Mittwoch, 26. Dezember 2007

Kino als Lebenswandel

Seit ich berufstätig bin, noch dazu außerhalb der Branche, ist es immer schwieriger geworden, am Kino dranzubleiben. Natürlich lassen sich die Szenenachrichten weiterverfolgen, oder man kann mal Urlaub für eine bestimmte Veranstaltung nehmen. Gar nicht einfach ist es aber, dem aktuellen Programm zu folgen. Wenn man nicht gerade ein 9-to-5-Worker ist, ist der Feierabend ganz schön kurz, um noch in die Stadt zu fahren, einen Parkplatz zu suchen, hinterher spät ins Bett zu kommen und am nächsten Morgen um 6 unausgeschlafen zu sein. Und es gibt ja auch noch drei, vier Dinge, die man abends zuhause erledigen müsste. Spießer? Ja, von mir aus, lasse ich gelten.
Und dann muss ja noch ein Film laufen, den man gerne sehen möchte. Oder besser: der Film, den man sehen möchte, muss auch gerade laufen. Der Mainstream läuft überall zu fast beliebiger Zeit. Die exklusiveren Produktionen nur an bestimmten Tagen auf bestimmten Schienen in bestimmten Kinos, also nicht sozusagen Samstagabends um acht im großen Saal. Gerade Programmkino ist so gesehen ungeheuer bürgertumsfeindlich. Das macht ja seinen besonderen Reiz aus. Es ist von und für Menschen, deren Lebenswandel von großer Unabhängigkeit geprägt ist und die sich das Leben in einer alternativen Parallelwelt – der des Films – leisten. Wundervoll. Und sie lassen da nicht jeden dran teilhaben. Der Preis, eine gewisse prekäre Lebenssituation zu akzeptieren, ist auch nicht gerade niedrig. Freiheit und Sicherheit schließen sich auch im Sozialstaat zu guten Teilen gegenseitig aus. Auch in Kauf nehmen muss man, dass das „echte“ bürgerliche Leben in dieser Szene mit der Zeit ein bisschen in die Ferne rückt. Ob das ein Schaden ist, oder ob man Schaden nimmt, wenn man sich leistet, dauerhaft in Nostalgie und Träumerei zu schwelgen, bleibt jedem selbst überlassen. Auf jeden Fall ist es eine hübsche Belohnung für etwas Prekariat, das einen schließlich ja auch so treffen kann, ohne dass man davon etwas hat. Dann doch besser die bewusste Entscheidung dafür.
So begreift man dann also, warum sich Programmkino gerade im studentischen und Künstlermilieu der Siebziger etablieren musste. Es hilft uns aber noch nicht zu verstehen, warum es heute in diesem Milieu nicht mehr so verwurzelt ist wie damals. Sprechen die Inhalte heute eine andere Szene an? Denkt das Milieu heute pragmatischer? Hängt überhaupt nur alles an der Entpolitisierung? Eine soziologische Studie, die dezidiert dieser Frage nachgeht, steht (meines Wissens) noch aus. Die regelmäßig veröffentlichte Programmkinostudie der FFA gibt über solche Fragen keinen Aufschluss, die Shelljugendstudie wiederum stellt keine Fragen zum Kino. Ihr Soziologen und Pädagogen da draußen, redet mit!
Vielleicht müssen die Filmtheater da ansetzen. Weniger im Stil von „3D ist das neue Cinemascope“ sondern mehr im Sinne von „im Auftrag des Kinogängers“. Ich stelle mir da vorbestellte Karten vor, die man auch noch eine Minute vor Vorstellungsbeginn abholen kann. Exzellente Erreichbarkeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder Parkmöglichkeiten. Notfalls Valet Parking, auch wenn ich meinen Mini ungern aus der Hand gebe. Filmbeginn um 19:00 Uhr. Ohne Werbung. Echte Programmkinos haben es da schwer, aber die dürfen es uns auch nicht gar zu einfach machen. Da müssen wir Bürgerlichen einfach mehr Prekariat wagen. Wie wir das dann hinkriegen, dass auch der richtige Film läuft, da müssen wir aber nochmal drüber reden.

Mittwoch, 19. Dezember 2007

Ja wo laufen sie denn...?

Mal eben noch nachgeguckt, welche unterhaltsamen Keywords in letzter Zeit Besucher auf unsere Seite lockten. Hauptsächlich war das "bilderab18" (grummel). Das ist nicht die Sorte Traffic, die beabsichtigt war.
Ein paar Leute aus der Branche wurden gegoogelt (und gefunden), wer, sage ich Ihnen nicht.
Jemand wollte "alle reflexe wo es gibt" wissen, was in mir vor allem einen grammatikalischen Abwehrreflex auslöst.
Außerordentlich gefragt ist auch ein politisch korrektes Brausegetränk, wobei die Nebensuchbegriffe "Finanzstärke", "Marktanalyse" etc. nahelegen, dass das Getränk in den Verdacht gerät, nicht mehr ganz korrekt zu sein.
Manche mutmaßen, dass die "fbw gerettet" sei.
Und allen Kerkeling-Fans sei eins gesagt: "spießer jakobsweg"!

Wacken war gestern

Die Flying Moon Filmproduktion (das sind die, wegen der man das Wort "Wacken" nicht mehr hören kann) hat ein neues Filmprojekt im Rohr und auch schon BKM-Fördergelder dafür abgestaubt. Es heißt Comrades in Dreams, kommt im Januar ins Kino und handelt von Menschen, die Kino machen. Überall. Und man liest die Inhaltsangabe und denkt: Menschen, die Kino machen, sind verrückt. Überall. Und Gott sei dank ändert sich daran nichts.

Der alte Wiedergänger

Neulich hat mal wieder jemand das Kino totgesagt. Hach. Das ist ja nun wirklich ein Gähner. Aber: Volker Schlöndorff war der Schlingel - also in dem Fall darf man sich das Gähnen verkneifen. Zu sagen hat er nicht viel Neues: die Filme zu schlecht und vor allem zu viele und die Kinos arm dran, das hat man dann doch schon mal gehört, und die Vorschläge sind auch nicht gerade neu: Förderung, Kooperationen mit Hotels (gibt's schon), Buchläden (gibt's auch, davon profitiert meist vor allem der Buchladen) und dergleichen mehr. Aber weil's der Schlöndorff sagt, jault die Branche auf. Und Schlöndorff, der eigentlich nur gesagt hat, was alle die ganze Zeit sagen (besonders in der Branche), muss schnell zu Kreuze kriechen und einen langen, müden Entschuldigungsbrief schreiben. Ach Kinders.
Wenn's ein gutes hat, dan haben ein paar Freunde "guter Filme" vielleicht ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie die letzten davon auf DVD gesehen haben. Ich habe sogar das himmelschreiende Sakrileg vollbracht, mir von Volker Schlöndorff eine DVD mit einem seiner Filme signieren zu lassen. Tut Buße! Kauft Kinokarten!

Gepäck

Aus dem Kino nimmt man nicht nur was mit - man trägt auch was hinein. Vor ein paar Tagen erzählte mir eine Kollegin von Ihrem Besuch in Die Ermordung des Jesse James... Sie assoziierte damit eine Verratsgeschichte, die sie zu DDR-Zeiten erlebt hatte. Der sie begleitende Ökonom hingegen entdeckte so manches, was ihn zum Fachsimpeln anregte. Man kann zu zweit ins Kino gehen, aber auch wenn man noch so dicht beisammen sitzt, bekommt man keine Garantie, den gleichen Film zu sehen!

