Sonntag, 29. März 2009

VOSTF


Diese schmückende Abkürzung steht für Version Originale Sous Titre Francais und entspricht damit dem wenig griffigeren, aber schöner zu sprechenden OmU oder präziser OmdU, Original mit deutschen Untertiteln.

Kennengelernt habe ich die Abkürzung bei meinem ersten Kinobesuch im Ausland (!), sich ereignet habend vor wenigen Wochen in Marseille. Das Innere des César hielt zwar nicht ganz, was das Äußere versprach, aber erkennen durfte ich immerhin, dass nicht hinter jedem verdächtig kleinen und vertreppten Kinocenter-Foyer auch Säle von erschreckend geringen oder absurden Ausmaßen stecken müssen.

Am spannendsten war sicherlich, das Publikum zu beobachten. Das französische Kinopublikum ist ja unter deutschen Kinomachern und -gängern ein Mythos für sich, der mir einen objektiven Blick darauf verstellt haben dürfte. Dieselbe Mischung aus verschiedenen soziodemographischen Milieus dürfte ich im "Rex" schon angetroffen haben, dasselbe Interesse für das Programm der nächsten Woche schon im Filmmuseum beobachtet haben, dieselbe Selbstverständlichkeit und Routiniertheit des Kinobesuchs im "Mal seh'n" erlebt haben. Aber alles zusammen, bei gut gefülltem Saal, an einem Mittwochabend gegen 21 Uhr? Und diese angeregten Gespräche danach über den Film, die im Foyer klebengebliebene Grüppchen führten? Nein, also das muss einfach an staatlich verordneter Kinokultur liegen!

Ein Platz an der Xenon-Sonne oder: My Own Private Cinema

Vorbemerkung: die folgenden Ausführungen werden zwanghaft veranlagte Persönlichkeiten vermutlich leichter nachempfinden können, die übrigen mögen uns bürgerlich-jägerzaunhafte Marotten nachsehen.

Ein Stammkino zu haben, also so eins, wo einen die Mitarbeiter kennen, mit Namen grüßen und man vor oder nach dem Film noch einen Plausch halten kann, ist ja bei durchschnittlich 1,58 Kinobesuchen pro Einwohner hierzulande keine Selbstverständlichkeit. Ein Stammplatz im Saal ist noch weitaus exklusiver, die Tendenz zur mehrsaligen Spielstätte und elektonische Buchungssysteme haben dazu ihren Beitrag geleistet. Die festen Sitzplatzgewohnheiten der Sneak-Communities kann man immerhin teilweise gelten lassen.

Wir dürfen nicht ohne Stolz von uns behaupten, in einem Frankfurter Kino zu den Freunden des Hauses zu gehören und durch frequentierten Besuch dort eine Vorliebe für die Plätze in der Mitte der vordersten Reihe des obersten Plateaus entwickelt zu haben. Respektvoll würden wir niemals die beiden rechten äußeren Sitze derselben Reihe belegen, sie stehen zwei großen Damen des Kinos zu, die ein älteres Anrecht auf diese Sitze haben.

In einem anderen Frankfurter Kino ist ein Herr bekannt, der eine Vorliebe für einen bestimmten Sitzplatz entwickelt hat, die so weit geht, dass ich mich frage, ob er es überhaupt erdulden würde, einen anderen Platz einzunehmen, sollte dieser einmal belegt sein. Vermutlich stellt sich die Frage nicht, da er in enger Verbindung zum Haus steht und ich bei Betreten des Saals seinen Platz häufig durch eine Tasche oder ein Kleidungsstück reviermarkiert vorfinde. Die Treppenbeleuchtung "seiner" Reihe hat er mittels eines Klebestreifens dahingehend modifiziert, dass das kleine Birnchen zu seiner Linken kein störendes Streulicht wirft. Nach mehrjährigem Herumprobieren habe ich meinen Lieblingsplatz dort übrigens in seiner Nähe gefunden, eine Reihe dahinter um zwei Sitze nach rechts versetzt.

In Bonn fehlt uns lebensumständebedingt die Besuchsfrequenz, um als Hausfreunde in einem Filmtheater ein- und ausgehen zu können, in den zwei am liebsten besuchten Kinos haben sich allerdings auch schon feste Platzvorlieben gebildet.

Eine Freundin allerdings machte uns unlängst in unserem gemeinsamen Stammkino vor, was es wirklich heißt, Stammgast zu sein: sie wurde dort angerufen, und zwar nicht auf dem Handy, sondern über die Telefonnummer der Kinokasse.

Kartensalat

In Zeiten, da die Kino-Flatrate längst in Deutschland angekommen ist, wagt die AG Kino einen zaghaften Versuch und erinnert nochmal leise an ihren Rabattausweis, der aus unerfindlichen oder historischen Gründen immer noch klangvoll "Gildepass" heißt. 70 Spielstätten akzeptieren die jüngst optisch aufgefrischte Plastikkarte - bei einem Bestand von 220 Spielstätten (laut FFA-Programmkinostudie), die AG Kino/Gilde-Mitglieder sind, entspricht das gerade mal einem Anteil von 32%. Das ist nicht eben berauschend für ein Marketinginstrument, das dem Label "Programmkino" auf die Sprünge verhelfen soll.

Hier in Bonn ist keine einzige Spielstätte dabei. Da ich das nun schwarz auf weiß habe, verspreche ich hoch und heilig, zukünftig keine ahnungslosen Aushilfskassierer in Kinos mit AG-Kino-Aufkleber an der Tür mehr zu bequatschen, mir auf Vorlage des Gildepasses Rabatt zu gewähren. Schließlich möchte ich mich nicht mit ächtenswerten Kino-Räubern gemein machen.