Sonntag, 28. Februar 2010

Der Turm(ab)bau zu Frankfurt

CineStar leitet schonmal das schleichende Ende des Turmpalasts ein und übernimmt dessen Originalversionen ins Programm des Metropolis. Die Stadt zeigt sich inzwischen etwas unentschlossen, was den Umgang mit dem Thema angeht.

Der Eigentümer der Immobilie ist entschlossen, das Geld für eine Sanierung nicht aufzubringen - nachvollziehbar, den um aus dem Turmpalast wieder ein Top-Kino zu machen, müsste man eigentlich alles entkernen und bei null anfangen. Die Lage wäre reizvoll für ein Kino, mit dem Metropolis direkt nebenan und den E-Kinos in Gehweite ist die Strecke zwischen Hauptwache und Eschenheimer Tor geradezu eine Kino-Meile. Heutzutage undenkbar, vor allem, da sich das Programm nicht unterscheidet. In dieser Zange konnte der Turmpalast bisher nur durch seine Originalversionen überleben - und für die ist ja offenbar auch im Metropolis Platz.

Das vorgelegte Konzept zur Neubebauung scheint aber nicht so richtig anzukommen. Der Verlust des Kinos ist wohl leider nicht der vorrangige Grund dafür, sondern eher verworrene Eigentumsverhältnisse und widersprüchliche Planungen.

Der FAZ ist es hoch anzurechnen, dass sie das Thema auch in einem zweiten Artikel in eine stadtplanerische Perspektive rückt. Soviel Ganzheitlichkeit wird Filmtheatern meist nur noch in kleinen Städten zuteil.

Im Turmpalast ist die Vorführung so desolat wie eh und je. Fallen Ton oder Bild in den ersten zwanzig Minuten aus, gibt es das Geld zurück. Da weiß man schon nicht mehr, ob es Horror oder Kult ist.

Von nix kommt nix

War kürzlich mit einem Freund in Aschaffenburg bummeln, da durfte ein Blick ins Casino nicht fehlen. Schon der erste kurze Eindruck bestätigte die hohe Meinung, die man landauf, landab von diesem Kino hat: Schön hergerichtete Fassade (siehe auch die Bilder "Das alte und das neue Casino" auf der Homepage), im Foyer ein schicker Coffee Shop, der auch unabhängig vom Kino einlädt und an einem normalen Samstag mal eben sieben Vorstellungen in zwei Sälen. Die Projektion, habe ich mir sagen lassen, soll sehr gut sein. Das Haus vereint alte und neue Architektur - es gibt einen modernisierten klassischen Saal und einen neu hinzugekommenen, die Fassade wurde aufgepeppt, der Zugang zum Projektionsraum hat aber immer noch den ursprünglichen Außenzugang. Alles sehr gelungen. Kein Wunder, dass das Casino im Dezember vom FFF als bestes Kino Bayerns ausgezeichnet wurde.

Sonntag, 21. Februar 2010

Neue Kinos braucht das Land

Sehr stark: in Würzburg ist eine Initiative am Start, die sich für den Erhalt bzw. die Wiederbelebung eines Programmkinos einsetzt. Ins Auge gefasst wird die Gründung einer Genossenschaft. Klar, dass der unermüdliche Ritter Friedrich vom Aalener Kino-Orden dazu was zu sagen hat. Siehe dazu den Lokal-TV-Beitrag als Bewegtbild auf TV Touring. Der Stand der Dinge lässt sich verfolgen im Blog programmkino-wuerzburg.de .

Ist ein Arzt im Saal?

Die hier sind nach dem Exbundeskanzlerprinzip definitiv reif für den Doktor: Wanaka movie theatre. Ziemlich genau so würden wir uns ein Kino vorstellen, in dem man den ganzen Abend verbringen kann und möchte. Gut, bei der Einrichtung haben wir vielleicht einen etwas anderen Geschmack. Aber wie der Rheinländer sagt: jeder Jeck ist anders.

Ab zum Arzt

Vergangenen Sonntag wurde bei den Berlinale Keynotes vier Stunden über die Zukunft des Kinos diskutiert. Wer wie ich nicht die Gelegenheit oder das Sitzfleisch hatte, die Diskussion live im Internet zu verfolgen, kann das jetzt häppchenweise auf der Homepage der Berlinale tun.

Ich bin gespannt, ob Helmut Schmidt ein paar von den Leuten wegen Visionen zum Arzt geschickt hätte.

It's the content that counts?

Heute endet die 60. Berlinale, und reflexhaft hat sich die Presse zu diesem Anlass wieder mit dem Wesen des Kinos auseinander gesetzt, was die üblichen Blüten trieb.

Die FAZ macht dabei besonders muntere Kapriolen. Am 10. Februar läutete sie die Festspiele mit einem einseitigen Artikel über Dominik Grafs Fernsehmehrteiler (!) "Im Angesicht des Verbrechens" ein. Man muss der FAZ zugute halten, dass sie sich selbst ein bisschen darüber wundert, das klingt dann so:

"500 Minuten Spielfilm, verteilt auf zehn Folgen, in den Dimensionen eines Kinofilms [...] (in jeder Hinsicht: Drehzeit, Geld - inkluvise der Insolvenz einer beteiligten Firma während der reharbeiten -, Sorgfalt, Personal), produziert fürs Fernsehen, uraufgeführt bei einem der drei großen Filmfestivals der Welt, nämlich [...] im Rahmen der Berlinale im Delphi Kino - was ist das?