Montag, 10. Dezember 2007

Längst überfällig...

... ist die Auswertung unseres letzten Polls zum Thema "Eintrittspreise im Kino". Dieser hat Folgendes ergeben*: Je 41% der abgegebenen Stimmen besagten, daß die Karten teuer sind, aber nur in manchen Kinos, oder daß Kino ein teures Vergnügen ist, aber nur auf Getränke und Popcorn bezogen. Platz 2 mit immerhin noch 33% ging an das Votum "Nein, Preise sind OK". Jeweils 8% unserer Leser schließlich stimmten dafür, daß Kino teuer sei, aber nur am Wochenende, beziehungsweise, daß die Freizeitaktivität "Kino" zu billig ist, nichts wert in den Köpfen der Menschen.

Diese Zahlen könnte man nun tiefgehend deuten, beispielsweise dahin, daß die Meinung unserer Leser das Multiplex-Gebaren widerspiegelt: Hier sind die Preise oft grundsätzlich teurer als in anderen Kino"arten", dies besonders am Wochenende, und außerdem werden hier in der Breite auch die höchsten Concession-Preise verlangt. Kinokarten für die ganze Familie lassen sich vielleicht noch bezahlen, wenn aber die Kinder Popcorn, Nachos und Co. verlangen, möglicherweise noch mehrfach, wird der Film ein kostspieliger Spaß, und die Meinung bildet sich: Kino ist (zu) teuer (siehe dazu auch den Eintrag vom 12.10.07: "Nackte Zahlen?").
Bei einer solchen Deutung wäre es dann auch nachzuvollziehen, daß immerhin ein Drittel der Meinung ist, die Preise seien gut so, wie sie sind. Könnte man dahinter doch sowohl die Programmkinobesucher als Wähler sehen, als auch Kinobetreiber...

Die ganzen Konjunktive bedingen sich aber durch einen Haken an unserer Umfrage: Teilgenommen haben nur zwölf Personen. Damit war es der am wenigsten in Anspruch genommene Poll, den wir Ihnen bis jetzt zur Verfügung gestellt haben. Offensichtlich ist der Bedarf an Preisdiskussionen zur Zeit gedeckt - hoffen wir, das ist ein gutes Zeichen, denn über Geld redet man bekanntlich nur, wenn keines da ist.

* Mehrfachnennungen waren möglich

Mittwoch, 5. Dezember 2007

Rutsch ma rüber

Und schon wieder ein klassischer Opel im Autokino Gravenbruch: in der aktuellen Print-Ausgabe porträtiert Motor Klassik den Opel Kapitän (mit durchgehender Sitzbank) in artgerechter Umgebung:

"Behutsam zwängt sich die große Limousine an den gelben Kassenhäuschen vorbei. Der Lichtschein der Programmanzeige spiegelt sich auf der gestreckten Motorhaube, unter der sechs Zylinder gelassen ihre Arbeit verrichten. Oder er wird von den klaren schnörkellosen Flanken reflektiert, deren einziges Schmuckelement eine der Länge nach ins Blech gehauene Kante ist. Ein feiner Kunstgriff, der dieses Fahrzeug noch einen Tick flacher und lang gestreckter erscheinen lässt, als es ohnehin schon ist."

Soviel Schwärmerei wird nur bei drei Dingen geduldet: Frauen, Autos, Filmtheater.

Wenn Cinéasten Trauer tragen

Am Wochenende waren wir auf einen Sprung in Frankfurt. Der obligatorische Gang über den Weihnachtsmarkt und die Zeil, und auf einmal ein Anblick der Verwüstung: Das einstige MGM Royal wird abgerissen. Die Fassade war schon weg, von der Einrichtung des Foyers fehlte jede Spur. Dahin geht ein weiterer Kinotraum. Am selben Abend trafen wir zwei gute Freundinnen, die ihr Leben schon seit Jahrzehnten dem Kino verschrieben haben - "zum Heulen", mehr konnten sie dazu nicht sagen. Ich habe das Royal nicht mehr kennengelernt, ich bin erst nach Frankfurt gezogen, als es bereits geschlossen hatte. Ich kenne aber die alten Bilder und die Erzählungen von denen, die noch zu späten Ufa-Zeiten oder der kurzen Jäger-Periode vor der Schließung drin waren. Das reicht für mehr als einen tiefen Seufzer.
Berichtet haben auch das Journal Frankfurt. Bemerkenswert: Vom Abriss war zwar schon länger die Rede (siehe hier), letztendlich kam er aber doch für die meisten überraschend. "Fakten durch Bagger", wie es im Filmvorführer-Forum hieß. Eine Bilderserie finden Sie auf den Seiten der Karlsruher Schauburg, eines ganz ähnlichen Kinos, das sich aber glücklicherweise bester Gesundheit erfreut: Bestes Kino in Baden-Württemberg 2007. Wir gratulieren und wünschen dem Haus eine lange und glückliche Zukunft.

back in business

Die lange Zeit des Wartens hat ein Ende: wir sind wieder online! Damit gibt es keine Ausreden mehr für blogarme Zeiten, außer "ich kam erst um sieben nach Hause und war müde und hungrig". Und da sollten Sie mich nicht provozieren. Sie glauben ja gar nicht, wie garstig ich werden kann, wenn ich müde und hungrig bin.

Sonntag, 2. Dezember 2007

In 80 Kinos um die Welt

...naja, nicht ganz, aber wieder ist ein Fundstück aus einem anderen (Kino-)Land aufgetaucht, das wir unseren Lesern nicht vorenthalten möchten. Es ist zu finden in Khaled Hosseinis Roman "Drachenläufer", der Geschichte einer Freundschaft. Unsere Reise geht heute nach Kabul, aber nicht in das Kabul, das uns aus den Medien so präsent ist wie so viele Kriegs- und Krisengebiete der nahen und ferneren Welt, sondern in ein Kabul vor der Machtübernahme der russischen Kommunisten 1978. Es ist ein Afghanistan aus Sicht von Kindern, die noch Kinder sein durften. Das Wort hat Amir, Sohn aus reichem Hause, das "wir" bezieht sich auf seinen besten Freund Hassan.
"Wir sahen unseren ersten Western - Rio Bravo mit John Wayne - zusammen im Park-Kino, das gegenüber von meinem Lieblingsbuchladen lag. Ich weiß noch, wie ich Baba gebeten habe, uns mit in den Iran zu nehmen, damit wir John Wayne kennen lernen konnten. Baba brach in wahre Salven seines kehligen Lachens aus - ein Geräusch, das dem Aufheulen eines Lastwagenmotors nicht unähnlich war - und erklärte uns, als er wieder sprechen konnte, den Begriff des Synchronisierens. Hassan und ich waren fassungslos. Benommen. John Wayne sprach in Wirklichkeit gar kein Farsi, und er war auch kein Iraner! Er war Amerikaner, genau wie die freundlichen, faulen, langhaarigen Männer und Frauen in ihren zerlumpten bunten T-Shirts, die wir immer in Kabul herumlungern sahen. Wir schauten uns Rio Bravo dreimal an und unseren Lieblingswestern, Die glorreichen Sieben, dreizehnnmal. Bei jeder Vorstellung weinten wir am Schluß, wenn die mexikanischen Kinder Charles Bronson beerdigen - der, wie sich herausstellte, auch kein Iraner war."

