Montag, 31. März 2008

Scharlatan

Da waren wir nun also auf dem historischen Jahrmarkt, doch der "Original Kaiserzeitkinematograph" übertraf selbst unsere schlimmsten Befürchtungen. Gut, dass wir vorher mal kurz gefragt haben, denn so konnten wir uns den Besuch und das Live-Erlebnis der Enttäuschung ersparen. Gezeigt wurden ein Lumière-Film über den Kölner Dom, eine Humoreske und "The Great Train Robbery" - auf DVD. Begründung: diese Filme gebe es nicht auf 16mm.

Eine Aussage, die mir das Blut in Wallung brachte, denn insbesondere letzterer ist durchaus auf 16mm vorhanden - ich habe ihn oft genug vorgeführt. Es mag sein, dass diese Kopien nicht jedermann zugänglich sind, gut, akzeptiert. Aber angesichts der Tatsache, dass wir auch kaum einen Originalprojektor aus der Zeit erwartet hätten (wenn auch einen Filmprojektor, und sei es "nur" das erst in den 1920ern eingeführte 16mm), hätten es wohl auch andere Stummfilme getan als "original Kaiserzeit". Im alten Atlas-Fundus etwa gab es reichlich Laurel&Hardy, Buster Keaton, Harold Lloyd. Da wäre schon dranzukommen.

Schade, dass der Aufwand gescheut wurde, irgendeinen irgendwie ratternden Projektor mit irgendeinem Stummfilm zu besorgen - das wäre einem "Original Kaiserzeitkinematograph" sicher näher gekommen als Videos von Filmen aus der Kaiserzeit, die man halt in einem Zelt vorführt.

Und doch hatten wir noch ein Kinoerlebnis - beim Artisten an der schwankenden Laterne. Er erinnerte uns an die Laternenszene im Stummfilm "Dream of a rarebit fiend" (YouTube-Link hier!). Allerdings: ein Mann, der sich am oberen Ende einer Gummilaterne hampelnd mitsamt dieser aus rund drei Metern Höhe schreiend auf die Gesichter des Publikums zustürzt, schlägt jeden 3D-Kino-Effekt um Welten!

Montag, 24. März 2008

Schaurig

Da "Sweeney Todd" nicht wo- und wannanders zu kriegen war, haben wir uns mal Deutschlands ältestes Multiplex angeschaut, das UCI in Hürth bei Köln. Es wurde 1990 eröffnet und befindet sich inmitten eines jener Komplexe, die von außen alles mögliche sein könnten vom Fußballstadion bis zur Justizvollzugsanstalt und die nur von der Innenseite als urban entertainment center zu erkennen sind.

Wir betraten es vom Parkplatz aus durch einen unwirtlich nach kaltem Rauch
riechenden, zugigen Flur, der uns um mehrere Ecken und über eine Treppe ins Foyer führte. Dieses, auf drei oder vier Etagen angeordnet, ist riesig, fast sogar zu groß für "nur" 14 Säle. Die Kassen sind Glaskanzeln mit Gegensprechanlage und einem Geldfach, das selbst die Sparkassen und Postbanken vor mindestens 10 Jahren abgeschafft haben. Die Kassenanzeige schien unsere asiatischstämmigen Mitbürger anzusprechen, aber der Asiat befand sich auf der falschen Seite der Kasse und es war dann doch wohl nur ein Defekt des Displays.

Sauber war es, das muss man den Betreibern lassen, und wie selten darf man das über ein Großkino sagen. Dass das Haus "1999 frisch renoviert" wurde, wie die Homepage verkündet, ist a
ber leider feststellbar 8 oder 9 Jahre her. Die Polster der Sitze waren großenteils zerschlissen, und auch die Farbe war an mancher Ecke am Abblättern. Auch mit Feuerlöscherdiebstahl hat man wohl zu kämpfen, wie ein eher verzweifeltes Schild verlautbarte.

Äußerst überraschend war die Dimension des Saals: nicht kubisch und steil ansteigend, das Projektorfenster kurz oberhalb der Lehnen der letzten Reihe, wie es heute in den Plexen gängig ist. Nein, das Saalgefälle war flach, die Sitze in einer leichten Rundung eher amphitheatrisch angeordnet und das Projektionsfenster viele Meter über den Köpfen der Zuschauer auch der hintersten Reihe. Die Saalausstattung war technisch geprägt: Decke und Wände schmucklos in dunkelgrau, ohne stylische Lampen, die Leinwand ohne Vorhang.

