Sonntag, 13. Dezember 2009

Kino ist das Diskreteste

Seit meiner letzten DVD-Bestellung empfiehlt mir der Online-Händler meines Vertrauens hartnäckig alles zum Thema "Ballett" und "Homoerotik". Die Bestellung war natürlich nicht für mich, ähem.

Mit einem SPIO-Ticket passiert einem sowas nicht.

Lieber Weihnachtsmann

Gerade erreicht mich per Weiterleitung eine Stellenausschreibung, in der ein Kino ein (zwingend) studiertes und allumfassend fähiges Multitalent sucht: Buchhaltung, Programmgestaltung, Korrektur lesen, Layouten, Kenntnisse im Weltkino etc. Von Putzen und Vorführen steht da nix, aber ich hab' so einen Verdacht.

Dafür wird ein (Fix-)Preis geboten, nach dem sich einige der nicht wenigen prekariatsgeschädigten Geisteswissenschaftler da draußen vermutlich die Finger schlecken, der aber gemessen an dem, was selbst im öffentlichen Dienst für eine vergleichbare Tätigkeit bezahlt wird, an die untere Grenze des guten Geschmacks tendiert.

...was steht da noch? Bewerbungsschluss ist der 23.12. Ach so. Dann kann man's natürlich mal versuchen.

Digischwallisierung

Die Digitalisierungsdiskussion wird immer lächerlicher. Mittlerweile scheint der Punkt erreicht, da man sich fragt: wenn es doch fast keiner haben oder zahlen will oder kann - warum legen wir die Diskussion nicht ad acta?

Schon klar, die Verleiher würden eine Menge Geld sparen. Aber wenn kaum Kinos die Wiedergabegeräte haben, gibt es auch keine Abspielbasis. Da wird es dann mit dem Geld verdienen auch schwierig.

Schon klar, die Kopienzahl wäre praktisch unbegrenzt zu steigern und jedes Kino könnte jeden Film zum Start spielen. Theoretisch. Denn natürlich wird es immer ein Erstaufführersegment im Markt geben, und wenn man es über höhere Filmmieten erzeugt.

Also bleibt am Ende alles beim Alten, wenn die, die vom System profitieren, und die, die zwangsweise mitmachen müssen, sich nicht irgendwann mal einig werden. Im Moment sieht es so aus, als würde sich erstmal ein kleiner digitaler Parallelmarkt bilden, hauptsächlich für 3D, weil es da keine Wahl gibt. Eine flächendeckende Umstellung ist erst dann zu erwarten, wenn es auch im übrigen Markt keine Wahlmöglichkeit mehr gibt. Danach sieht es erstmal nicht aus. Wenn es denn dann doch geschieht, muss man allerdings eine "Marktbereinigung" befürchten, die in diesem Ausmaß sicher auch keiner will (siehe Abspielbasis).

Leider dürfen sich Kinobetreiber und Vorführer inzwischen nicht auf "frustfreier Wiedergabe" (zum Stichwort frustfrei recherchiere man bitte unter "amazon Frustfreie Verpackung" zu Anachronismen im Dienste der Usability) im guten, alten 35mm ausruhen. Mike Wiedemann, Festivalchef des Kinofests Lünen, hat sich bei der Preisgala beklagt, dass die gespielten Filme in 18 verschiedenen Datenträger-, Digital- und Tonstandards vorlagen (filmecho-Bericht). Er wünscht sich deshalb die "NST", die Neue Schöne Technik (SNT, Schöne Neue Technik?).

Ist das der perfide Weg der Digitalindustrie, den Kinomachern die hohen Investitionen doch noch schmackhaft zu machen? Das Heilsversprechen einer lebenserleichternden Technik?

Da soll sie mal aufpassen, dass die Filmtheater nicht unter dem Label "35mm. It works!" auf die Manufactum-Schiene umschwenken. Die alten Bauers und Ernemanns machen das mit.

Montag, 23. November 2009

Wer ist Osgood Fielding?


Sonntavormittag auf dem Sofa in Bonn. Anderswo würde man jetzt vielleicht die Matinee in einem kuscheligen, kleinen Programmkino genießen, hier lockt die Lektüre von Zeitung und Filmecho. Beide sind vertieft in ihre Artikel, plötzlich:

Er (grinst): Das musst Du Dir anschauen. Hier ist eine Kontaktanzeige von einem Kinobetreiber! Sie (abwesend): Was? Kontakt? (Wendet sich um und liest die Partneranzeige, sinngemäß: "Einsames Kinobetreiberherz sucht Gleichgesinnte". ) Kannst Dich ja drauf bewerben.
Er (empört): Ich bin ein Mann!
Sie: Nobody is perfect!