Samstag, 1. Dezember 2007

Hardcore

Wenn Sie etwas von uns lesen wollen, sind Sie hier prinzipiell nicht falsch. Besser dran sind Sie aber die nächsten Tage noch mit der aktuellen Ausgabe von epd Film, in der wir Ihnen in einer weiteren Folge der Programmkinoserie schildern, was Sie im Münchner Werkstattkino erwartet. Und wenn Sie uns nicht glauben, dann sehen Sie doch auf der höchst sehenswerten Homepage nach...

Montag, 26. November 2007

Gruß an Franz

Im Rex gewesen. Gelacht.

Donnerstag, 22. November 2007

Alf Mayer verlässt die FBW

Leider erst heute erreichte uns der folgende offene Breif von Alf Mayer:
"Alf Mayer, Direktor Filmbewertungsstelle Wiesbaden (FBW) 21. November 2007

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Weggefährten,

mit diesen Zeilen verlasse ich die FBW. Es war eine produktive Zeit, es ließ sich etwas ein wenig bewegen, und ich möchte mich bei Ihnen/bei Euch für Unterstützung und viele schöne Momente bedanken. Aber das Leben ist zu kurz und schön, um es in einer Reformblockade zu vertun. Ich habe mich geirrt. Guter Wille, Energie, Ideen und viel Hilfe aus der Filmbranche reichen nicht, die FBW grundlegend zu reformieren. Den Beharrungs-Treibsand der Ministerialbürokratie, eigentümliche Auffassungen von Filmförderungspolitik und blockierte Personalstellen habe ich nun ausreichend erforscht, möge mein Nachfolger hier Land finden.

Meine Bemühungen, die FBW im eigenen Ministerium, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) wieder auf die Landkarte zu rücken, haben viel (zuviel) Reibung erzeugt. Wir haben, wie man in der freien Wirtschaft sagen würde, grundlegende Differenzen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Angestrebt habe ich eine Sockelfinanzierung der FBW aus öffentlichen Mitteln, eine Senkung der Prüfgebühren, insbesondere für Arthouse-Filme, und eine gemeinnützige GmbH oder Stiftung. Dies alles aber bleibt wohl auf Jahre blockiert. Die FBW soll eine Behörde sein&bleiben, bei der alle 16 Länder mitbestimmen, keines aber auch nur einen einzigen Euro zahlt – und auch künftig zahlen will. Hessen ausgenommen. Vielleicht…

Der FBW-Gesamthaushalt liegt bei rund 450 000 Euro. In den Sonntagsreden betonen die Kultusminister gerne die „kulturpolitische Bedeutung der FBW“, an den Werktagen aber muss dieses Geld wie in einem privaten Profitcenter, jedoch unter flächendeckend bürokratischen Bedingungen von der FBW höchstselbst erwirtschaftet werden. Dies aus dem leider schrumpfenden Kuchen des Verleih- und Kinosektors, wo jede Hilfe sinnvoll wäre, auch die der FBW-Prädikate. Die aber sollen „besser vermarktet“, „mehr Filme akquiriert“ und „neue Geschäftsfelder erschlossen“ werden (O-Ton KMK). Mit dem staatsvertraglichen Auftrag der FBW, „den guten Film zu fördern“, hat dies nichts mehr zu tun. Eine Förderung ohne den Einsatz öffentlicher Mittel ist keine Förderung.

Die 1951 gegründete FBW ist die älteste Filmförderungs-Institution der Republik. Früher hatten die FBW-Prädikate eine steuerbefreiende Wirkung von jährlich 50 bis 100 Millionen Mark. Heute ist die Arbeit der ehrenamtlichen FBW-Jurys den Ländern nicht einmal deren Reisekosten und die karge Aufwandsentschädigung wert (Jury-Gesamtkosten: 50 000 Euro, also 3333 Euro je Land und Jahr).

Verweigert wird auch eine Sockelfinanzierung der FBW, die ohne eine solche hundertprozentig abhängig bleibt von den freiwilligen Filmeinreichungen der Filmverleihe. Die Unabhängigkeit der FBW sei ja gewahrt, meint die Politik, weil die Jurys nicht direkt von der Filmwirtschaft bezahlt würden. Stimmt, falls man es ethisch nicht so genau nimmt.

Eine Sockelfinanzierung der FBW, das wären lächerliche 200 000 bis 320 000 Euro pro Jahr, geteilt durch 16 Länder also je 12 500 bis 20 000 Euro.

Dazu kommt Paragraph 12 der FBW-Verwaltungsvereinbarung, der verlangt: „Sämtliche Einnahmen der FBW sind zweckgebunden und ausschließlich für die der FBW obliegenden Aufgaben zu verwenden. Überschüsse sind einer Rücklage zuzuführen.“ Ist es die der FBW obliegende Aufgabe, dem Land Hessen über Jahrzehnte eine Obere Landesbehörde inklusive aller Personal- und Verwaltungsaufgaben voll zu finanzieren? Wie weit das Usus geworden ist, zeige ein makabres Beispiel: Todesanzeige und Grabkranz meines Vorgängers Steffen Wolf, 23 Jahre Bediensteter des Landes Hessen, mussten aus den FBW-Prüfgebühren beglichen werden, weil das Ministerium sich verweigerte.

Jetzt, kurz vor meinem Abschied, ließ sich mit viel Druck erreichen, dass das Land Hessen mit Wirkung vom 1. September 2007 der FBW die Miete im Schloss Biebrich „erlässt“. Das begrüße ich sehr und bedanke mich bei den hier Handelnden, geht es dabei doch um immerhin 65 000 Euro im Jahr.

Aber: Es hat aber fast 25 Jahre gedauert, bis im Lande Hessen endlich der Beschluss der Finanzministerkonferenz vom 20.1.1983 vollzogen wird, wonach „die Unterbringung von ländergemeinsamen Einrichtungen in landeseigenen Gebäuden unentgeltlich erfolgt“.
25 Jahre lang hat sich das Land Hessen aus den Einnahmen der FBW (siehe § 12) - also von der Filmwirtschaft, von Filmverleihen, Produzenten, kleinen Filmemachern und auch von Filmstudenten – die FBW-Miete einverleibt und der Förderarbeit entzogen. 25 Jahre FBW -Mietkosten machen, konservativ verzinst, heute 1,96 Millionen Euro.

