum es nicht mehr attraktiv ist, mit vielen anderen einen Film zu schauen und was die Zuschauer am Kino vermissen?
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