Die Schärfe der Werbedias war infernalisch schlecht, die Filmvorführung an der Grenze des Akzeptablen, was außer uns keinen stören konnte, denn es war niemand da. Was erst auffiel, als wenige Sekunden nach Einsetzen des Abspanns das grelle Putzlicht aufblitzte und auf unseren Protestschrei ebenso plötzlich verlöschte wie es angegangen war. Immerhin ging das Saallicht erst nach Ende des Abspanns an, das ist wiederum selten. Beim Verlassen des Saals türmten sich im weitgehend verlassenen Haus die Müllsäcke und Altpapierberge zur Entsorgung an den Ausgängen.

Es war halt doch eine der "Filmabspielstätten", oder eher "Runternnudelstätten", in der die Worte "Vorführung" und "Publikum" irgendwie deplatziert wirken. Einfach laufen lassen und Süßkram verkaufen, das sollte nicht erst heute zu wenig sein.

Wüste Stätte

Aus der Zeitung habe ich vom "Festival Internacional de Cine del Sáhara" erfahren, das jedes Jahr stattfindet - in einem Flüchtlingslager. Der bewegende Artikel erzählt davon, wie einmal im Jahr Kino da stattfindet, wo es sonst nicht mal Strom gibt.
"Die Leinwand steht unter freiem Himmel und ist aus weiß gestrichenen Holzplatten zusammengenagelt. Gestützt wird sie von einem rostigen Lastwagen. Das Publikum sitzt oder liegt auf Teppichen im Sand. [...] Die Filmvorführungen erinnern an die Anfänge des Kinos: Man hört das Surren des Projektors, die Filmrollen müssen gewechselt werden, und in der Pause wird gelacht, geraucht, geredet."
(F.A.S. vom 23.03.08, S.V5)
Schauspieler und Regisseure, so sie denn überhaupt zu gewinnen sind, übernachten in der Lehmhütte auf dem Boden, es gibt Nudeln, Couscous oder Reis und etwas Soße.

Da ist man fast versucht, sich zu fragen, ob unserem Kinomarkt etwas Gesundschrumpfung nicht tatsächlich gut täte. Einfach, damit auch wir wieder wissen, was wir am Kino haben.

Sonntag, 23. März 2008

The Screen

Und wieder ein wunderschönes Zitat zu einem meiner Lieblingsthemen, Autos und Kino:

"Der Fahrersitz ist wie ein Kinosessel, das Autoradio liefert den Soundtrack, die Windschutzscheibe wird zur Leinwand, das Leben dahinter zur Fiktion."

Es stammt aus einem Artikel zum leider weniger inspirierten Bildband "Stars & Cars".

Echte Handarbeit

Senator hatte eine originelle Idee zum Kinostart von "Abgedreht": Kinobetreiber bekamen Wachsmalkreiden mit dem unfertigen Plakat geliefert, um es selbst zu malen. Die Gewinner bekommen von Senator Personal für einen Abend und Catering gestellt, um sich den Film im eigenen Kino ansehen zu können. Hoffentlich lässt der Vorführer des Gewinnerkinos die Leihkraft auch an "seinen" Projektor...

Mittwoch, 19. März 2008

Ein klassischer Ausspruch

Zur Wiedereröffnung des "Fama" in Hamburg-Lurup reichen wir noch diesen sehr schönen taz-Artikel nach: "Ich liebe nicht Filme, ich lebe Kino". Der Mann spricht unsere Sprache.

Kino als Metapher

In den letzten Tagen bin ich dem Wort Kino öfter begegnet, stets in Zusammenhängen, die rein gar nichts mit Filmtheatern zu tun haben. Gewöhnlich wird ja "Film" gemeint, wenn vom "Kino" gesprochen wird.

Dieser Tage nun bin ich in einem Interview auf einen Börsenspezialisten gestoßen, der Anlegern riet, bei fallenden Kursen ins Kino zu gehen. So quasi: schaut weg. Ist natürlich Quatsch, denn wenn man heute überhaupt noch irgendwo richtig hinschaut, dann im Kino. Aber er meinte eben: schaut weg von der Realität, lenkt euch ab, wenn ihr aus dem schönen Traum erwacht, hat sich der Markt berappelt und ihr habt keine Dummehit begangen indem ihr zum falschen Zeitpunkt verkauft habt. "Kino" als Ausdruck der Realitätsferne.