Darauf hat die FBW ein politisches Anrecht. Damit stünde die FBW heute ganz anders da. Damit kann die FBW neu gestaltet werden. Das ist genug Kapital für eine Stiftung oder eine gGmbH. Und damit können auch endlich die Prüfgebühren insgesamt und besonders für Arthouse-Filme gesenkt werden, wie ich es stets gefordert habe. Hessen ist am Zug. Hessen hat eine Bringschuld.
Alf Mayer"
Wir geben zu, dass das FBW-Prädikat nach unserem Eindruck nicht mehr für das stand, was es sein sollte - viele Prädikatvergaben haben uns sehr verwundert. Wir wissen aber auch, dass dies nicht zuletzt den hohen Prüfgebühren geschuldet war und Alf Mayer sich hier für eine Neupositionierung stark gemacht hat. Der Gedanke eines Markenzeichens für gutes Kino - und diesen Ruf genießt das Prädikat unvermindert - spricht uns aus der Seele. Wir wüßten es gerne auch auf Filmtheater erweitert. Dass dieser Versuch letztlich an mangelnder Wertschätzung scheitern musste, bedauern wir. Wir hoffen, dass die Energie und der Optimismus, den Alf Mayer jederzeit verströmt, zukünftig auf fruchtbareren Boden fallen.

Montag, 19. November 2007

Nikolaus wird vorverlegt

Und noch eine ganz kleine Randnotiz: ab dem 4.12. ist wieder mit geregeltem Blog-Betrieb zu rechnen. Nach dann sieben Wochen Telefon-und-DSL-Lieferzeit glauben wir eigentlich an gar nix mehr, machen aber vielleicht eine Ausnahme, weil bald Advent ist.

Nun rettet das Metropol doch endlich!

Wir waren da: im Metropol, dem legendären Bonner Kino, das auf der Abschussliste steht. Zwar ist das Kino geschlossen, doch das Foyer des Filmtheaters wird zwischengenutzt. Von einem Ein-Euro-Shop. Das schmerzt sehr, hat aber auch sein gutes: Das Shop-Mobiliar besteht nur aus Ständern und Grabbelkisten, ist zum größten Teil auf Rädern und somit leicht entfernbar.

Aber, bitte, stellen Sie sich folgendes vor: ein zentraler Platz in der Fußgängerzone einer deutschen Stadt. Wochenmarkt. Rundum mehr oder weniger historische Gebäude, die die üblichen Einzelhandelsketten beherbergen. Und auf einem dieser Häuser prangt die Leuchtschrift Metropol. Wenn Sie auf den Eingang des Gebäudes zugehen, wird Ihnen auffallen, dass das Schild "Ein-Euro-Shop" darüber eigentlich die Programmtafel war. Das kennt man auch aus der Frankfurter Schäfergasse. Zwischen den ersten Ständern mit nutzlosen Plastikprodukten fallen Sie über eine leichte Stufe, und siehe da, Sie befinden sich in einer Vorhalle, deren Decke mit metallisch glänzender Farbe in gold, kupfer und platin gestrichen ist. Durch den Eingang betreten Sie das Foyer, kreisrund, die Decke kuppelförmig und in den selben Farben gehalten, indirekt beleuchtet. Übrigens in einwandfreiem Zustand. Wenn Sie diese Architektur sehen, denken Sie unweigerlich: Poelzig. Murnau. Links und rechts Treppenaufgänge, "Großer Saal" und "Kleiner Saal", irgendetwas in der Art, der Rang scheint also zum eigenen Kino abgetrennt zu sein. Dort, wo wir die Kassen vermuten, ist eine zugestellte Spiegelfront, womöglich Teil des Ramschladenmobiliars. Fotos, die ich gesehen habe, würden aber darauf hindeuten, dass das Kassenhäuschen bereits nicht mehr an seinem Platz steht...? Es ist schwer zu sagen.


Nun, kaum dass wir amtlich in Bonn gemeldet waren, sind wir gleich mal unserer Bürgerpflicht nachgekommen und haben das Bürgerbegehren unterschrieben. So wie angeblich 14.000 andere auch. Allen Nicht-Bonnern empfehlen wir zumindest, sich mal die gewaltige Wikipedia- Materialsammlung anzusehen.

Mittwoch, 14. November 2007

Berlinale - wir kommen?

Der Förderverein Deutscher Kinderfilm (FDK) meldet in der aktuellen Ausgabe (112 - 4/07) der Kinder- und Jugendfilmkorrespondenz:
"Bestandsaufnahme vorgelegt
Im Auftrag des FDk und gefördert vom BKM legte nun Kinolabor Anna Scherbening und Jan P. Sefrin GbR 'Die Auswertung deutscher und europäischer Kinderfilme in Programkinos - eine Bestandsaufnahme' vor. Auf 170 Seiten haben die beiden Verfasser Gespräche mit 21 Kinobetreibern und einem Regisseur dokumentiert und ausgewertet. Die Studie, dient nun als Grundlage zur Erarbeitung eines Maßnahmenkataloges zur Verbesserung der Situation.
Studie sowie Maßnahmenkatalog sollen zu den Internationalen Filmfestspielen Berlin oder zum Deutschen Kinder-Medien-Festival GOLDENER SPATZ: Kino - TV - Online vorgelegt werden."
Na, unter diesen Umständen fahr' ich vielleicht doch zur Berlinale...

Freitag, 9. November 2007

Danach ist davor


Hat sofort unsere Sympathien geweckt. Leider steht die Kneipe leer!

Lob für ein Multiplex

Bei unserem letzten Besuch im Kinopolis Bad Godesberg - wir haben eeend-lich Ratatouille gesehen - waren wir ein bisschen früh dran und hatten Zeit uns im Foyer umzusehen. Wie wir entdecken durften, ist man dort ums Familienprogramm bemüht.

Schon vor ein paar Wochen, als ich samstags im Vorübergehen einen Blick ins Foyer warf, waren mir jede Menger kleiner Mädchen im Prinzessinnen- und (Lilli?)Feen-Outfit aufgefallen, an die Präsente verteilt wurden. Solche Aktionen k
ennen wir vor allem aus kleinen Provinzkinos, die sich so etwas einfallen lassen, um ihr Publikum nicht an die Center in der Umgebung zu verlieren. Damit die Brüder der Lillifeen auch auf Ihre Kosten kommen, tourte vor ein paar Tagen auch der Badeschwamm-Nerd Spongebob.

Beim Umschauen entdeckten wir dann auch den Familienpreis: Eltern zahlen nur den Kinderpreis von 4,90 EUR, wenn sie mit ihren Kindern ins Kino gehen. Gilt natürlich nur vor 19 Uhr und für Filme mit FSK 0 und 6, womit dann Harry Potter geschickterweise gleich wieder außen vor wäre... aber das ist ja eh nix für Kinder, gelle. Gefallen hat uns auch, dass eine Wand dafür genutzt wurde, Szenenfotos in verschiedenen Kategorien (Kinder, Arthouse, etc.) auszustellen, die mit Kurzbeschreibung und FSK-Störer versehen waren. Das sieht man nicht mehr in allen Kinos, häufig geht man ja davon aus, dass sich die Zuschauer schon vorher entschieden haben oder sich an der Kasse nach kurzer Beratung im Zweifelsfall sowieso für die Ben-Stiller-Komödie entscheiden.

Außerdem hat sich Kinopolis die Young Sneak ausgedacht, was vielleicht endlich mal eine angemessene Antwort auf die Filesharing-Szene ist: Film vor dem Bundesstart zu niedrigem Eintrittspreis.