Beide schauen sich irritiert an.

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Fundstück (soundsoviel)

"Staub ist das kleinste Objekt, von dem ein Film handeln kann. Partikel mit einem Durchmesser von einem Zehntelmillimeter. Das ist die Schwelle, an der die Welt in ihrem materiellen Aufbau für das bloße Auge sichtbar zu werden beginnt, dahinter bleibt sie unsichtbar. Man spricht vom Staubkorn, man spricht auch vom Filmkorn, das ist jene kleinste visuelle Einheit, in der das Filmmaterial selbst sichtbar wird. Filmmaterial ist nichts anderes als ein Staub, der auf einem transparenten Träger fixiert wurde. Film, das ist Staub, der in der Dunkelheit des Kinos aufleuchtet."

(aus der Anfangssequenz des Dokumentarfilms "Staub" von Hartmut Bitomsky)

Sonntag, 20. September 2009

BYOG (bring your own glasses)

In einer der letzten Filmecho-Ausgaben stand zu lesen, dass Cinemaxx eine Variante zum amerikanischen "BYOB" (bring your own beer) entwickelt hat: Die Brillen zu 3D-Filmen sollen in deren Kinos verkauft statt verliehen werden. Jeder Kunde erwirbt also seine eigene Brille, darf die mit nach Hause nehmen und bringt sie zu gegebenem Anlass mit ins Kino.

Ich finde das eine total plausible, sinnvolle, kundenfreundliche und wohldurchdachte Idee. Im Restaurant habe ich schließlich auch immer mein eigenes Besteck dabei, und öffentliche Toiletten betrete ich niemals ohne meinen privaten, stets mitgeführten Klopapiervorrat.

Konsequente Gäste bringen zur Cinemaxx-Bottleparty dann auch Gummibärchen, Popcorn und Nachos von zuhause mit. Das ist nämlich auch viel wirtschaftlicher.

Trailer

Dieser Cartoon muss uns gewidmet sein:

Glanz im Gloria?

Im schönen Städtchen Landau in der ebenfalls schönen Pfalz steht seit 2003 das Gloria Kino leer. Ein Kinobau von 1953, der genauso aussieht, wie man sich das vorstellt. Nach allem, was ich erfahren habe, handelt es sich um ein Kinocenter, das ist vermutlich nicht immer so gewesen. In den 50ern war der Bau von Mehrsaal-Kinos eher unüblich. Im größten Saal sollen über 500 Menschen Platz finden, falls es sich um eine Schachtelung statt um eine Erweiterung gehandelt haben sollte, wurde sie also vermutlich mit Verstand vorgenommen.

Bei jedem Bummel durch Landau haben wir uns gerne Spinnereien hingegeben, wie es wäre, das Gloria wieder aufzumachen. Das Kapital und noch mehr die fehlende Risikofreude würden sich in der Realität als begrenzende Faktoren bemerkbar machen.

Jugendlicher Leichtsinn ist eine wunderbare Sache. In einem schon etwas älteren Artikel der Rheinpfalz, der mir jetzt in die Finger kam, steht zu lesen, dass ein 19- und ein 22jähriger das Gloria wiedereröffnen, wenn auch als Kulturzentrum mit Schwerpunkt Theater. Der eine von ihnen steht kurz vor dem Abi, der andere hat sein Studium abgebrochen, um sich ganz dem Gloria zu widmen. Das ist ja auch im Kinobereich nichts ganz ungewöhnliches, wie wir in vielen Gesprächen gelernt haben.

Wir hoffen natürlich, dass das Gloria das Angebot des Universum und der Filmwelt, beide eher familienorientiert, eines Tages mit schöner Filmkunst ergänzen wird. Keine sehr realistische Vorstellung, aber wenn wir das Gloria sehen, kommen wir eben immer ins Träumen.

Was aktuell im Gloria passiert, können Sie hier nachlesen.

