Montag, 28. Juli 2008

Im Wald der Wörter

Auf einem südfranzösischen Markt haben wir eine interessante Entdeckung gemacht: dort wurden sowohl Foto- als auch sogenannte "Digigraphien" angeboten.

Aha: ein eigener Begriff für die Bildaufzeichnung mit digitalen Geräten? Das wäre natürlich ein spannender Ansatz, die technische Genese eines Bildes eindeutig zu halten. Womöglich bezeichnet es aber auch nur eine Fotodruck-Methode von Epson.

Im Deutschen bezeichnet das Wort außerdem die digitale Form der Lomographie. Das gefällt mir besonders für die meist nicht sehr ernstzunehmende, aber von Anlass zu Anlass unverzichtbare Handyfotografie. Immerhin ein guter Teil der "Entdeckungen", über die wir hier und da berichten, konnte nur mittels einer solchen festgehalten werden.

Natürlich denkt man einen Schritt weiter und fragt sich: muss es auch für Kino auch ein solches Wort geben, das zwischen traditionellen Kinos und digitaler Projektion unterscheidet? Erste Schwierigkeit ist dabei, dass "Kinematographie" zunächst einmal nur die Aufzeichnung von Bewegung bedeutet und Kino gemeinhin die Projektion bewegter Bilder in einem dafür vorbereiteten Raum bezeichnet. Von der für die Projektion verwendeten Technologie ist keine Rede. Nicht umsonst wird zwischen Franzosen und Deutschen heiß diskutiert, ob das Bioskop der Skladanowskys nun eine Kinomaschine im Sinn des Cinematographe Lumière ist oder nicht. Immerhin hängt davon ab, wem die Ehre der ersten Kinovorführung gebührt.

Impliziert "Kino" also die 35mm-Projektion und nur "D-Cinema" steht für die digitale Projektion im dunklen Saal? Im Allgemeinverständnis wohl kaum. Und das Wort "Filmtheater" haben sie uns auch schon geklaut und auf alle Kinos angewendet (was ja ursprünglich auch mal irgendwie stimmte). Während "Kino" mittlerweile schon alles vom Fernseher über den Computer bis zum Mobiltelefon bezeichnen darf, wenn es nach ein paar Werbefuzzis geht. Während man mit dem Satz "Ich war im Filmkino" wahrscheinlich für jemanden mit einem drolligen ausländischen Akzent gehalten wird.

Wie zum Teufel ist diesen Leuten damals gelungen, den genauso missverständlichen Begriff "Programmkino" zu etablieren und dafür zu sorgen, dass die meisten immerhin eine vage Vorstellung von dem haben, was dort passiert?!

Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt...

... wir steigern das Bruttosozialprodukt. Wer bisher seine Augen dem Umstand, dass die Filmbranche einen guten Teil des Personals des sogenannten Prekariats stellt, verschlossen halten konnte, darf sich mal durchlesen, was das Babylon Mitte mit seinen Mitarbeitern treibt... hier und hier.

Und da erwarten wir eine perfekte Projektion und "ein paar schöne Stunden"?

Das Kino ist unser Zuhause

Mit einer furiosen Feier wurde Heide Schlüpmann von Ihren Freunden, Kollegen und Adepten aus dem Universitätsbetrieb verabschiedet.

Endlich mal wieder ein Anlass, das Mal seh'n zu besuchen und in allerschönster kinofamiliärer Atmosphäre Filme zu sehen, die man beim besten Willen nicht versteht - aber das tut man bei Kunst ja häufig nicht. Und bei uns kommt noch als mildernder Umstand hinzu, dass wir lebensumständebedingt ein bisschen ignorant geworden sind.


In herrlichster Open-Screening-Atmosphäre steht da Helga Fanderl auf einem Stuhl und bedient höchstpersönlich einen Super8-Projektor, der auf einer gewagten Konstruktion aus einem Cafétisch, einem Stuhl und einer Filmkiste thront, genannt der Deller'sche Turm und ebenso oscarwürdig wie der Burth'sche Teller. Ein Foto müssen wir leider schuldig bleiben, weil das mitgeführte Fotogerät nicht ansatzweise gegen die sehr lobenswerte Dunkelheit eines guten Kinos ankam. Eric de Kuyper brachte einen seiner Filme auf Video mit, weil er keine Kopie findet und Karola Gramann nötigte Eunice Martins und Maud Nelissen, ein elektrisches Klavier anzufassen. Also bitte, wenn da mal keine Szenenapllaus vorprogrammiert war!