Jetzt wäre es freilich schön, wenn das Haus auch bei Sauberkeit und Projektion Standards setzen würde, aber leider: die Schuhsohlen geben auf den verschiedensten Böden schmatzende Geräusche von sich. Und im Kino 5 sahen wir Ratatouille ungekascht. Gewöhnlich lautet die Ausrede in so einem Fall "unsere Masken sind so gut, da brauchen wir keinen Kasch" - war in diesem Fall tatsächlich so, die Bildränder waren klar umrissen. Aber die Trapezverzerrung erkannte man dadurch eben auch deutlicher. Aber wenn die Erlebnisqualität dem Gängigen entspricht und dafür im Programm ein bißchen mehr als gewöhnlich geboten ist, ist das für den Zuschauer schon ein Gewinn auf den Durchschnitt.

Sonntag, 28. Oktober 2007

Kleine Zwangspause

Liebe Leser,
kinolabor bezieht dieser Tage (endgültig) neue Räume, die erst in den nächsten Wochen (argh!) mit den zum Bloggen erforderlichen Anschlüssen für elektronische Datenübermittlungsverfahren ausgerüstet werden. Abgesehen davon sind wir sowieso mit Kisten buckeln und Innenarchitektur beschäftigt. Bis dahin werden die Einträge sicher etwas spärlich ausfallen. Aber sobald wir aus unserem Labor über andere Wege als aus-dem-Fenster-winken kommunizieren können, legen wir wieder richtig los!


Montag, 22. Oktober 2007

Filmtip

Entgegen unserem Credo, uns eigentlich dem Kino und nicht dem Film widmen zu wollen, muß ich hier mal einen Filmtip aussprechen. Ohne den Film gesehen zu haben. Trotzdem. Vor zwei Jahren bin ich bei meiner Freundin in Kairo auf das Buch "Persepolis" von Marjane Satrapi gestoßen. Vor geraumer Zeit hörte ich, daß die wunderbaren Comics, die das Leben einer iranischen Teenagerin in und außerhalb des Irans beschreiben. Mit den iranischen Traditionen und Regeln ebenso wie mit dem Westen kommt es zu heftigen Konfrontationen, und die Absurdität und gleichzeitig Notwendigkeit von Regeln und Liebgewonnenem kommen scharfsinnig zum Ausdruck. Gerade wird der Film in Berlin synchronisiert, noch dieses Jahr (22.11.) soll er endlich in die deutschen Kinos kommen.

Die Filmwebsite übt sich übrigens in Guerilla-Taktik: www.persepolis-derfilm.de führt einen zu MySpace.com.

Kuriosum

Eben aus Versehen www.xverleih.de (ohne Bindestrich) statt www.x-verleih.de (mit Bindestrich) eingegeben. Wußten Sie, daß man dann bei www.bilderab18.com (registrierungspflichtig) landet?!

Deutschland gegen Deutschland

Wie von mir schon wenig scharfsinnig, weil offensichtlich, orakelt, traten ja "Paulas Geheimnis" und "Max Minsky und ich" gegeneinander an. Nicht nur um die Gunst des deutschen Kinopublikums, sondern nun auch bei dem 21. Internationalen Kinderfilmfestival Cinekid in Amsterdam. Wie Filmecho berichtet, hat einer der beiden Filme nun sogar den mit 15 000 Euro dotierten Hauptpreis des Festivals gewonnen: X-Verleih ist mit "Max Minsky und ich" der große Sieger. Den Produzenten, Darstellern und Verleihern von "Paulas Geheimnis" bleibt der Trost, im letzten Jahr bei LUCAS ausgezeichnet worden zu sein. Allen anderen, die Preise mit Verachtung strafen, sei der Standpunkt von Charlotte Rampling zu diesem Thema in "Swimming Pool" ans Herz gelegt.

Notiz für mich

Auch bei programmkino.de gefunden: Ein Artikel über das beliebte Drama Programmkinos versus Multiplexe, aufgeführt in der aktuellen Spiegelausgabe. Essen soll als Paradebeispiel dienen - naheliegend, da hier die Lichtburg seit vielen Jahrzehnten das Auf und Nieder der Essener Kinoszene überwacht, umgeben von den Filmkunsttheatern, die auch eine Menge Geschichten zu erzählen haben (gerade der hoffentlich überstandene Kampf um das Kino im Glückauf-Haus), und die ebensolch sehnsüchtige Jugenderinnerungen wecken können, wie ich gerade feststellen durfte. Also: Sobald ich wieder in Deutschland bin, zum Kiosk, und sehen, wie vielseitig eine neue Kampfrunde aussehen kann.

Alte Bekannte

Und wieder einmal haben wir die Freude, guten alten Bekannten gratulieren zu dürfen: Wie programmkino.de meldet, wurden am 12.10. die diesjährigen hessischen Film- und Kinopreise verliehen.
Unter den Geehrten sind die wichtigsten Frankfurter: Das Mal Seh'n Kino, das Filmtheater Valentin und das Orfeos Erben. Auch die Kasseler Programmkinos wurden bedacht: Mit dem Filmladen und den Bali Kinos wurden echte Cineasten geehrt. Mit dem Traumstern in Lich und dem Ried-Casino in Nauheim wurden ohne Zweifel die Richtigen bedacht, und auch Kammer/Palette/Atelier in Marburg sind mit dabei.
Schließlich erhielten auch das Capitol Kino Witzenhausen und das Programmkino Rex in Darmstadt Preise - zwei Kinos, die ich noch nicht kenne, spätestens jetzt aber natürlich kennenlernen muß! Bis dahin: Herzlichen Glückwunsch an alle!

Sonntag, 21. Oktober 2007

Die kleine Lösung

So stand es schon 1969 in der Dichter-Studie: Fernsehen ist die kleine Lösung. Die man nimmt, wenn Ehemann und Ehefrau nicht in der Lage sind, sich auf einen Kinofilm zu einigen, in den man geht; die man nimmt, wenn keine Zeit ist; die man nimmt, wenn kein Geld da ist.

Es ist eine kleine Lösung, für die ich, auch wenn sie nicht „das Wahre“ ist, heute auch mal Partei ergreifen will. Immerhin, mein Interesse für Filme wurde im Fernsehen geweckt. Mit ungefähr 18 sah ich Das lange Elend (The Tall Guy) auf 3sat. Eine der sehr guten britischen Komödien, und das erste Mal, dass ich dachte, aha, Film ist mehr als Star Wars und Sophia Loren. Letztendlich waren es ein paar Film-, nicht Kino-Erlebnisse dieser Art, die mich dazu bewogen, nicht nur Theater-, sondern Theater-, Film- und Medienwissenschaft zu studieren – mal schauen, man weiß ja nicht, wohin die Reise geht. Bei der Kinofanatikerin Heide Schlüpmann und ihren Verbündeten ging die Reise richtung Kino. Seitdem spielt der Film manchmal eine untergeordnete Rolle – soweit das überhaupt geht, denn das schönste Filmtheater hilft nichts, wenn der Vorhang zu und die Leinwand weiß bleibt.

Wir Filmtheaterfreunde (ich will nicht von Fetischisten reden) sprechen gerne verächtlich vom Fernsehen. Nicht ganz zu Unrecht, aber manchmal muss man das Bild auch gerade rücken, so wie mit den „bösen“ Multiplexen, die ja auch ihr Gutes haben. Im Zweifelsfall würde ich mich eher für ein x-beliebiges Plex entscheiden als in ein fraghaftes Center zu gehen. Bei der qualitativen Bandbreite an Centern kann „Multiplex“ schon ein Qualitätsversprechen sein – hat vielleicht kein Flair, wird aber schon ganz in Ordnung sein, das Bild groß und die Sitze bequem.