Sonntag, 19. Juli 2009

Kinovorhang zu in der Schaubühne

Schockierende Nachrichten aus Leipzig: Das Kino in der Schaubühne Lindenfels (eines unserer Lieblingshäuser auf unseren Reisen und bisher immerhin einer der beiden zentralen Veranstaltungsorte der Filmkunstmesse) wird ab September nicht mehr von Michael Ludwig und Chrsitoph Ruckhäberle betrieben. Der Hintergrund sollen mittlerweile beglichene Mietrückstände sein. Einen ausführlichen Artikel und ein hörenswertes Interview finden Sie hier.

Samstag, 11. Juli 2009

Herdentrieb

Die kritische Masse ist erreicht: Moviac, die Kino-on-demand-Plattform vermeldet die ersten stattfindenden Vostellungen. Mehr dazu hier im Moviac-Blog...

Gastspiel

Im Programmheft des "Kino am Kocher", über das wir neulich schon erzählten, war ein so schöner Text über den Kinobesuch, dass wir ihn Ihnen nicht vorenthalten möchten. Er stammt vom Aalener Bundesbürgermeister Frau Prof. Dr. Dr. S.K. Hentze (kein Tippfehler - dachten wir auch erst, aber folgen Sie einfach dem Link um mehr zu erfahren).

"Ins Kino zu gehen, ist immer ein Erlebnis. Du spürst schon Tage zuvor deine Vorfreude und bist voller Erwartungen. Wenn der Film dann läuft, berühren dich die Inhalte und die Spannung des Geschehens und schließlich, die dich entspannende Wirkung des Ambientes, insbesonders, wenn es sich um ein gemütliches, weil kleines Lichtspielhaus handelt, wie das »Kino am Kocher« in Aalen. Und gerade dann, wenn dich die Problematik des filmischen Themas packt und nachhaltig beschäftigt oder gar verfolgt, empfindest du das unbeschreibliche Gefühl, etwas Großartiges erlebt zu haben. Es arbeitet etwas in dir.
So kann man sagen, dass jeder Kinobesuch nach einer Wiederholung verlangt. Kino kann berauschend sein, sogar süchtig machen! Ja, natürlich, aber warum eigentlich nicht?! Ich sage immer, wer das Kino sucht, der findet es auch (gut), so zumindest beim Kocherkino in Aalen. Du findest dich in der Kinokneipe ein, suchst nach deinen Freunden und Bekannten, ergatterst eine Eintrittskarte, deckst dich noch schnell mit Knabberzeug und Getränken ein und schon sitzt du in bequemer Pose im dunklen Saal. Es knattert, die Leinwand fängt zu flimmern an und schon laufen die Bilder, das Kino beginnt zu leben.
Die ersten Szenen packen dich und deine Sitznachbarn, es überfällt uns ein wohliges Gemeinschaftsgefühl. Je nach Filmgenre, staunst du mit offenem Mund, schwärmst du bei Liebesszenen wie ein Glotzbebbelromantiker oder heulst, wie auch die anderen im Kollektiv, wie geprügelte Schlosshunde. Kino ist immer ergreifend. Falls nicht, bist du eingeschlafen.Wenn du Glück hast, stupst dich dein Nachbar aus deinem peinlichen Sekundenschlaf.
Die Lichter des Saales erhellen. »Was, ist der Film schon zu Ende?« Ach so, die Spule muss gewechselt werden (und ich auf’s WC). Im Pausenplausch dann in der »Bar am Venushafen« wird mit Begeisterung diskutiert.
»Hast du gesehen, wie der eine in der Szene kopfüber …?!«
»Ja, genau, das war einfach hinreißend …«
Schon läutet die Glocke zur zweiten Runde. Schnell die Plätze wieder einnehmen, ja nichts versäumen, immer dabei sein, in Freud, wie in Leid … das ist Kino. Welch ein Erlebnis! Noch Wochen später triffst du Leute auf der Straße: »Waren Sie nicht auch in dem Film, äh … na, wie heißt der denn noch schnell?« Der schönste Abend der Woche! »Ja, genau, im Kino am Kocher. Der hat mir vielleicht gefallen, der war so richtig schön«. »Mir auch, was läuft denn gerade so?« Ich frage mich, ob die Haare der netten Dame schon immer rot gefärbt waren, oder war’s einfach viel zu dunkel im Kinosaal, als dass ich mich an solche Nebensächlichkeiten erinnern könnte? – Auch das macht’s Kino so unvergesslich."

