Montag, 15. Juli 2013

Tod und Sterben in L.H.

Gerade erst freut man sich noch über diese seltenen Momente des Glücks, in denen man erfährt, dass ein Kino erÖFFNET hat: So geschehen vor wenigen Monaten in Frankfurt am Main. Und es ist sogar ein Luxuskino!

Oder über die überraschende Neuigkeit, dass ein Kleinstadtkino mit nur einem Saal es schafft, die Digitalisierung und damit sogar den 3D-Zauber vor die Tore der Großstadt zu bringen. Zartfühlenderweise hat man dort sogar den guten alten 35mm-Projektor als Ausstellungsobjekt belassen, um auch mit jenen Frieden zu schließen, die ob des analogen Abschieds ein bisschen weinen wollen.

Doch plötzlich: Da ist er wieder, der gute alte Hiob. Wie die Dreieich-Zeitung am Sonntag mitteilte, schließen Ende August die Langener Kinos. Für immer. Obwohl der Betreiber, wie zu lesen ist, in den vergangenen 17 Jahren die Besucherzahl im Jahresschnitt von 10.000 auf 70.000 erhöhen konnte! Und das mitnichten nur mit Mainstream-Filmen, wie sie sonst in den Großstadt-Anrainern zu finden sind, sondern auch mit ausgesuchten Arthouse- und Programmkino-Kunststückchen, zudem mit Motto-Parties (komme zum großen Gatsby in Jordan Baker-Pose und Du erhältst einen Cocktail gratis) und weiteren Attraktionen. Nichts Neues, nichts Ausgefallenes, aber etwas, das die Leute wohl begeisterte.

Und nun: das Aus. Natürlich ist es mal wieder: die Mischung aus schnödem Mammon und Technik. Die Umrüstung auf das Digitalformat steht an, Renovierungsmaßnahmen werden nötig... Immerhin: FFA und EU wollen knapp die Hälfte der benötigten 1,5 Millionen Euro beisteuern - was jedoch an die Bedingung geknüpft ist, den Nachweis zu erbringen, dass die Kinos noch mindestens zehn Jahre Bestand haben. Zehn Jahre? Nachweis? Liebe Kinobesitzer, ist so etwas überhaupt möglich???

Verschwende Deine Jugend

Jedenfalls kommt die unerwartete - und vielleicht dann auch wieder nicht ganz so überraschende - Antwort des Betreibers aus einer ganz anderen Richtung. Das Geld hätte aus der eigenen Tasche fließen müssen (können), "...und das konnte ich aus Verantwortung meiner Familie gegenüber nicht." Wir wissen aus eigener Anschauung: Kinomachen speist sich immer aus Herzblut, aus Leidenschaft, Seele und Selbstaufopferung. Der Kinomacher ist heute 45 Jahre alt. Die Kinos führt er seit 17 Jahren. Danken wir also einem Kinomenschen, der als junger Mann Mut bewiesen hat, der es geschafft hat, sich ein echtes Standing, auch den Verleihern gegenüber, aufzubauen, und der den Tod seiner Kinos nun mit einem zweiwöchigen Festival Festival - ja, was denn: betrauert? feiert?

Das Kino ist tot - es lebe das Kino!!

Mittwoch, 1. Mai 2013

Sag' mir wo die Rädchen sind...

...wo sind sie geblieben? Filmvorführung ist und bleibt für mich etwas zutiefst mechanisches. Nach dem heutigen Kinobesuch zeichnet sich für mich aber ein Bruch ab.

Selbst ein Staddteil-Kino wie die Neue Filmbühne in Bonn-Beuel führt mittlerweile digitale Filmkopien vor. Das kommt ein bisschen plötzlich für mich, nach den angestrengten Debatten über die Finanzierung des neuen Equipments, die in den letzten Jahren geführt wurden, hatte ich das nicht so plötzlich erwartet.