Beim Fernsehen ist es so: wenn man sich dessen bewusst ist, worauf man sich einlässt, kann man es schon riskieren. Einen Film anhand der Fernsehausstrahlung zu beurteilen ist fragwürdig. 2001 etwa ist ein kreuzdämlicher Film, wenn man ihn in der Glotze sieht. Im Kino ist er ein sagenhaftes Erlebnis. Er mag einem immer noch irgendwie schwachsinnig vorkommen, aber die Farben und die Musik blasen einen einfach weg und man hat einen Heidenspaß dabei. Und ein Film, der im Fernsehen funktioniert, wird im Kino wohl auch nicht schlecht sein. Man muss sich halt darüber im Klaren sein, was man sieht: ceci n’est pas une pipe (sondern das Bild einer Pfeife).

Wie ich darauf komme? Ich gehöre derzeit und wer weiß wie lange noch auch zu jener bedauernswerten und von meinesgleichen Kinogeher so gern bespöttelten Klientel, die „keine Zeit“ fürs Kino hat. Sicher, ich knappse mir hier und da am Wochenende was ab, aber täglich wechselnde Programme bereiten mir Kopfschmerzen. Wer um sechs, sieben, acht heimkommt und dann noch seine Hemden bügeln muss und vielleicht einfach noch die Füße hochlegen will, der hat es schwer. Das Kino fordert ein Entgegenkommen von uns, räumlich und sinnlich.

Die letzten Tage nun war ich dankbar, mir von der Konserve DVD-Recorder ein paar Fernseh-Highlights ansehen zu können. Dear Wendy habe ich mir im Kino entgehen lassen. Der Trailer gefiel mir schon, aber die Namen des Regisseurs und des Drehbuchschreibers haben mich dann doch abgeschreckt – schade. Für Ein pikantes Geschenk hätte ich der Beschreibung nach sicher kein Geld ausgegeben. Und wo läuft so ein oller Schinken schon noch. Lina Braake kriegt man sicherlich hier und da zu sehen, wahrscheinlich sogar noch öfter als im Fernsehen. Aber da muss man sich schon wieder ein bisschen drauf einlassen, und das tut man ja doch nicht immer, wenn man sich’s vornimmt.

An allen drei Filmen hatte ich großes Vergnügen, allein schon, weil es in ihnen um Menschen geht, die vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind. Darum geht es ja im Film: zu sein, was man nicht ist, zu haben, was man nicht hat, und zu tun, was man nicht darf. Neunzig Minuten lang.

Ich hatte sozusagen das Kino bei mir auf Besuch. Wenn’s hinhaut, folge ich heute der Gegeneinladung.

Mittwoch, 17. Oktober 2007

Fundsache

Wo wir nun schon einmal bei Kinos in fremden Ländern sind, möchte ich gerne eine kleine Fundsache präsentieren. Ausnahmsweise geht es diesmal nicht um Tucholsky, es ist Rafik Schami, bei dem ich fündig geworden bin. Der Auszug entstammt seinem Buch "Die Sehnsucht der Schwalbe"(2000), die Stadt, um die es geht, findet sich in Syrien: Damaskus.

"Mansur, ein alter Freund meines Vaters aus seiner Zeit in den USA, kam eines Tages mit viel Geld nach Damaskus und eröffnete den Kinopalast Las Vegas. So etwas hatte die Stadt bis dahin nicht gekannt: einen voll klimatisierten Kinosaal mit tausend Sitzplätzen, alle gepolstert und mit rotem Samt überzogen.

Mansur war ein Genie, dessen Vision vollkommen aufging. Vorher hatten wir nur zwei Arten von Kinos in Damaskus gehabt: Die einen waren billige, stinkige Spelunken, wo man als Junge besser nicht ohne Begleitung hinging. Mädchen durften solche Kinos ohnehin nicht betreten. Die anderen waren zwar feiner, doch sie waren klein und veraltet. Und wenn dort überhaupt mal ein guter Film lief, waren die Karten für die hundert oder zweihundert Plätze schnell ausverkauft. Als normaler Sterblicher hatte man gar keine Chance hineinzukommen.

Doch nun war mit dem Las Vegas ein riesiger Palast entstanden. Der Kinobesitzer besaß die besten Verbindungen zu allen internationalen Verleihern. Seine Filme waren Weltklasse - Bestseller der Kinogeschichte.

Die Leute standen Schlange vor seinem Haus, egal, was geboten wurde, denn schon allein der Besuch seines Kinos war ein Erlebnis."
So weit Rafik Schami in der Stimme seines Erzählers Lutfi. In unseren Kategorien würde man die erwähnten Kinos unschwer in Multiplex, Porno- und Provinz, in einem seltenen Fall vielleicht sogar als Programmkino einstufen. Doch bin ich in der syrischen Kinoszene nicht so bewandert, daß ich mir zutrauen würde, diese Maßstäbe so einfach dort anzusetzen.
Zumal auch die Datierung eher schwierig ist, zwar läßt sie sich vom Buch ableiten, doch mag Schamis eigene Erinnerung, da er in Damaskus aufwuchs, dort auch mit reinspielen. So oder so könnte es in den 1960er oder 70er Jahren gewesen sein.
Für Lutfi spielt das Kino selbst weiter keine tragende Rolle, doch lernt er dort die erste große Liebe seines Lebens kennen: eine Filmfanatikerin, allerdings eine von der melodramatischen Sorte. Und so verwundert seine Sehnsucht nicht, sich nach einer Weile wieder der Realität zuzuwenden - trotz tausend mit rotem Samt bezogenen Sitzplätzen...

Dienstag, 16. Oktober 2007

"Kino" im Wandel der Zeit

Die eine Hälfte von kinolabor befindet sich zur Zeit an einem Ort, der von einem richtigen Kino einige Kilometer entfernt ist: ein kleines Dorf im Süden Frankreichs. Paris ist ja mit Kinos gesegnet*, auch Bordeaux hat wunderschöne Filmtheater, darunter auch einige ehemalige, leider. Aber hier - ich komme an diesen Ort seit 24 Jahren. Ganz am Anfang gab es nur das "Théâtre de verdure", das Theater im Grünen - genaugenommen inmitten von Pinien bewachsenen Sanddünen - wo im Sommer immer wieder auch Filme gezeigt wurden.


Ein weiterer beliebter Treffpunkt war ein Festzelt, das im Laufe der Jahre durch eine Mehrzweckhalle ersetzt wurde. Ein Sturm hatte den Großteil der umliegenden Wälder zerstört, so daß ausreichend Bauholz vorhanden war. Zweimal die Woche konnte man erwarten, daß in diesem Raum mit dem Charme einer Turnhalle ein Film zu sehen war - immerhin war es eine 16mm-Projektion, wenn ich mich richtig erinnere, denn die Zeit von Beamern hatte noch nicht begonnen. Vielleicht wurde aber auch nur die Investition gescheut.