In einem anderen Interview nervte ein Reporter den Manager eines großen Computer- und Videospieleherstellers mit an den Haaren herbei gezogenen Fragen zum Unterschied von Kino und Games. Anstatt um so etwas wie alternative content drehte sich das Gespräch aber auf penetrante Art und Weise darum, wo denn ein Gemeinschaftserlebnis stattfände und wo nicht. Klar, dass der Games-Mensch die Interaktivität seiner Spiele hervorhob, wo man gemeinsam an der Konsole daddelt, während man im Kino letztlich mit dem Film alleine sei. Und mit dem Körpergeruch des Nachbarn, aber das hat er nicht gesagt, wenn auch vielleicht gedacht, ignorant genug wäre die Haltung jedenfalls. "Kino" als Ausdruck von Passivität und Anachronismus.

Und eine meiner Kolleginnen pflegt die Redensart "großes Kino", wenn etwas sehr erlebens- oder erzählenswert war. Da heißt Kino also groß, spektakulär, aufregend - und eigentlich hat man das Gefühl, Leute, die so eine Redensart benutzen, wollen damit ausdrücken, dass es das so eigentlich gar nicht mehr gibt. "Kino" als Ausdruck einer guten Show.

Ich wünsche mir nach Feierabend nichts anderes als eine gute, passiv zu genießende realitätsferne Show...

Sonntag, 16. März 2008

Schall und Rauch und auf und zu

Kinonamen - wenn es nicht das gänzlich uninspirierte, aber klangvolle "Cinema" ist, dann stehen die Chancen gut, dass sich jemand für "Rex", "Roxy" (nach dem einstmals größten Kino der Welt, dem New Yorker Roxy mit unglaublichen 6000 Plätzen), "Metropolis", "Gloria" oder "Scala" entschieden hat. Die Namen künden davon, dass es meist ein paar Jährchen her ist.

Gerne wird auch in die Malereikiste gegriffen (Atelier, Palette, Studio), auf den Projektorstrahl oder den Projektor selbst verwiesen (Lichtspiele, Lichtburg, Lichtblick, Lux, Kurbel, Kurbelkiste). Lichtspiele verbirgt sich auch hinter den Balis, Holis, Kolis etc. dieser Republik (Bahnhofs-Lichtspiele, Hochhaus-Lichtspiele,...).

Populär ist (oder war) auch alles was groß klingt: "Capitol" oder irgendwas mit "Palast". Stets fein mit "C", wie die Zigarettenindustrie, wenn sie von ihren Genussprodukten spricht. So auch im eher befremdlichen "Camera". Verwechselt der Kinoname Camera nur das vorne und hinten der Produktionskette oder verweist er auf die Black Box Kino, die wie das Abbild der Camera obscura wirkt? (Ein dunkler Kasten, ein Loch, ein Lichtstrahl, ein Abbild von etwas)

Anlässlich eines Ausflugs nach Maastricht stolperten wir über das dort ansässige "Pathé Biscop". Wer dabei nun auf ein erhaltenes historisches Ladenkino oder ähnliches hofft, liegt falsch. Es handelt sich schlicht um ein Multiplex der Pathé-Kette. Dass mit den Begriffen Pathé und Biscop zusammenwächst, was nicht zusammengehört - die Gebrüder Pathé vertrieben den Kinematogrpahen der Lumières, während Bioskop der Name des wenig erfolgreichen Skladanowsky-Konkurrenzprodukts war - liegt am niederländischen Sprachgebrauch: Bioscop heißt dort schlicht "Kino".

Ein Kino mit einem besonders hübschen Namen - "Fama" - wurde jüngst in Hamburg wiedereröffnet. Der tiefere Sinn des Wortes liegt nicht in seiner Übersetzung (Gerücht, Ruf) sondern in den Anfangsbuchstaben der Vornamen der Gründerfamilie. Betrieben wird es seit der Wiedereröffnung und auch davor schon von 1992 bis zur Pause von Hans-Peter Jansen, einem Anhänger des Stadtteilkinos - deswegen hat er auch gleich ein paar davon, darunter die Koralle in Hamburg, über die er uns bei einem Besuch erzählte:

