Freitag, 6. Juli 2007

Der Beschwerden-Melder

Die Nachricht vom Beschwerde-Handy der US-Kinokette Regal ist nicht ganz neu, aber ihr Kuriositätsgehalt verschaffte ihr auch in der ohnehin wenig film-, ganz besonders aber nicht filmtheateraffinen deutschen Presse etwas Aufmerksamkeit. U.a. berichteten die Berliner Zeitung und die Süddeutsche.

Das Konzept klingt erstmal gut: Stimmt im Kinocenter oder Multiplex das Bildformat nicht, ist das Saallicht noch an, der Ton fehlerhaft oder die Klimaanlage ausgefallen - bisher musste man in diesem Fall den Saal verlassen, im Foyer einen der spärlich vorhandenen Mitarbeiter suchen und darauf hoffen, dass dieser weiß, was er zu tun bzw. an wen er sich zu wenden hat, damit der Fehler möglichst schnell behoben werde. Es sei denn, man gehörte den ca. 95% Laien im Saal an, die davon ausgehen, es sei ein Projektionist zugegen, der den Fehler selbst bemerkt oder zumindest durch Rufen darauf aufmerksam zu machen sei. Das ist kein Vorwurf an die Laien, aber es zeigt den Unterschied, der heute zwischen der Realität des Kinos und seiner Wahrnehmung besteht. In Zukunft also soll man nicht mehr dem Nebenmann auf die Füße treten und einige Minuten des Films verpassen müssen, sondern es genügt, einen Knopf auf einer Fernbedienung zu drücken, sodann soll sich ein Mitarbeiter des Hauses des Problems annehmen.

Zur Auswahl stehen die Buttons "Bild", "Ton", "Piraterie" und "Sonstige". Diese Auswahl erscheint etwas unüberlegt. Sehen wir mal von Scherzkeksen ab, die während der Fluch-der-Karibik-Vorführung fortwährend den Piraterie-Button drücken, so haftet diesem sicher etwas von Denunziantentum an. Warum außerdem sollen Zuschauer Aufgaben des Kinopersonals übernehmen? Fragen wirft auch die Option "andere Störungen" auf, die sich hauptsächlich auf das Mitpublikum erstrecken. Nur ein Gerät pro Saal soll ausgegeben werden, und zwar an Mitglieder des Regal-Premium-Kundenclubs, berichtet Blickpunkt:Film online. Da handelt es sich dann zumindest, so darf man hoffen, um regelmäßige Kinogänger, die auch beurteilen können, wann Bild oder Ton verbesserungsbedürftig sind. In bezug auf das Mitpublikum sind aber Unstimmigkeiten vorprogrammiert, je nachdem, ob man den regelmäßigen Toilettenfrequentierer und das tuschelnde Pärchen schon oder die grölenden Kids in der letzten Reihe noch nicht als störend empfindet. Die Alternative, jedem so ein Ding in die Hand zu geben, stelle ich mir ungefähr so vor wie die Aggressionstherapie, die die Simpsons bei Dr. Marvin Monroe absolvieren: sie disziplinieren sich solange gegenseitig mit Stromschocks, bis das Netz zusammenbricht.

Klingt weit hergeholt? Thomas Schärer schreibt in Xenix - Kino als Programm über eben jenes Zürcher Kino:
"Nur wenige Neuerungen erwiesen sich als unpraktikabel, beispielsweise Stehlampen im Kinosaal, an denen individuell für Dunkelheit gesorgt werden konnte, weil der zentrale Lichtschalter in der Operateurkabine für undemokratisch befunden wurde."
Ist der Kinosaal ist noch nicht reif für Demokratie?

Wird der Mecker-Funk auch in deutschen Kinos eingeführt, wünschen wir uns also nur die Knöpfe "Bild", "Ton", "Temperatur" und "Pinguin", denn letzteren hätten wir während einer Preview zu "Die Reise der Pinguine" gerne betätigt. Die plärrend über die Sitzreihen hinwegtobenden Grundschülern ("andere Störungen") waren durch einen angemessen groben Tonfall in den Griff zu bekommen, den Kinomitarbeiter im Plüschpinguinkostüm, der mitten in der Vorstellung durch den Saal torkelte (vermutlich als perfide getarnter "Piraterie"-Sheriff unterwegs) hätten wir aber nur zu gerne "weggedrückt".

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