Die Bildqualität ist ganz ausgezeichnet, Filme lassen sich so vorzüglich genießen. Für meinen Geschmack ist das elektronisch projizierte Bild etwas steril im Dispositiv des Kinosaals, das ist wohl eine Frage der Gewohnheit. Aber wie seltsam ist es doch, in einem Kinosaal zu sitzen, der über einen Holzfußboden

-- an dieser Stelle ein kurzer gedanklicher Einschub: Kinos mit Holzfußböden gibt es nun wahrlich nicht (mehr) viele, spontan fällt mir nur Marias Kino in Bad Endorf ein, und wenn ich mich recht entsinne, die Kur-Lichtspiele in Hennef --

der also über einen Holzfußboden verfügt, und in dem ein ausrangierter 35mm-Projektor als Dekoration dient, und eine digitale Projektion zu sehen?

Gleichzeitig verzichtet man bei der Projektion nun auf den Leinwand-Kasch, denn die Ränder des Bildes sind ja eh so klar abgegrenzt (es gibt Menschen, die das auch über die Masken ihrer Filmprojektoren behauptet haben, aber das führt nun zu weit ins Anekdotische).

Und dann ist es noch der neue Film von Giuseppe Tornatore, der einst mit Cinema Paradiso dem Filmtheater ein Denkmal gesetzt hat, und der in diesem Film The Best Offer an einigen Stellen der Mechanik huldigt - wobei man den Eindruck hat, er würde Hugo Cabret ein wenig recyceln.

Der Kontrast ist für mich umso stärker, da ich just diese Woche wieder einen (besonders) alten 16mm-Filmprojektor vor mir hatte, und versuchte, ihm ein paar lebende Bilder zu entlocken. Daran trotz Verständnisses der Mechanik und einer rudimentären Übung zu scheitern, führte mir einmal mehr vor Augen, warum es einmal "Projektionskunst" hieß. (Ich rede mir natürlich gerne ein, dass das Mitte der 1980er Jahre zuletzt gewartete und vermutlich fast ebenso lange nicht betriebene Gerät vielleicht doch die eine oder andere mechanische Unzulänglichkeit aufwies, so dass wir die Schuld an der Beschädigung der Testkopie unter uns teilen dürfen.)

Nun muss ich erstmal grübeln - ist das der Lauf der Dinge oder einfach fauler Budenzauber wie beim "Original Kaiserzeit-Kinematograph"

Montag, 25. Februar 2013

Möchten Sie ablegen?

Wie lange haben wir darauf gewartet: die Garderobe ist zurück im Kino. Streng genommen schon länger, aber jetzt sind wir auch in Frankfurt endlich in den Genuss einer "Astor Filmlounge" gekommen und konnten auf die Suche nach dem Gefühl gehen, das Kino vor 60 Jahren vielleicht einmal war.

Das Konzept ist gelungen: das Kino liegt im Herz der Stadt, mitten an der Fußgängerzone, statt eines popcorndurchwehten Foyers gibt es eine schön gestaltete Lounge mit Bar, und der Saal verströmt Großzügigkeit.

Der Besuch läuft so ab:

Zunächst passiert man den "Doorman". Der trägt zwar Livree und Handschuhe, ganz wie man sich das vorstellt, aber anders als in der Phantasie vom Kino als Fünfsternehotel hält er einem nicht mit vornehmer Geste die Tür auf, sondern entpuppt sich als aus einem Verschlag nickender Grüßonkel, dem man wünschen würde, ein animatronic zu sein, und der sich das selbst wahrscheinlich auch wünscht. Die wundervolle Geste daran: so viel Verschwendung haben wir lange nicht gesehen.

Ein Aufzug enthebt einen über die Dächer des niedriger gebauten Teils der Stadt und durch eine etwas glücklos gelöste Eingangssituation gelangt man in den Loungebereich mit Kasse, Garderobe und Bar. Freundlichkeit des Personals, Publikum und Atmosphäre entsprechen nun nicht gerade dem Maître, der den Herrn im Cut zu seinem Tisch geleitet, heben sich aber doch wohltuend von der Kino-Gewohnheit ab. Uns war es nur zu laut und zu voll für eine ganz gelungene Atmosphäre.

