Sonntag, 23. September 2007

Ein Traum wird wahr

Seit Jahren jage ich dem ultimativen Kinoerlebnis hinterher. Das ist: Jacques Tatis Playtime in der restaurierten 70mm-Kopie. Gelegenheiten, diese Kopie zu sehen, gab es schon genug, aber bisher hat es nicht geklappt: als ich vor ein paar Jahren auf einer Cabrio-Tour zufällig durch Cannes kam, als dort während der Filmfestspiele die große Tati-Retrospektive stattfand, hatte ich mit Film noch nicht viel am Hut. Als ich während der Tati-Ausstellung im Münchner Architekturmuseum ein Zeitlang in der Stadt war, habe ich zu spät davon erfahren. Auch als der Film Open Air auf dem jährlichen Stummfilmfest in Bologna lief, war ich nicht da. Wien war mir zu weit, als Playtime dort vor ein paar Monaten lief. Und so weiter. Immerhin habe ich schon mal eine gute 35er Kopie gesehen, im Münchner Werkstattkino, spät nachts auf der Rückreise von der italienischen Riviera.

Tati ist mir einen Exkurs aus der Welt der Filmtheater, die mich sonst gewöhnlich noch mehr fesselt als die des Films. Zwar bin ich gewissemaßen mit ihm aufgewachsen, wenn mein Vater Die Ferien des Monsieur Hulot alle Jahre mal wieder sonntagnachmittags im Fernsehen sah (so wie man eben auch die Feuerzangenbowle schaut oder Manche mögen's heiß), entdeckt habe ich Tati aber ausgerechnet an Weihnachten im Fernsehen (!), kurz nachdem ich das Studium begonnen hatte. Da zeigte arte die große Retrospektive. Schützenfest, den ich auch noch irgendwie aus meiner Kindheit kannte, war dank moderner Technik und der Vernachlässigung aller restaurationsethischen Aspekte plötzlich bunt, ich sah zum ersten Mal Mein Onkel und die Dokumentation Das demokratische Lachen. Ohnehin schon restlos begeistert von dem, was ich da entdeckt hatte, erfuhr ich da von Tatis Opus Magnum, das sich in fitzcarraldohaften Dimensionen abspielt. Und nach der Ausstrahlung von Playtime (früher auch mal bekannt als Tatis Herrliche Zeiten) war klar: es kann nur einen geben. Obwohl ich sonst kein Freund von absoluten Bestenlisten bin - was mich angeht, ist Playtime der unumstößlich beste Film aller Zeiten. Vielleicht gefolgt von Fitzcarraldo. Der Rest kennt keine Prioritäten.

Von da an habe ich mich in das Werk Tatis vertieft, wie es mir sonst sicherlich mit keinem anderen Regisseur in den Sinn käme - ich pflege da üblicherweise keine Fetische. Habe die wenigen Bücher gelesen, die verfügbar sind (am informativsten ist wohl das von Brent Maddock, am schönsten sicher das von Michel Chion, das dankenswerterweise auch in einer englischen Übersetzung erhältlich ist), lange auf eine vollständige DVD-Edition gewartet (in der dann doch Trafic fehlte, Parade auch, ebenso wie die s/w-Version von Schützenfest und die Oscar-Fassung von Mein Onkel. Letztere ist in der Mein Onkel-Box enthalten, Parade und Trafic sind separat erhältlich) und mich sogar durch die alten Interviews in den Cahiers genagt (wehe dem, der sein Französisch vernachlässigt hat). Über Tati habe ich dann auch den unvergleichlichen Buster Keaton kennengelernt, in derer beider Komik doch so etwas wie eine Seelenverwandschaft liegt. Aufgegriffen hat das Elia Suleiman in Göttliche Intervention - einer der ganz wenigen Filme, der an Tatis Stil anknüpft.

Allein was fehlte, waren die Filme im Kino. Von Trafic habe ich eine sehr rotstichige Kopie gesehen, sonst keinen außer Playtime in 35mm.

Jetzt aber! ist es soweit: am 7. Oktober in der Schauburg in Karlsruhe, einem alten Cinerama-Kino mit gekrümmter Leinwand (und der Saal ist sowas von rot...). Dazu gibt's auch noch eine Einführung vom Restaurator. Ganz klar: Das wird ein transzendentales Erlebnis. Da stellen sich Fragen wie: ist Kinogehen nach diesem epochalen Ereignis überhaupt noch möglich? Gibt es ein Kinoleben nach Playtime in 70mm?

Es juckt mich schwer in den Fingern, die Bücher und DVDs rauszukramen und mich und Sie im Detail auf das bevorstehende Großereignis einzustimmen - wäre der Großteil meiner Filmleidenschaft nicht gerade in Umzugskartons verpackt. Das wird also noch warten müssen. Zuerst sehen wir uns - am 7.10. in der Schauburg. Bis dahin empfehle ich wärmstens www.tativille.com, was dann gleich auch noch die am schönsten gestaltete Website wäre, die mir bekannt ist.

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