Samstag, 27. Juni 2009

Unförmig

Ich bin ja eigentlich aus persönlicher Erfahrung sehr überzeugt von Philips-Fernsehern. Aber was die uns da neuerdings als "Cinema 21:9" andrehen wollen, ist schon eine Lachnummer.

Der Gedanke eines Fernsehers, der in der Lage ist, nciht nur 16:9, sondern auch Cinemascope ohne schwarze Balken anzuzeigen, ist ja erstmal nicht abwegig und begrüßenswert. Aber über die herkömmlichen Formate 4:3 und 16:9 folgende Behauptung:

"Die fortschrittliche Formatierungstechnologie passt diese Programme ganz einfach und nahezu verzerrungsfrei an den Bildschirm an. Das Bild wird fortlaufend analysiert und auf das Format 21:9 vergrößert. Sie sehen nun ein fehlerfreies Bild, das den kompletten Bildschirm ausfüllt."

aufzustellen, zeugt von wenig Sachverstand und ist nur peinlich. Vor allem, wenn man daneben angeblich überzeugende Beispiele abbildet, bei denen die 16:9-Frau und der 4:3-Sportwagen plötzlich augenscheinlich um den Faktor x breitere Ärsche haben. Zu bewundern auf der Philips-Homepage.

Wenn der Regisseur das beabsichtigt hätte, liebe Philips-Ingenieure, hätte er eine dickere Frau gecastet. Oder kämpft Philips auf subtile Weise gegen den Schlankheitswahn?

Monopoly

Seit Jahren wurde gerungen, jetzt kriegt Gießen doch sein Multiplex. Wir plädieren weiter für Kino "aus dem Herzen der Natur" - Edgar, Hans, nicht verzagen, ihr packt das schon.

Schnieke

Neulich war in der filmecho-Rubrik "Kino-Aktionen", die ich immer mit besonderem Vergnügen lese (hauptsächlich wegen zwei Damen im Fränkischen, die dort scheint's Stammplätze gebucht haben und über deren Ideen ich immer weider staune) die Rede von einem Gala-Abend im Böblinger Bärenkino. Das Publikum auf dem Foto sah zwar nicht durchgängig ganz gala-artig aus (das üben wir noch mal), aber so ein bisschen Glamour für den Kinobesuch ist doch eine schicke Sache. Hoffentlich macht das Schule. Und gegen die olle Fusselbacke Tom Hanks auf der Leinwand sahen die meisten doch ganz ordentlich aus.

Gipfeltreffen

Es stimmt also doch: das Internet ist eine Kommunikationsplattform und nicht nur der wahr gewordene Traum aller Pornographiesüchtigen.

(Übrigens resultiert ein recht erklecklicher Teil der 'kinolabor'-Aufrufe aus der Google-Suche nach www.bilderab18.com, weshalb ich nicht versäumen möchten, die von dort kommenden Leser an dieser Stelle recht herzlich zu begrüßen. Nacktes Fleisch werden Sie hier wenig finden, aber überlegen Sie doch mal, ob Sie nicht wenigstens in ein anständiges Pornokino gehen möchten, anstatt alleine zuhause vor dem Computer zu sitzen. Unter Gleichgesinnten ist es doch viel lustiger.)

Einer unserer Leser hat sich als Kinomacher geoutet und hat einen Kurzaufenthalt in Bonn zu einem Treffen auf dem malerischen Venusberg (ja, es ist leider ein Berg, kein Hügel, der Name trägt also nicht entscheidend zur Erweiterung unserer Leserschaft bei) zu nutzen.

Friedrich gehört zu einem Haufen von über 60 (!) ehrenamtlichen Aktiven, die zusammen das Kino am Kocher in Aalen betreiben. Getragen wird das Ganze von einer Genossenschaft. Wenn man Friedrich zuhört, wie relativ friedlich die Auf- und Einteilung der verschiedenen Aufgaben, Dienste und dergleichen funktioniert, muss man sich fragen, ob der Sozialismus nicht eine zweite Chance verdient hat.

