Donnerstag, 6. September 2007

Reiseimpressionen

Gestern war die letzte Kinolabor-Kinoreise für dieses Mal - viel haben wir gesehen, viel gehört, und da bei so vielen Lichtspielhäusern doch eine ganze Menge Kilometer zusammenkommen, scheint es angebracht, als letzten Eindruck eine Reisebeschreibung hinzuzufügen.

Gestern ging es im ICE gen Osten. Ausnahmsweise war es ein sehr sonniger, früher Morgen, und während der blaue Himmel mitsamt Schäfchenwolken und die grüne Landschaft mit Flüssen und Seen am Fenster vorbeirauschte - manch einer behauptet ja, der über die Leinwand flimmernde Film sei diesem Bild vergleichbar - kam ich nicht umhin, trotz meiner Zeitungslektüre meine Nachbarn zu beobachten. Da waren zum Beispiel die zwei redseligen älteren Herren, so gleich aussehend, als wären sie eine ältere Ausgabe der geklonten Matrix-Typen. Aber deutlich netter, denn es waren ganz eindeutig Pfälzer - für diejenigen, die diesen sympathischen Menschenschlag noch nicht so gut kennen: Die Pfälzer wissen das Leben zu genießen, und so durfte auch beim mittäglichen Imbiß der Rotwein nicht fehlen - stilecht mit richtigen Gläsern und sogar einem Tropfenfänger. Dabei wurden sämtliche Bekannten und Verwandten durchgehechelt, auch dies (allerdings nicht nur) eine Pfälzer Leidenschaft. Der ist tot, und der ist tot - ach, und der ist auch schon tot? Naja - ganz jung waren die beiden Herren eben nicht mehr.

Dann war da noch die ebenfalls eher mittelalterliche Blondine - ganz Dame, vom Seidentuch bis zum Kostüm über hochhackigen Schuhen (über die Reisetauglichkeit dieser Mode habe ich mir auch so meine Gedanken gemacht...), die in den 70ern bestimmt eine umwerfend schöne Stewardess gewesen ist - als Flugbegleiterinnen noch diesen schicken, englischen Namen trugen. Sie war so reserviert, so ganz in Ihrer Welt versunken - bis ihr Handy klingelte. Und siehe da, wieder einmal verriet der Klingelton alles: Die kühle Blondine hörte auf einen leidenschaftlichen Tango...

Die Rückfahrt, obgleich fröhlich begonnen bei einem interkulturellen Austausch zwischen zwei jungen (West-)Handwerkern und einer (Ost-)Berufsakademie-Anwärterin (übrigens für die Pfalz), dehnte sich aus auf Hollywood-Blockbuster-Überlänge, nachdem es einen Personenschaden zu vermelden gegeben hatte - ein irgendwie metallisches, kaltes Wort für einen Selbstmord, der Leichenteile und verstörtes Zugpersonal zurückließ, während die Reisenden den tragischen Unfall gelassen nahmen, jeder verdrängte das schreckliche Geschehen auf seine eigene Art und Weise.
Bald war das beendete Leben vergessen, und wieder huschten blauer Himmel, weiße Schäfchenwölkchen und grüne Wälder und Wiesen am Zugfenster vorbei. Der distinguierte ältere Herr schräg gegenüber zeigte sich als mit der neuesten Technik ausgerüstet: Die Serienbild-Aufnahmefunktion seiner gewiß teuren Digitalkamera nutzend, machte er Fotos der schönen Landschaft im Abendlicht. Wobei ich mich sehr ernsthaft gefragt habe, wo die Freude über die Ergebnisse herkam, nachdem die Zugfenster vor Schmutz starrten. Aber sei's drum - den vorüberziehenden Film nimmt jeder für sich selbst und anders wahr.