Jetzt bin ich zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder hier, und schon hat sich eine erneute Änderung vollzogen. Da Mitte Oktober keine Hauptsaison mehr herrscht, bleibt das Ankündigungsschild "Heute 21 Uhr 30:" verwaist. Stattdessen wird dem Filmliebhaber ein 24h-DVD-Shop angeboten: Mieten eines DVD-Players auf Wunsch ebenfalls möglich.
Das kleine Haus, in dem sich dieses Geschäft heute befindet, war übrigens mal ein Fotoladen, natürlich für analoge Geräte. Auch so eine verschwindende Kunst.

P.S.: Wußten Sie, daß in Frankreich Mads Mikkelsen (Le Chiffre aus "Casino Royale") für H&M modelt? Finden Sie das auch so befremdlich?


* einen sehr hübschen Überblick verschafft z. B. "Kinokompendium"

Sonntag, 14. Oktober 2007

Film mit Führer

Und dann war ich gleich heute mittag nochmal im Kino. Sonntags um zwölf ist eigentlich pervers, vor allem wenn draußen die Sonne scheint und es keine Matinee mit einem "sieht man nie wieder"- oder "sieht man immer wieder gern"-Klassiker ist. Aber um eine andere Zeit zeigte das Kinopolis in Bad Godesberg Leroy nicht.

Ich hatte schon so einen Verdacht, der einizige im Saal zu sein, als ich die Uhrzeit las. Er erhärtete sich, als mir die nette junge Dame an der Kasse "Letzte Reihe Mitte?" anbot. Das ist ein Platz, der kann eigentlich in keiner Filmvorstellung frei sein. Irgendwer sitzt immer letzte Reihe Mitte. Ich hab mich trotzdem für Mitte-Mitte entschieden.

Der Saal sah aus, wie ein Kinopolis-Saal eben aussieht. Tschuldigung. Ist halt so. Der Boden war mit glukosehaltiger Traktionshilfe behandelt, damit man die Bodenhaftung nicht verliert. Der Vorhang war weiß - spannend, gibt einen schönen Effekt, wenn man auf den sich öffnenden Vorhang projiziert. Zur Einstimmung auf den Film dudelte hirnerweichende Soul-Musik auf mich ein, die ihre Wirkung nicht verfehlte: es wurde Werbung gezeigt, ganz exklusiv für mich. Weder habe ich ein Eis gekauft (es kam auch gar kein Eisverkäufer in der automatischen Eispause), noch wurde mein Interesse für Tauchsportzubehör oder den neuen Mitsubishi geweckt. Cola trinke ich schon, und "Lola" von den Kinks fand ich schon cool, bevor es für die Werbung wieder ausgegraben wurde. Aber ich möchte jetzt das Lied aus der Generischen Kampagne haben, das mir nach ungefähr eineinhalb Jahren standhafter Aussetzung langsam wirklich gefällt.

Anschließend bekam ich eine Kostprobe in intelligentem Trailering: Abbitte folgte auf Pornorama. Das ist Projektionistenhumor, den ich schätze. Nicht ansehen werde ich mir außerdem den Weihnachts-Fantasyfilm von BVI und "Knut - der Film" (Königreich/Wunderwelt/irgendwas der Arktis) mit dem wunderbaren Slogan "Die erste Naturdokumentation für Kinder". Aber danke für die Info.

Irgndwann drückten sich dann doch noch zwei Knirpse rein (letzte Reihe Mitte), die gottseidank Nachos mithatten. Deswegen bin ich heute nicht in Ratatouille gegangen: ein "kruntsch-kruntsch" aus vierhundert Mündern als Begleitmusik zu einer Anmiationskomödie über die Haute Cuisine wäre einfach zu viel verlangt gewesen.

Was den Film angeht - hätte ich bloß mal vorher die Kritik auf programmkino.de gelesen. Es war sogar noch schlimmer: die eine Hälfte des Humors, die wirklich zündet (etwa das Erfrischungsgetränk mit Namen "Ghetto Raid", das der Set Decorator am Rande des Geschehens plaziert hatte), kriegt ein Zwölfjähriger noch nicht richtig mit, schon gar nicht, wenn Wörter wie "Antifa" fallen, die andere Hälfte amüsiert schon seinen fünfjährigen Bruder. Tun Pupsgeräusche und Epilierpflaster immer. Außerdem muss ich mir ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Ich bin aus wissenschaftlichem Interesse hier" machen lassen, wenn ich zukünftig Kinder- und Jugendfilme anschaue. Oder einen Fünf-Liter-Eimer Popcorn mitnehmen, den ich mir beim Verlassen des Saals über den Kopf stülpen kann. Denn sich als erwachsener Mensch das Kindersoftporno-Gedöns in den Wilden Kerlen 3, den Wilden Hühnern und der Liebe und Leroy angsehen zu haben, reicht, um sich wirklich schäbig vorzukommen. Bei Leroy, der zotigen Humor, Pennälererotik, echte politische und soziale Probleme wie auch Satire in allen Abstufungen durch den Wolf dreht, greift keine FSK-Freigabe mehr. Ein Zwölfjähriger kapiert nicht genug, für einen Sechzehnjährigen ist es Kindergartenscheiße. So einen Film kann man Kindern und Jugendlichen nur unter Anleitung zeigen und mit Ihnen diskutieren. Zeit für die EG-Regelung: Educational Guidance. Und die zieht sich bitte nicht vor den Kindern aus wie Leroys Deutschlehrerin und feiert das als disziplinatorische Errungenschaft, während sich ihr afrikanischstämmiger Schüler zum Blaxploitation-Rächer "emanzipiert".

Die beiden Knirpse entpuppten sich beim Verlassen des Kinos als zwei schwarze Mädchen, ungefähr dreizehn. Hoffen wir, dass sie irgendwann in einer Schulvorführung La Haine sehen.

Zweimal hinschauen

So nach und nach nehme ich mir jetzt die Bonner Kinos vor. Gestern abend war das Kino in der Brotfabrik dran. Nach meinen Erfahrungen mit dem Rex hatte ich mir reichlich Zeit für die Anreise eingeräumt... und einen Parkplatz vor der Tür bekommen. Na gut, so war genug Zeit sich umzuschauen. Wer bei "Brotfabrik" romantisch an Zeise-Hallen oder so denkt, irrt leider. "Münchner Hallenkultur" à la Kunstpark Ost (wie heißt der jetzt? Kultfabrik?) trifft's eher. Hinterhof, Treppe - immerhin ein paar Etagen weniger als in den Hackeschen Höfen -, Foyer und Bar verströmen nicht gerade Gemütlichkeit. Auch der Kinosaal ist eher vom Pragmatismus geprägt: Schwarze Wände, Kasch, Sitze in einem verstörenden Pastellton, den ich auf einer braun-rosa-orange-Skala nicht einzuschätzen vermag. Hat mir gefallen, dass sich da mal jemand was ganz anderes ausgedacht hat. Ein Gefälle hat die Bausubstanz nicht hergegeben. Ich werd da in Zukunft trotzdem ein und aus gehen: mir drängt sich langsam der Verdacht auf, dass man vom Mangel der Beinfreiheit auf die Güte des Programms schließen kann. In der Brotfabrik sind die Reihen eng, also wird ernstzunehmendes Kino gemacht. Täglich wechselndes Programm und so.