Scherz beiseite, einmal mehr müssen wir einer Gruppe von Kinomachern höchsten Respekt zollen, nicht nur weil sie mal eben den größten Teil ihres nicht-erwerbstätigen Lebens investieren, um anderen "ein paar schöne Stunden" zu ermöglichen, sondern weil sie dabei auch noch Ambitionen verfolgen: als Motto für ihren Kinobetrieb haben die Aalener den Schlachtruf der Kommunalen Kinos "Andere Filme anders zeigen" für sich in Anspruch genommen, sondern diesen auch auf ihr Publikum gemünzt: "Andere Filme anders sehen". (An dieser Stelle fielen mir eine Menge dumme Witze ein, da wir uns mit Friedrich in der Cafeteria der Universitätsaugenklinik trafen, aber das würde jetzt wirklich zu platt.)

Richtig ambitioniertes Kino scheint heute fast überhaupt nur noch so zu funktionieren, ein paar von Leidenschaft getriebene Verrückte mit viel Einsatz und ein paar schlauen Ideen, wie man so etwas ökonomisch einigermaßen räsonabel umsetzen kann. Im Kino am Kocher steckt einrichtungstechnisch gesehen viel Handarbeit, der Einsatz der Filme zu verschiedenen Zwecken ist schwäbisch ausgeklügelt, und mittels Kooperationen kriegt man den Saal voll. Vielleicht geht es nur noch so, vielleicht ist gerade das das Kino der Zukunft, und nicht eine mit Popcornzucker am Boden festgeklebte Menschenmasse, die mit albernen Brillen auf der Nase in einem unterkühlten Saal sitzt. Den Satz "Unsere Putzfrau ist die einzige, die an diesem Kino Geld verdient", haben wir jedenfalls nun schon zum zweiten Mal gehört.

Wir wünschen dem Kino am Kocher und seinen Machern, die immer noch bescheiden von einem "Projekt" sprechen, allzeit gut Licht, gut Ton und volle Kassen. Und Sie bilderab18-Suchende tun jetzt was für Ihre Sittenbildung und surfen jetzt ganz schnell mal auf deren Seite und gucken sich dort die vielen tollen Bildergalerien an.

Mittwoch, 10. Juni 2009

Ausverkauf

Nun schaut euch diese Schande an.

Sonntag, 3. Mai 2009

Ins Schwarze

Zur Diskussion um die "Krise der Kinowerbung" hier noch ein eigener Beitrag, gesehen in einem italienischen Restaurant in Bonn:
Streng genommen handelt es sich dabei um Filmwerbung, nicht um Kinowerbung, schon klar. Aber abgesehen vom finanziellen Aspekt für die Kinobetreiber ist die Werbung für das Kino vielleicht das größere Problem als die Werbung im Kino. Angeblich würden sich ja viele Kinobesucher den Entfall der Werbung etwas kosten lassen, so eine etwas bejahrte Studie der Rinke Medien Consulting, und genau das diskutieren die Kinobetreiber jetzt wieder - die, die nicht ohnehin ohne Werbung auskommen, und das sind nicht wenige.

Auf dem Bild jedenfalls sehen wir ein gut gemeintes, aber umso abschreckenderes Beispiel dafür, wie man versuchen kann, Leute ins Kino zu kriegen. Man(n) widmet als Restaurantbesucher zwischen einem Chianti und dem nächsten dem Filmplakat für "Ein Festmahl im August" 30 Sekunden ungeteilter (?) Aufmerksamkeit, thematisch passend und zielgruppengerecht: Italien, Essen, Freizeit. Wobei Zielgruppe hier eine ganz neue Bedeutung bekommt...

Wunschkonzert

Ein beobachtenswertes neues Konzept ist auf www.moviac.de online gegangen: Hier kann man aus einem (leider noch sehr beschränkten) Repertoire auswählen, welchen Film man gerne mal in einem Kino in seiner Nähe wieder sehen möchte. Finden sich genug Kinofans, die den Film sehen wollen (hier ist Lobbyarbeit gefordert), wird die Vorstellung angeboten und findet ab einer Mindestzahl von Reservierungen statt. 92 Kinos machen nach meiner Zählung schon mit, leider ist das Filmangebot gerade bei den echten Klassikern noch arg dünn. Im Filmmuseum Ihres Vertrauens richtet eine Bitte an den Programmverantwortlichen vermutlich mehr aus. Aber wir wollen gar nicht stänkern, das ist endlich mal eine sinnvolle Verknüpfung von "digital" und "Kino"!

Wer möchte im Raum Bonn mal wieder "Little Miss Sunshine" sehen?

