So stand es schon 1969 in der Dichter-Studie: Fernsehen ist die kleine Lösung. Die man nimmt, wenn Ehemann und Ehefrau nicht in der Lage sind, sich auf einen Kinofilm zu einigen, in den man geht; die man nimmt, wenn keine Zeit ist; die man nimmt, wenn kein Geld da ist.
Es ist eine kleine Lösung, für die ich, auch wenn sie nicht „das Wahre“ ist, heute auch mal Partei ergreifen will. Immerhin, mein Interesse für Filme wurde im Fernsehen geweckt. Mit ungefähr 18 sah ich Das lange Elend (The Tall Guy) auf 3sat. Eine der sehr guten britischen Komödien, und das erste Mal, dass ich dachte, aha, Film ist mehr als Star Wars und Sophia Loren. Letztendlich waren es ein paar Film-, nicht Kino-Erlebnisse dieser Art, die mich dazu bewogen, nicht nur Theater-, sondern Theater-, Film- und Medienwissenschaft zu studieren – mal schauen, man weiß ja nicht, wohin die Reise geht. Bei der Kinofanatikerin Heide Schlüpmann und ihren Verbündeten ging die Reise richtung Kino. Seitdem spielt der Film manchmal eine untergeordnete Rolle – soweit das überhaupt geht, denn das schönste Filmtheater hilft nichts, wenn der Vorhang zu und die Leinwand weiß bleibt.
Wir Filmtheaterfreunde (ich will nicht von Fetischisten reden) sprechen gerne verächtlich vom Fernsehen. Nicht ganz zu Unrecht, aber manchmal muss man das Bild auch gerade rücken, so wie mit den „bösen“ Multiplexen, die ja auch ihr Gutes haben. Im Zweifelsfall würde ich mich eher für ein x-beliebiges Plex entscheiden als in ein fraghaftes Center zu gehen. Bei der qualitativen Bandbreite an Centern kann „Multiplex“ schon ein Qualitätsversprechen sein – hat vielleicht kein Flair, wird aber schon ganz in Ordnung sein, das Bild groß und die Sitze bequem.
Beim Fernsehen ist es so: wenn man sich dessen bewusst ist, worauf man sich einlässt, kann man es schon riskieren. Einen Film anhand der Fernsehausstrahlung zu beurteilen ist fragwürdig. 2001 etwa ist ein kreuzdämlicher Film, wenn man ihn in der Glotze sieht. Im Kino ist er ein sagenhaftes Erlebnis. Er mag einem immer noch irgendwie schwachsinnig vorkommen, aber die Farben und die Musik blasen einen einfach weg und man hat einen Heidenspaß dabei. Und ein Film, der im Fernsehen funktioniert, wird im Kino wohl auch nicht schlecht sein. Man muss sich halt darüber im Klaren sein, was man sieht: ceci n’est pas une pipe (sondern das Bild einer Pfeife).
Wie ich darauf komme? Ich gehöre derzeit und wer weiß wie lange noch auch zu jener bedauernswerten und von meinesgleichen Kinogeher so gern bespöttelten Klientel, die „keine Zeit“ fürs Kino hat. Sicher, ich knappse mir hier und da am Wochenende was ab, aber täglich wechselnde Programme bereiten mir Kopfschmerzen. Wer um sechs, sieben, acht heimkommt und dann noch seine Hemden bügeln muss und vielleicht einfach noch die Füße hochlegen will, der hat es schwer. Das Kino fordert ein Entgegenkommen von uns, räumlich und sinnlich.
Die letzten Tage nun war ich dankbar, mir von der Konserve DVD-Recorder ein paar Fernseh-Highlights ansehen zu können. Dear Wendy habe ich mir im Kino entgehen lassen. Der Trailer gefiel mir schon, aber die Namen des Regisseurs und des Drehbuchschreibers haben mich dann doch abgeschreckt – schade. Für Ein pikantes Geschenk hätte ich der Beschreibung nach sicher kein Geld ausgegeben. Und wo läuft so ein oller Schinken schon noch. Lina Braake kriegt man sicherlich hier und da zu sehen, wahrscheinlich sogar noch öfter als im Fernsehen. Aber da muss man sich schon wieder ein bisschen drauf einlassen, und das tut man ja doch nicht immer, wenn man sich’s vornimmt.
An allen drei Filmen hatte ich großes Vergnügen, allein schon, weil es in ihnen um Menschen geht, die vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind. Darum geht es ja im Film: zu sein, was man nicht ist, zu haben, was man nicht hat, und zu tun, was man nicht darf. Neunzig Minuten lang.
Ich hatte sozusagen das Kino bei mir auf Besuch. Wenn’s hinhaut, folge ich heute der Gegeneinladung.
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