1926 besuchte Peter Panter alias Kurt Tucholsky das noch junge Studio des Ursulines in Paris, ein Avantgardekino.
"Es war [...] der in Deutschland schon bekannte ›absolute‹ Film des Malers Ruttmann auf dem Lichtspielplan – und dazu gab es gratis einen herrlichen Radau. Es ist nicht zu glauben, wie einfache Linien und Farbflecke, Spiralen und drehende Kreise eine Menschenmenge so zum Überkochen bringen können. Die Leute pfiffen und sangen und schrien, manchmal fragte einer: »Est-ce qu'il y a quelqu'un qui comprend?« und dann antworteten wieder die andern; »Wer das nicht versteht, braucht ja nur hinzusehen!« und so ging das unter mächtigem Krach eine schöne Viertelstunde. Ohrfeigen waren nicht gefragt, Hinauswürfe unter Pari. Besonders herzlich und dumm lachten die anwesenden Damen – und die allgemeine gute Laune kam erst wieder, als ein alter Verbrecherfilm gezeigt wurde, in der der alles verloren habende Spieler in Monte Carlo mit einem zu kleinen Hut und wilden Gesten ans Meer stürzt und dort – halt dir feste! – einen Mann in weißen Hosen niederknallt. Das Verbrechen wird aber entdeckt, als der böse Mann ein herzinniges Mädchen als Braut umärmelt. Die Leute lachten Tränen, und man sollte auch in Berlin einen alten Herzenswunsch von mir erfüllen: alte Filme zu geben. Das ist eine Kurzweil von zehn Minuten, und die Direktoren werden sich die Hände reiben. Mehr wird bei Chaplin auch nicht gelacht." ("Studio des Ursulines", in: Vossische Zeitung, 16.05.1926)
Was lernen wir daraus? Für alten Quatsch sollte man sich nicht zu schade sein; und: wenn man ein bisschen Leben ins Publikum bringen will, braucht man Filme, mit denen man aneckt. Quod erat demonstrandum - auf unserer Kinotour haben wir im Schwäbischen folgende nicht unähnliche Episode gehört: Ein Kinobetreiber veranstaltete regelmäßige Sneak Previews, die sich zwar großer Beliebtheit bei den jungen Erwachsenen erfreuten, die Major-Verleiher sahen die Previews aber zunehmend weniger gern. Also machte der Kinobetreiber aus der Not eine Tugend, dachte sich "ein bisschen Filmbildung schadet denen nix" und stellte die Sneak auf Arthouse-Filme um. Das Publikum reagierte angesichts von "Battle in Heaven" allerdings irritiert, verließ nach kurzer Zeit in Scharen den Saal und drohte dem Vorführer Prügel an, sollte er nochmal mit so einem Film rüberkommen... und da soll noch einer sagen, Kino ginge den Leuten nicht nahe.
"Es war [...] der in Deutschland schon bekannte ›absolute‹ Film des Malers Ruttmann auf dem Lichtspielplan – und dazu gab es gratis einen herrlichen Radau. Es ist nicht zu glauben, wie einfache Linien und Farbflecke, Spiralen und drehende Kreise eine Menschenmenge so zum Überkochen bringen können. Die Leute pfiffen und sangen und schrien, manchmal fragte einer: »Est-ce qu'il y a quelqu'un qui comprend?« und dann antworteten wieder die andern; »Wer das nicht versteht, braucht ja nur hinzusehen!« und so ging das unter mächtigem Krach eine schöne Viertelstunde. Ohrfeigen waren nicht gefragt, Hinauswürfe unter Pari. Besonders herzlich und dumm lachten die anwesenden Damen – und die allgemeine gute Laune kam erst wieder, als ein alter Verbrecherfilm gezeigt wurde, in der der alles verloren habende Spieler in Monte Carlo mit einem zu kleinen Hut und wilden Gesten ans Meer stürzt und dort – halt dir feste! – einen Mann in weißen Hosen niederknallt. Das Verbrechen wird aber entdeckt, als der böse Mann ein herzinniges Mädchen als Braut umärmelt. Die Leute lachten Tränen, und man sollte auch in Berlin einen alten Herzenswunsch von mir erfüllen: alte Filme zu geben. Das ist eine Kurzweil von zehn Minuten, und die Direktoren werden sich die Hände reiben. Mehr wird bei Chaplin auch nicht gelacht." ("Studio des Ursulines", in: Vossische Zeitung, 16.05.1926)
Was lernen wir daraus? Für alten Quatsch sollte man sich nicht zu schade sein; und: wenn man ein bisschen Leben ins Publikum bringen will, braucht man Filme, mit denen man aneckt. Quod erat demonstrandum - auf unserer Kinotour haben wir im Schwäbischen folgende nicht unähnliche Episode gehört: Ein Kinobetreiber veranstaltete regelmäßige Sneak Previews, die sich zwar großer Beliebtheit bei den jungen Erwachsenen erfreuten, die Major-Verleiher sahen die Previews aber zunehmend weniger gern. Also machte der Kinobetreiber aus der Not eine Tugend, dachte sich "ein bisschen Filmbildung schadet denen nix" und stellte die Sneak auf Arthouse-Filme um. Das Publikum reagierte angesichts von "Battle in Heaven" allerdings irritiert, verließ nach kurzer Zeit in Scharen den Saal und drohte dem Vorführer Prügel an, sollte er nochmal mit so einem Film rüberkommen... und da soll noch einer sagen, Kino ginge den Leuten nicht nahe.
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