Feigenrad

Nur eine kurze Erregung unter Tati-Fans: auf den Werbeplakaten für die Tati-Ausstellung in der Cinémathèque francaise wurde seine Pfeife mittels eines feigenblattartigen Windrädchens wegretuschiert. Ziemlich albern, aber da ein gerechter Aufschrei der Empörung bereits woanders veröffentlicht wurde, können wir uns in Ruhe dem Entsetzen darüber hingehen, eine heute endende Ausstellung der Villa Arpel verpasst zu haben.

(tiefes Luftholen)

AAAAAAAARRRRGH!!!!

Sonntag, 29. März 2009

VOSTF


Diese schmückende Abkürzung steht für Version Originale Sous Titre Francais und entspricht damit dem wenig griffigeren, aber schöner zu sprechenden OmU oder präziser OmdU, Original mit deutschen Untertiteln.

Kennengelernt habe ich die Abkürzung bei meinem ersten Kinobesuch im Ausland (!), sich ereignet habend vor wenigen Wochen in Marseille. Das Innere des César hielt zwar nicht ganz, was das Äußere versprach, aber erkennen durfte ich immerhin, dass nicht hinter jedem verdächtig kleinen und vertreppten Kinocenter-Foyer auch Säle von erschreckend geringen oder absurden Ausmaßen stecken müssen.

Am spannendsten war sicherlich, das Publikum zu beobachten. Das französische Kinopublikum ist ja unter deutschen Kinomachern und -gängern ein Mythos für sich, der mir einen objektiven Blick darauf verstellt haben dürfte. Dieselbe Mischung aus verschiedenen soziodemographischen Milieus dürfte ich im "Rex" schon angetroffen haben, dasselbe Interesse für das Programm der nächsten Woche schon im Filmmuseum beobachtet haben, dieselbe Selbstverständlichkeit und Routiniertheit des Kinobesuchs im "Mal seh'n" erlebt haben. Aber alles zusammen, bei gut gefülltem Saal, an einem Mittwochabend gegen 21 Uhr? Und diese angeregten Gespräche danach über den Film, die im Foyer klebengebliebene Grüppchen führten? Nein, also das muss einfach an staatlich verordneter Kinokultur liegen!

Ein Platz an der Xenon-Sonne oder: My Own Private Cinema

Vorbemerkung: die folgenden Ausführungen werden zwanghaft veranlagte Persönlichkeiten vermutlich leichter nachempfinden können, die übrigen mögen uns bürgerlich-jägerzaunhafte Marotten nachsehen.

Ein Stammkino zu haben, also so eins, wo einen die Mitarbeiter kennen, mit Namen grüßen und man vor oder nach dem Film noch einen Plausch halten kann, ist ja bei durchschnittlich 1,58 Kinobesuchen pro Einwohner hierzulande keine Selbstverständlichkeit. Ein Stammplatz im Saal ist noch weitaus exklusiver, die Tendenz zur mehrsaligen Spielstätte und elektonische Buchungssysteme haben dazu ihren Beitrag geleistet. Die festen Sitzplatzgewohnheiten der Sneak-Communities kann man immerhin teilweise gelten lassen.

Wir dürfen nicht ohne Stolz von uns behaupten, in einem Frankfurter Kino zu den Freunden des Hauses zu gehören und durch frequentierten Besuch dort eine Vorliebe für die Plätze in der Mitte der vordersten Reihe des obersten Plateaus entwickelt zu haben. Respektvoll würden wir niemals die beiden rechten äußeren Sitze derselben Reihe belegen, sie stehen zwei großen Damen des Kinos zu, die ein älteres Anrecht auf diese Sitze haben.

In einem anderen Frankfurter Kino ist ein Herr bekannt, der eine Vorliebe für einen bestimmten Sitzplatz entwickelt hat, die so weit geht, dass ich mich frage, ob er es überhaupt erdulden würde, einen anderen Platz einzunehmen, sollte dieser einmal belegt sein. Vermutlich stellt sich die Frage nicht, da er in enger Verbindung zum Haus steht und ich bei Betreten des Saals seinen Platz häufig durch eine Tasche oder ein Kleidungsstück reviermarkiert vorfinde. Die Treppenbeleuchtung "seiner" Reihe hat er mittels eines Klebestreifens dahingehend modifiziert, dass das kleine Birnchen zu seiner Linken kein störendes Streulicht wirft. Nach mehrjährigem Herumprobieren habe ich meinen Lieblingsplatz dort übrigens in seiner Nähe gefunden, eine Reihe dahinter um zwei Sitze nach rechts versetzt.

