Sonntag, 14. Oktober 2007

Film mit Führer

Und dann war ich gleich heute mittag nochmal im Kino. Sonntags um zwölf ist eigentlich pervers, vor allem wenn draußen die Sonne scheint und es keine Matinee mit einem "sieht man nie wieder"- oder "sieht man immer wieder gern"-Klassiker ist. Aber um eine andere Zeit zeigte das Kinopolis in Bad Godesberg Leroy nicht.

Ich hatte schon so einen Verdacht, der einizige im Saal zu sein, als ich die Uhrzeit las. Er erhärtete sich, als mir die nette junge Dame an der Kasse "Letzte Reihe Mitte?" anbot. Das ist ein Platz, der kann eigentlich in keiner Filmvorstellung frei sein. Irgendwer sitzt immer letzte Reihe Mitte. Ich hab mich trotzdem für Mitte-Mitte entschieden.

Der Saal sah aus, wie ein Kinopolis-Saal eben aussieht. Tschuldigung. Ist halt so. Der Boden war mit glukosehaltiger Traktionshilfe behandelt, damit man die Bodenhaftung nicht verliert. Der Vorhang war weiß - spannend, gibt einen schönen Effekt, wenn man auf den sich öffnenden Vorhang projiziert. Zur Einstimmung auf den Film dudelte hirnerweichende Soul-Musik auf mich ein, die ihre Wirkung nicht verfehlte: es wurde Werbung gezeigt, ganz exklusiv für mich. Weder habe ich ein Eis gekauft (es kam auch gar kein Eisverkäufer in der automatischen Eispause), noch wurde mein Interesse für Tauchsportzubehör oder den neuen Mitsubishi geweckt. Cola trinke ich schon, und "Lola" von den Kinks fand ich schon cool, bevor es für die Werbung wieder ausgegraben wurde. Aber ich möchte jetzt das Lied aus der Generischen Kampagne haben, das mir nach ungefähr eineinhalb Jahren standhafter Aussetzung langsam wirklich gefällt.

Anschließend bekam ich eine Kostprobe in intelligentem Trailering: Abbitte folgte auf Pornorama. Das ist Projektionistenhumor, den ich schätze. Nicht ansehen werde ich mir außerdem den Weihnachts-Fantasyfilm von BVI und "Knut - der Film" (Königreich/Wunderwelt/irgendwas der Arktis) mit dem wunderbaren Slogan "Die erste Naturdokumentation für Kinder". Aber danke für die Info.

Irgndwann drückten sich dann doch noch zwei Knirpse rein (letzte Reihe Mitte), die gottseidank Nachos mithatten. Deswegen bin ich heute nicht in Ratatouille gegangen: ein "kruntsch-kruntsch" aus vierhundert Mündern als Begleitmusik zu einer Anmiationskomödie über die Haute Cuisine wäre einfach zu viel verlangt gewesen.

Was den Film angeht - hätte ich bloß mal vorher die Kritik auf programmkino.de gelesen. Es war sogar noch schlimmer: die eine Hälfte des Humors, die wirklich zündet (etwa das Erfrischungsgetränk mit Namen "Ghetto Raid", das der Set Decorator am Rande des Geschehens plaziert hatte), kriegt ein Zwölfjähriger noch nicht richtig mit, schon gar nicht, wenn Wörter wie "Antifa" fallen, die andere Hälfte amüsiert schon seinen fünfjährigen Bruder. Tun Pupsgeräusche und Epilierpflaster immer. Außerdem muss ich mir ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Ich bin aus wissenschaftlichem Interesse hier" machen lassen, wenn ich zukünftig Kinder- und Jugendfilme anschaue. Oder einen Fünf-Liter-Eimer Popcorn mitnehmen, den ich mir beim Verlassen des Saals über den Kopf stülpen kann. Denn sich als erwachsener Mensch das Kindersoftporno-Gedöns in den Wilden Kerlen 3, den Wilden Hühnern und der Liebe und Leroy angsehen zu haben, reicht, um sich wirklich schäbig vorzukommen. Bei Leroy, der zotigen Humor, Pennälererotik, echte politische und soziale Probleme wie auch Satire in allen Abstufungen durch den Wolf dreht, greift keine FSK-Freigabe mehr. Ein Zwölfjähriger kapiert nicht genug, für einen Sechzehnjährigen ist es Kindergartenscheiße. So einen Film kann man Kindern und Jugendlichen nur unter Anleitung zeigen und mit Ihnen diskutieren. Zeit für die EG-Regelung: Educational Guidance. Und die zieht sich bitte nicht vor den Kindern aus wie Leroys Deutschlehrerin und feiert das als disziplinatorische Errungenschaft, während sich ihr afrikanischstämmiger Schüler zum Blaxploitation-Rächer "emanzipiert".

Die beiden Knirpse entpuppten sich beim Verlassen des Kinos als zwei schwarze Mädchen, ungefähr dreizehn. Hoffen wir, dass sie irgendwann in einer Schulvorführung La Haine sehen.

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