"
Ich finde Stadtteilkinos sehr wichtig, denn sie sind ein sozialer Ort für die Bürger. Damals hat sich ein Verein gegründet, der Geld sammelte für ein neues Kino. Es haben alle mitgemacht: Die Kirche, der Sportverein, das Gymnasium. Die haben sich dann auch überlegt, wie das Kino aussehen soll, ob es Popcorn geben soll, wie das Programm sein soll. Ich habe gesagt, ich will in keinen Neubau, die sollen mir ein Gebäude mit Geschichte suchen. Ja, und da sind wir auf das hier gekommen. Das war eigentlich mehr eine Rumpelkammer für einen industriellen Betrieb. Ich bin dann mit dem Architekten hier rein, um zu schauen, was man daraus machen kann. Mir waren zwei Säle wichtig, außerdem wollte ich ein Restaurant und einen Life-Jazz-Club. All das ist jetzt hier drin. Die Leute wollen das Kino hauptsächlich für ihre Kinder."

Ähnlich lief es auch mit dem Fama, berichtet das Filmecho: Jansen schloss das Kino vorübergehend, weil es immer weniger lief. Erst mit der Schließung merkten die Bürger, was sie an ihrem Kino hatten und gründeten einen Förderverein.

Ob dem Hamburger Grindel ebensoviel Glück beschert sein wird? Auch hier kämpfen Enthusiasten um den Erhalt des Kinos: http://rettet-das-grindel.de/
. Ebenfalls nicht gut bestellt ist es nach Branchenberichten um die Ingolstädter Altstadtkinos. Doch wo Schatten ist, ist auch Licht: im bayerischen Neufahrn hat ein Cineplex neueröffnet. Wir wünschen gut Licht, gut Ton und volle Kassen.

Mittwoch, 12. März 2008

Das Zeitalter der Mechanik

Bildquelle: www.autobild.de
Längst versprochen war die Folge zum Autokino Gravenbruch aus der Autobild-Klassik-Serie. Nun ist endlich die ganze Serie online gestellt worden - hier.

Samstag, 8. März 2008

Man kann nicht alles haben

Ärgerlich: statt in Karlsruhe die Ausstellung zur Kinogeschichte der Stadt zu sehen, lag ich krank im Bett. Kommt vor. Kompensieren werde ich das Ende des Monats auf einem historischen Jahrmarkt in Mechernich - mit Kaiserzeitkinematograph!

Es werde Lämpchen

Da wir schon bei Kino-Ideen mit Zukunft sind: Warum nicht endlich das Verzehrkino wiederbeleben? Gemäß der Kino-Event-Kultur liegt das vergessene Konzept genau wie die Schlaghose wieder ganz klar im Trend, es wurde nur noch nicht wieder entdeckt.

Wir haben letzte Woche eines besucht, präzise: wieder besucht, in das wir uns vor bald zwei Jahren verliebt haben. Es befindet sich in Harsefeld und feiert derzeit seinen 80. Geburtstag, als Verzehrkino besteht es seit 1977. Betrieben wird es seit jeher
von der Familie Meyer-Engelmann, aktuell durch die rührige Marga Engelmann, die das Kino mit allerlei Ideen und viel Liebe zum schon nicht mehr ganz geheimen Tipp gemacht hat.

Black-Box-Puristen werden sich mit dem Erlebnis Vezehrkino anfangs schwer tun, aber es liefert
das Beste aus vielen Welten von der Hotelbar bis zum Filmtheater. Nach dem Verlöschen des Saallichts spenden die Tischlämpchen zwar noch gedämpftes Licht, aber wirklich heller als im herkömmlichen Kino ist es dadurch kaum. Die umsichtige Kinomacherin hat sich für eine etwas stärkere Projektorlampe entschieden, so dass auch das Filmbild nicht leiden muss. Der Saal zeigt eine phänomenale Mischung aus einem Kinozweckbau der ausgehenden Zwanziger verbunden mit loungeartigem Siebziger-Chic - nicht zu fassen, aber es harmoniert.

Das Highlight sind natürlich die Knöpfchen, mittels derer man den dienstbaren Geist rufen kann, der einem - während der Vorstellung! - Snacks und Getränke bringt. Nichts mehr mit "Mist, ich habe Durst, aber der Film beginnt" oder "Papi, ich möchte doch noch ein Eis", Flaschenbier oder umgestoßenen Weingläsern auf dem Boden. Hier wird frisch gezapft, und es reichlich Abstellfläche vorhanden, alles in Griff- und Sichtweite zu parken. Eine Reise um Welt, ohne den bequemen Sessel zu verlassen, Service am Platz - paradiesisch.