In Bonn fehlt uns lebensumständebedingt die Besuchsfrequenz, um als Hausfreunde in einem Filmtheater ein- und ausgehen zu können, in den zwei am liebsten besuchten Kinos haben sich allerdings auch schon feste Platzvorlieben gebildet.

Eine Freundin allerdings machte uns unlängst in unserem gemeinsamen Stammkino vor, was es wirklich heißt, Stammgast zu sein: sie wurde dort angerufen, und zwar nicht auf dem Handy, sondern über die Telefonnummer der Kinokasse.

Kartensalat

In Zeiten, da die Kino-Flatrate längst in Deutschland angekommen ist, wagt die AG Kino einen zaghaften Versuch und erinnert nochmal leise an ihren Rabattausweis, der aus unerfindlichen oder historischen Gründen immer noch klangvoll "Gildepass" heißt. 70 Spielstätten akzeptieren die jüngst optisch aufgefrischte Plastikkarte - bei einem Bestand von 220 Spielstätten (laut FFA-Programmkinostudie), die AG Kino/Gilde-Mitglieder sind, entspricht das gerade mal einem Anteil von 32%. Das ist nicht eben berauschend für ein Marketinginstrument, das dem Label "Programmkino" auf die Sprünge verhelfen soll.

Hier in Bonn ist keine einzige Spielstätte dabei. Da ich das nun schwarz auf weiß habe, verspreche ich hoch und heilig, zukünftig keine ahnungslosen Aushilfskassierer in Kinos mit AG-Kino-Aufkleber an der Tür mehr zu bequatschen, mir auf Vorlage des Gildepasses Rabatt zu gewähren. Schließlich möchte ich mich nicht mit ächtenswerten Kino-Räubern gemein machen.

Freitag, 27. Februar 2009

Restaurationsbetrieb

Schade, dass wir die "Astor Filmlounge" nur auf Fotos bewundern können. Aber Bonn ist halt doch ziemlich weit von allem entfernt, was Hauptstadt ist.

Überraschend ist es ja doch, dass es - trotz einiger Luxussäle hier und da - so lange gedauert hat, bis hierzulande jemand den Mut fand, ein sogenanntes Premiumkino zu eröffnen und diese Idee auch konsequent umzusetzen: mit Doorman, Garderobe, am Platz servierten Speisen und auf Voranmeldung sogar Valet Parking. Man könnte ins Schwärmen geraten, ohne je dort gewesen zu sein. Es klingt, als könnte es die angegebenen 10-15 EUR für die Kinokarte wert sein.

Dieses Geschenk an die Kinolandschaft macht Hans-Joachim Flebbe. Wäre doch schön, wenn dieses Kinokonzept genauso einschlägt wie damals Cinemaxx. Wenn man das Filmecho-Zitat "...jene Teile des Publikums zurückzugewinnen, die sich in den Multiplexen nicht wohl fühlen..." reflektiert, so hat sich der gewitzte Mann seine eigene Marktlücke geschaffen.

Naheliegenderweise kopiert (bzw. konserviert) das Astor die Filmpalast-Atmosphäre der 50er Jahre, bis in Details wie farbige Lichtspiele im Saal (hier entfährt uns ein wohliges Seufzen). Mit dem Begriff "Lounge" will das nicht ganz zusammen passen - da denkt man eher an dunkles Parkett und weiße Lederhocker anstatt an roten Teppich und Messing-Türknäufe.

Schwer fällt es uns, sich viele der aktuellen Kinohits in diesem Ambiente vorzustellen. Die Filmauswahl für das Astor dürfte nicht leicht sein. Es müssen große Filme sein, aber keine lauten, unterhaltsam, aber niveauvoll, eskapistisch, aber nicht kitschig. Zweifelsfrei, das gibt es - wir nennen es "Arthouse" oder "Crossover". Aber selbst innerhalb dieses Genres muss man einen sicheren Griff haben. Wie man laufend an solche Ware kommen will und auch noch den Saal vollkriegen soll? Da dürfen sich die Crossover-Verleiher ganz schön ins Zeug legen.