Für Nicht-Familienmitglieder wird der Anlass mit einer Festschrift gewürdigt - pardon, keiner Festschrift, denn eigentlich ist das in diesem Fall was ganz anderes. Sie ist im Stroemfeld-Verlag erschienen und ganz unbedingt lesenswert.

Samstag, 26. Juli 2008

Im Kino Größenwahn?

Wolfram Weber ist der zur Zeit wahrscheinlich optimistischste Kinomacher überhaupt. Ausgehend vom Erfolg des Cinecittà, eines der erfolgreichsten Multiplex-Kinos in Deutschland, startete er eine Eroberungstour durch aufgegebene IMAX-Kinos (Dresden, Frankfurt, Weimar, Würzburg) und belebte zu diesem Zweck einen Filmverleih wieder. Nebenbei ist er der early adopter des digitalen Kinos schlechthin. Wo auch immer er einen Kinosaal in die Finger kriegt, steht innerhalb kürzester Zeit eine D-Cinema-Maschine drin. Sehr bevorzugt ein 3D-fähiges Gerät, das ist nämlich gleich seine nächste Leidenschaft. Im Cinecittá ließ er sogar ein MAD-System mit hydraulischen Sitzen installieren. Think big.

Wer jetzt dachte, die nächste Steigerung könnte eigentlich nur Kino in der Achterbahn sein, hat sich getäuscht. Das wäre ja lahm. Nein, die Webers haben sich vorgenommen, das Grindel in Hamburg zu retten. Dazu wird ein zweistelliger Millionenbetrag gebraucht. Rund 3 Millionen sind nach offiziellen Informationen schon zusammengekommen, der Rest sollte tunlichst bis Anfang August 2008 im Sack sein, sonst kommt der Bagger.

Ein genialer Geschäftsmann, ein naiver Zukunftsgläubiger oder ein unverbesserlicher Kinofreak? Schwer zu sagen, muss man abwarten. Gut für das Kino ist es allemal. Wir wünschen viel Erfolg!

Samstag, 12. Juli 2008

RGB

Nicht jeder Kinobesucher ist den neuen Medien gegenüber aufgeschlossen. Erst recht nicht, wenn er so niederschmetternde Nachrichten liest wie jene über die erste deutsche Web-Soap, die auf MySpace stattfindet: Je fünf Minuten über junge Frauen, die nicht wissen, was sie wert sind, und das in möglichst vielen verschiedenen Fäkal-Worten ausdrücken. Das eigentlich Schockierende daran: Dieses Format soll für die Zuschauer Realität und Fiktion verschwimmen lassen, was so gut funktioniert, daß die Serien-Charaktere bereits Fanpost bekommen. Und ich dachte, es wäre ein schlechter Scherz, als es hieß, jemand habe mal an Dr. Brinkmann aus der Schwarzwaldklinik geschrieben. Lange Rede, kurzer Sinn: Umso erfreulicher, daß es auch junge Erwachsene gibt, die kreativ mit neuen und alten Medien umgehen, und nicht nur konsumieren, sondern uns zum Konsumenten machen.

Wir wurden netterweise auf den Kurzfilm "KRWLNG" hingewiesen, den Dennis Rehner und Fabian Kunz zusammen produziert haben. Falls jemandem der Titel bekannt vorkommt: Ja, das Geschehen ist untermalt vom neuen Song von Linkin Park. Aber diese knapp sieben Minuten Film sind im besten Sinne kein Videoclip. Verzichtet wurde auf eine Kopie der schnell vergessen machenden VIVA-Bilder, stattdessen: Eine in ein wenig verstörendes Grün getauchte kurze Erzählung, die geschickt gedreht erstaunlich viel Lokalkolorit vermittelt. Wie man erfahren kann, hatte der Film sogar bereits in einem Kino Premiere, auf Anfrage ist er auf DVD zu erhalten. Das nächste Projekt ist bereits angekünigt, und die Nachwuchstalente haben sich großes vorgenommen, ein Spielfilm soll's nächstes Mal sein. Wer mag, kann sich hier selber eine Meinung bilden. Fanpost erwünscht - aber bitte an die echten Jungs!