Wem das noch nicht genügt, der kann auch das Curry- oder Schnitzelticket in Asnpruch nehmen, gegessen wird allerdings vor oder nach der Vorstellung in der angrenzenden Gaststätte. Die komplette Abendgestaltung aus einer Hand und zu einem Preis, das findet besonders bei Familien Anklang: um fünf die wilden Kerle sehen, anschließend steht die heiße Currywurst schon bereit, und die Kids sind pünktlich um halb neun in der Kiste.

Nun hat Frau Engelmann nicht nur ein Kino und eine Gaststätte, sie betreibt im selben Gebäude auch noch ein Hotel. Da bekommt Puschenkino eine ganz neue Dimension! Wir haben es ausprobiert, in 24 Stunden haben wir dort nichts anderes getan als ins Kino zu gehen, zu essen und wenn es gar nicht anders ging zu schlafen. Langweilig wird das erst, wenn sich die Filme wiederholen oder man mit der Speisekarte durch ist. Also ein paar Tage hält man das locker durch. Die Übergänge zwischen den Räumen sind dabei fließend: Auch Gaststätte und Hotel sind vom Kino-Virus infiziert und mit Filmstills, Spulen, Projektoren, Filmstreifen und Kinosesseln dekoriert.

Wir denken schon weiter: wenn nun die Tische im Kino rund wären, so dass man sich vor und nach der Vorstellung unterhalten könnte und dann auch dort das Essen serviert würde - dann müsste man das Kino ja gar nicht mehr verlassen...?

Schubladenkino

Eine spannende Idee zum Kino kam schon vor einiger Zeit von - Til Schweiger. Der Junge überrascht mich in letzter Zeit immer wieder. Er hat vorgeschlagen, die Kategorien Mainstream und Arthouse aufzulösen und auch Mainhouse, Artstream und weiß der Teufel was noch zuzulassen. Wovon mir Artstream besonders gut gefällt, weil es so schön nach stromlinienförmiger Kunst klingt, was natürlich irgendwie nicht geht und dann aber auch wieder die Kernintention von Arthouse-Kino ist - raffiniert, aber gefällig.

Schweiger möchte damit die Kritiker verwirren, die von der Form abgelenkt sich wieder dem Inhalt zuwenden müssten und wieder Filme besprechen würden statt kultureller Positionen.

Die Idee hat was und Dr. Andreas Kramer vom HDF hat sie gleich noch ein Stück weiter getrieben: Warum nicht auch vom Artplex und vom Multihouse sprechen?

Wie Sie wissen, bin ich der Letzte, der dafür ist, Programmkino zu verwässern und alles, was sich Kino nennt, in einen Topf zu werfen. Andererseits können wir auch nicht die Augen davor verschließen, dass die Kinogemeinde kleiner wird und dementsprechend enger zusammenrückt. Muss ein gut gemachter Blockbuster erst zum Klassiker ergrauen, bevor er im Programmkino laufen darf? Haben Multiplex-Besucher nicht auch gute Filme verdient? Kann ein Großkino sich nicht ohnehin einen kleinen Film viel eher leisten, und bräuchte ein kleines Kino nicht auch mal mehr Geld in der Kasse? Trägt man mit einem Filmaustauschprogramm nicht auch dazu bei, dass das Publikum etwas anderes kennenlernt?

Vielleicht müssen wir uns wirklich wieder einer pluralisitschen Filmkultur zuwenden - innerhalb der Mauern eines Kinos. Natürlich müssen dann auch die Kinos, die diesen Weg gehen - es müssen ja beileibe nicht alle sein - diesen Wandel mittragen. Ein Multiplex, das auch anspruchsvollere Filme zeigen möchte, sollte auch einem anspruchsvolleren und älteren Publikum entgegenkommen, weniger laut, weniger bunt und persönlicher in der Ansprache. Und manches Arthouse-Kino könnte mit Popcorn und James Bond auch ein paar Jüngere anlocken, denen dann der Trailer für "Die Band von nebenan" gefällt. Wer weiß.

Arthouse wäre dann nur der erste Schritt der Annäherung von Programmkino und Mainstream gewesen, und bald werden sie aus dem Boden schießen, die Popcorn-Studios, Filmkunstcenter, Programmplexe und Artpaläste. Das muss ja nicht gleich zu Auswüchsen wie in der Automobilbranche führen, wo sich vom Sportgeländewagen über den angeblichen Ökotruck bis zum Einkaufsrennwagen bald alles gekreuzt hat, was Räder hat.