Ein Filmpalast wie anno dazumal - reaktionär? historisierend? restaurativ? Und wenn schon, uns gefällt's.

P.S.: als nächstes kommen dann bitte die Ladenkinos wieder, ja?

Donnerstag, 8. Januar 2009

Mit Pauken und Trompeten

Das Bali in Berlin-Zehlendorf wird 30! Gefeiert wird am 25. Januar mit einer musikalischen Matinée. Wir können nicht dabei sein, gratulieren der unermüdlichen Helgard Gammert aber von ganzen Herzen und hoffen, dass sie ihr Kleinod noch lange weiterbetreiben kann und noch viele faszinierende Kino-Geschichten zu erzählen hat! Mehr Infos unter www.balikino-berlin.de

Wie, Sie haben vom legendären Bali noch nichts gehört? Dann aber husch, husch in den Nachhilfeunterricht beim Tagesspiegel. Dort lernt man in einem einzigen Artikel gleich was über Georg Klosters Yorck-Kinokette (dass dazu auch Münchner Häuser gehören und Hamburg auch mal im Gespräch war, erfährt man allerdings nicht) und den Ursprung des Bali.

Kartenbareißer war mal ein echt guter Karrierestart...

Mittwoch, 7. Januar 2009

X Marketing

In dem sehr empfehlenswerten Film "Ben X", der im deutschen Kino leider nicht die Beachtung fand, dier er verdient gehabt hätte, geht es um einen autistischen jungen Mann, der sich in die Ersatzwelt eines MMORPGs flüchtet. (Eines Massively Multiplayer Online Role Play Games, bevor Sie fragen). Das ist, banal ausgedrückt, eine künstliche Spielewelt, in der man zusammen mit anderen gegen Drachen kämpft und holden Jungfrauen den Hof macht. Das Spiel, das im Film Erwähnung findet und nach dem Teile des Films gestaltet sind (sogar der Soundtrack hat stellenweise eine Prägung durch die Speilmusik erfahren), heißt Archlord und existiert wirklich.

"Ben X" ist kein Film, der Online-Spiele als suchtauslösendes Übel darstellt, das lebenslustige junge Männer in amoklaufende Monster oder im Halbdunkel vor dem Bildschirm dahinvegetierende Misanthropen verwandelt. Inwiefern es für einen Autisten hilfreich oder pathologisch relevant sein mag, wenn er sich eine solche virtuelle Zuflucht sucht, können und wollen wir nicht beurteilen. Trotzdem fanden wir den der DVD beiliegenden Werbeflyer für Archlord ziemlich geschmacklos. Dort steht (Originaltext):
"SPIELE DAS PC-SPIEL ARCHLORD AUS BEN X KOSTENLOS!

Lade Dir das KOSTENLOSE PC-Spiel Archlord, das in Ben X eine Hauptrolle spielt, herunter und zocke es noch heute. Hol es dir jetzt und fordere den exklusiven, kostenlosen Spiel-Gegenstand "Die Halskette von Vigor" an.

Hast Du, was es braucht, um Archlord zu werden? Begib dich ins epische Online-Spiel und miss dich mit Tausenden anderer Spieler, um letztendlich ihr Herrscher zu werden.

EIN ZU 100% KOSTENLOSES ANGEBOT!

Lade Archlord noch heute völlig kostenlos auf [...] herunter."
Der Befehlston (lade, zocke, herrsche!) und die Kaffefahrttonalität (100% kostenlos, exklusiv, noch heute!) haben einen eisigen Charme. Zudem darf man "100% kostenlos" wohl als irreführend bezeichnen. Im ausführlichen Wikipedia-Artikel zu Archlord ist zu lesen:
"Nach der Umstellung von einem monatlichen Entgelt auf kostenloses Spielen hat Codemasters den sogenannten Chantra-Shop als Einnahmequelle entdeckt. In diesem Shop haben die Spieler die Möglichkeit, aus dem Spiel heraus Gegenstände zu kaufen, die ihren Charakter kurzzeitig aufwerten (z. B. erhöhte Erfahrungsrate, Schriftrollen für schnelles Reisen, Wiederbelebungssteine). Diese Gegenstände werden mit Chantrapunkten bezahlt, die der Spieler für reales Geld bei Codemasters erwerben kann."
Die "Ben X"-DVD ist im Arthaus-Label erschienen. So wünschen wir uns Filmkunst eigentlich nicht.