Eine deutsche Eigenart, so viel ist sicher, die sich der Tatsache verdankt, dass in einigen öffentlich-rechtlichen Fernsehredaktionen [...] noch Redakteure sitzen [...], die ebenso wie der Regisseur Dominik Graf daran glauben, dass man fürs Fernsehen ganz wunderbares Kino machen kann. TV-Kino nennt Graf das, aus den Kinos verschwunden zugunsten von Kino-TV mit seinen halbnah im trüben Licht aufgeblätterten Geschichten und flachen Gestalten, die uns immer an dieselben Punkte führen, wie wir das so oft beklagen."

Den kleinen Seitenhieb, dass im Kino sowieso kein gutes Kino mehr stattfindet und man deswegen gleich was Vernünftiges im Fernsehen schauen kann (?), stecken wir erstmal noch weg.

Aber, weiterlesend, entdecken wir, dass am 8. Februar bereits der obligatorische Abgesang veröffentlicht wurde. "Wie lange wird der Film das Kino noch brauchen?" fragte ein bekannter Filmjournalist und den folgenden Absätzen war zu entnehmen, dass er diese Frage für eine rhetorische hält: Der Film habe sich längst vom Kino emanzipiert. Dass sich zur Aufführung im Filmtheater inzwischen mehr als eine alternative Aufführungspraxis entwickelt hat (wenn man bei den Alternativen denn von Aufführung sprechen will), lässt sich nicht leugnen, wegdeuteln oder -diskutieren. Man muss darin auch nicht den Untergang des Abendlandes oder der Kinematographie sehen (kann es allerdings). In der reinen Verfügbarkeit anderer Möglichkeiten eine Emanzipation zu sehen, erscheint mir aber doch einigermaßen gewagt. Theaterstücke können Sie auch im Fernsehen sehen. Hat sich das Drama deshalb von der theatralischen Aufführungspraxis emanzipiert? Die Omnidisponibilität von "content" (Film, Text, Musik,...), deren aktuellstes Beispiel die neuen eBook-Lesegeräte sind, ist kein Ergebnis von Emanzipation des Inhalts. Sie hat nur etwas mit Konsum und Verkaufen zu tun. Elektronikkonzerne entwickeln rastlos neue Geräte, deren einziger Nutzengewinn ist, "content" nun auch an Stellen zu konsumieren, wo dies bisher nicht möglich war. Ich sage das ohne Wertung, denn auch ich erfreue mich an meinem Smartphone mit Datenflatrate. Aber, lieber Herr A., das ist keine Emanzipation, es ist das Schicksal des Werks im Zeitalter seiner techischen Reproduzierbarkeit. Da sind Sie der Kulturindustrie gehörig aufgesessen.

Einschränkend muss man allerdings zugeben, dass viele Filme heute nicht mehr das Filmtheater als primäre Aufführungspraxis im Blick haben, sondern den Aftermarket. Aber auch da geht es eben nur ums Verkaufen. Bei diesen Werken, die nicht mehr so richtig fürs Kino gemacht wurden, spielt es vielleicht tatsächlich keine so große Rolle mehr, ob sie dort stattfinden. Viele von ihnen werden ohnehin nur noch als digitales Video projiziert und sind somit nur noch reiner content ohne jede Körperlichkeit. Denn auch der Film hat im Zuge des technischen Fortschritts seine Reproduzierbarkeit bedeutend gesteigert. Diese Entwicklung könnte man eher als Emazipation gelten lassen - dass es dem Filmwerk nach über 100 Jahren endlich gelungen ist, sich von der Krücke des Nitro-, Acetat- und Polyestermaterials zu lösen und seine intendierte technische Reproduzierbarkeit zu vervollkommnen.

Im Gegenzug entsteht eine Bewegung von Verehrern der materiellen Substanz, die Freude am Alten, Seltenen, nicht Omnidisponiblen haben. "Zelluloidfetischisten" hat mich und meinesgleichen ein verständnisloser Soziologe einmal genannt. Zu besonderen Anlässen greift dieser Fetischismus auch einmal unter Videorezensenten um sich, etwa, wenn weitere Minuten (richtiger: Meter) von "Metropolis" erjagt wurden und wir einmal mehr das Werk Metropolis feiern, wie wir es noch nie gesehen haben. Wäre der Film so schrecklich emanzipiert, wie oben behauptet wurde, könnten wir das ja dann kollektiv auf Smartphones streamen anstatt mit einem Mordsbrimborium das Werk halbwegs so aufzuführen, wie es einmal gedacht war: auf Film, im Dunkeln, vor einer gesichtlosen Masse, mit musikalischer Begleitung. Werken hat es bisher noch immer gutgetan, sich mit ihnen im Rahmen ihrer intendierten Aufführungspraxis auseinanderzusetzen. Leider schätzen das heute nur noch wenige, oder nur zu ausgewählten Gelegenheiten. Praktisch gesehen gäbe es ja keinen Grund mehr, sich stundenlang in die Kälte zu stellen, um im Städel die Botticelli-Ausstellung zu sehen. Sie können die Bilder doch auch irgendwo anders auf dem Smartphone anschauen.

Dankenswerterweise hat sich dann doch noch jemand wirklich mit dem Kino beschäftigt und der FAZ ein Porträt des Kinos International in Berlin geschrieben. Dort ist zwar auch nicht mehr alles, wie es mal war, aber das ist der Lauf der Dinge. Immerhin lädt der Ort offenbar zu etwas Filmtheater-Archäologie ein. Mein Tipp für den Sonntag abend: gehn Sie in ein Kino, das Sie schon lange kennen oder das es schon lange gibt, suchen Sie dort nach dem Ort, der es einmal war, den Sie in Erinnerung haben oder der es vielleicht immer noch ist. Sie sind dabei in guter Gesellschaft, irgendwo da draußen suchen ein paar Leute die letzten rund 140 Meter von Metropolis, wie es einmal sein sollte.