Die Garderobe ist gerade im Winter eine nicht zu überbietende Genialität und im Preis inbegriffen, ebenso wie ein Begrüßungsdrink, der in unserem Fall (aus verlässlicher Quelle hört man, es soll auch anderes vorkommen) zwar optisch ansprechend, in der Degustation aber ein eher anspruchsloses Gemüt verlangte.

Die Freude eines Platzanweisers wurde uns nicht zuteil, doch der Eintritt in den früheren IMAX-Saal macht einen auch ohnedies staunen. Die Verwandlung ist vollkommen und der Retro-Look gelungen, ohne übertrieben geraten zu sein. Die wippenden Sitzmöbel, Lämpchen und Tische bereiten Vergnügen, ebenso die Speisen- und Getränkekarte. Die Gerichte sehen ansprechend aus (probiert haben wir sie nicht) und sind preislich angesichts der logistisch ungünstigen Situation durchaus angemessen. Das kann man auch über die Cocktail- und Weinpreise sagen. Wer die hochpreisigen Francis-Ford-Coppola-Weine für einen Gag hält: wir haben aus Daffke mal einen solchen in einem der besten Steakhäuser San Franciscos getrunken und waren ausgesprochen angetan. Und wir nehmen für uns in Anspruch, das beurteilen zu können. Gleiches gilt für höherprozentige Mischgetränke, und die dargereichte Variation eines Long Island Ice Tea ohne Cola, dafür mit Tee-Essenz, war eine erfreuliche Abwechslung. Ein Vorschlag: auf der Karte fehlt ein Vodka Martini. Der macht sich immer gut, besonders in der Umgebung schwerer Vorhänge und der Erinnerung an die Filmgeschichte.

Die zahlreichen Servicekräfte, die sich treppauf und treppab und durch nicht zu eng bemessene Sitzreihen bewegen, sind zweifellos das stärkste Argument für die höheren Preise, und man darf hoffen, dass es sich nicht um "Einführungspreise" handelt. Die Zahl der dienstbaren Geister legt die Befürchtung durchaus nahe.

Die Lichtshow vor Filmbeginn gehört wieder zu jenen Details, bei denen man das Gefühl hat, dass ein gut gedachtes Konzept nicht bis zu Ende ausgeführt wurde. Wir jedenfalls fühlten uns durch das LED-Farbspiel und die meditative Musik eher in eine Erlebnis-Sauna versetzt. Licht und Ton der eigentlichen Vorstellung waren dafür über jeden Zweifel erhaben. Und wie schön, wenn man zwischendurch mal raus muss und nicht durch drei Popcorneinmer trampelt, eine Cola verschüttet, drei Schmerzensschreie verursacht und einer Person um den Hals fällt, die man sich nicht dafür gewünscht hätte.

Unser Gefühl, dass die Auswahl passender Filme für dieses Ambiente nicht so einfach sein dürfte, bleibt bestehen. Aber wir können uns eine Kategorie von Werken vorstellen, für die wir dieses Filmtheater (diese Bezeichnung erscheint einmal wieder passend) anderen Abspielstätten ohne Zögern vorziehen würden. Auch der Gedanke an Live-Opernübertragungen scheint zum erstenmal nicht mehr so abwegig wie bisher. Wenn auch die dafür aufgerufenen Preise das reflexartige Entfleuchen einer einzelnen Augenbraue verursachen können.

Alles in allem hat man den Eindruck, dass die nicht mehr ganz junge und schon immer etwas halbseidene Dame Kino sich der besten ihr zur Verfügung stehenden Manieren befleißigt und tüchtig Puder aufgetragen hat. Das macht noch keine Grand Dame, aber auf jeden Fall jemanden, dem wir unseren Mantel wieder anvertrauen würden.