Dementsprechend war das Publikum. Bionade nuckelnde Studenten
(früher war Avantgarde wenigstens ungesund), Kulturkonsumenten im Rentenalter, einsame Cinephile, eben alles was links von der Mitte so hergibt. Kann am Film gelegen haben: Am Ende kommen Touristen.

Am Personal des Publikums hab ich ja immer meine helle Freude. Hinter
mir saßen Leute, die sich über den Schwiegersohn unterhielten, "so ein Managertyp, der jeden Tag ein frisches Oberhemd anzieht. Die Paula bügelt ihm die alle." Vor mir eine Bildungswütige vom Typ "Kulturdragoner", und als ob sie drauf gewartet hätte, ging in den ersten Sekunden des Vorspanns noch ein Handy los. "JA SUPER! Das sind echte Cinéasten!" hat sie da gekeift. Und dann nochmal laut geräuspert, weil das ältere Ehepaar neben ihr noch schnell den Satz ausgeredet hat. Dabei trifft man in der Brotfabrik sicherlich richtige Cinéasten, wer schaut sich schon Samstags abends einen Film über Zivis in Auschwitz an? Gut, hauptsächlich zumindest. Denen hinter mir muss Loriot die Dialoge geschrieben haben.

[Einblendung auf der Leinwand: Demnächst im Original mit Untertitel]
Frau: "Demnächst mit Original mit Untertitel."
Mann: "Hmhm."
Frau: "Vielleicht zeigen die den heute abend auch im Original mit Untertiteln."
Mann: "Ach so?"
Frau: "Machen die ja viel hier. Aber ist ja ein deutscher Film."
Mann: "Ach."

Kino - dafür werden Filme gemacht.

Der Film hatte nicht die bleierne Schwere, die man vom Thema erwarten würde, Lachen war aber natürlich streng verboten, auch wenn es vielleicht ein paar Stellen gegeben hätte, die es zugelassen hätten. Ich habe mich mal aufs Lächeln beschränkt, irgendwer hatte gewiss einen Schirm dabei, den er oder sie mir im Zweifelsfall übergebraten hätte. Dabei war allein der Hauptdarsteller schon eine Albernheit. Zivis sind nunmal Milchgesichter, die besetze ich nicht mit dem dreitagebärtigen Studenten-Stereotyp.
Das Licht blieb bis zum Ende des Abspanns aus, der Kulturdragoner verließ als erste energischen Schrittes den Saal. Ja super. Das sind echte Cinéasten.

Freitag, 12. Oktober 2007

Nackte Zahlen?

„Kino ist zu teuer“, das Argument ist in der Fachpresse und auch bei Nicht-Kinogängern als Ausrede populär. In der Motivationsstudie Kino (2005) gaben 58% aller Befragten und immer noch 42% der Nichtkinogänger an, sie würden bei sinkenden Preisen wahrscheinlich öfter ins Kino gehen. Dass dieser Effekt tatsächlich eintreten würde, und vor allem, um wie viel niedriger die Preise sein müssten, damit das geschieht, ist damit nicht gesagt.

Als Ursache für diesen Trend werden in ermüdender Einigkeit die schlechte gesamtwirtschaftliche Lage, die Konsumflaute und die „Geiz ist geil-Mentalität“ genannt. Selbst die Betreiber von Programmkinos, bei denen der durchschnittliche Eintrittspreis mit 5,90 €, wenn auch nur knapp, unter dem aller Kinos (5,96 €) liegt, sind sich darüber aber uneinig. In manchen Gegenden machen sich Arbeitslosenzahlen von bis zu 30% bemerkbar, Arthouse-Kinos in den Großstädten stellen dagegen so gut wie keine Preissensibilität bei ihren Kunden fest: 8,50 € lassen sich nur von einem wohlhabenden Großstadtpublikum ab 30 verlangen. Gerade dieses zeigt sich auch empfänglich für Wellnesskonsumgüter wie Wein, Sekt, Kaffee aus der Monstermaschine, Öko-Produkte etc.

Die Preisdiskussion führt in die falsche Richtung. Es geht nicht darum, ob Kino zu teuer ist, sondern dass die Zuschauer nicht (mehr) bereit sind, für das Kino Geld auszugeben. Im Vordergrund der Debatte stehen die Preissysteme der Multiplexe – Rabatte am Kinotag und unter der Woche, Kartenpreise von neun Euro und mehr am Wochenende, dazu überhöhte Preise für Popcorn, Cola, Eis etc. Das trifft besonders Familien hart, und der nicht zu vernachlässigende Multiplikatoreffekt bei dieser Klientel (Arbeitsplatz, Kindergarten, Spielplatz) beschädigt das Image des Kinos nachhaltig. Unsachlich an dieser Diskussion ist vor allem, dass kaum zwischen Concession- und Kartenpreisen differenziert wird und die Kinopreise meist in keinerlei Relation zu anderen Unternehmungen gesetzt werden (von „Genussdauervergleich“ war da mal die Rede – scheußlich).

Die Branchenblätter aber erreichen nicht diejenigen, die samstags mit zwei Kindern an der Popcorntheke stehen und beschließen, nächstes Mal lieber die DVD zu kaufen. Auch die wirtschaftlichen Hintergründe (Verleih, Raummieten, Modernisierungen) bleiben für den gewöhnlichen Kinobesucher im Dunkeln. Wie würde es sich auf die Preiswahrnehmung auswirken, wenn die Besucher wüssten, dass ein Arthouse- oder Programmkino statistisch nur 16 ct pro Karte verdient – vor Kapitalkosten?

Verfehlt ist unabhängig von der Höhe der Preise die Preispolitik, selbst in vielen Programmkinos. Angelehnt an die Preissysteme der Multiplexe, die in über 30 Kategorien ausdifferenziert sein können, wird munter auseinandersortiert nach Parkett/Loge, Wochentag und Uhrzeit, eventuell auch nach Sälen, es gibt Ermäßigungen an Kinotagen, für Kinder, deren Eltern, Studenten, etc. die pauschal, aber auch nach Kindern und Studenten, Uhrzeiten, Wochentagen etc. getrennt gehandhabt werden können. Hinzu kommen Überlängenzuschläge, ggf. noch nach Dauer gestaffelt. Unter dem Gesichtspunkt von Angebot und Nachfrage mag das einsichtig sein, transparent ist es nicht. Was kostet der Eintritt mittwochs, nach 14, aber vor 17 Uhr, für einen Schüler (ermäßigt) und seine Mutter (nicht ermäßigt, außer sie ist Studentin) im großen Saal, Loge, für einen Film mit 140 Minuten?

Preise sind außerdem relativ: Bei einer uns bekannten Kinobetreiberin kostete das Kinderkino vier Euro Eintritt – für Kinder wie für Eltern. Mit dem Erfolg, dass die Eltern stets nach einer Ermäßigung für die Kinder fragten. Die geschäftstüchtige Dame setzte daraufhin den Eintrittspreis für die Eltern auf fünf Euro herauf. Seit es diese „Kinderermäßigung“ gibt, bleibt die Frage aus.

Donnerstag, 11. Oktober 2007

Mittendrin statt nur dabei

Wir predigen es ja immer wieder: Kino wirkt. Wie eh und je, allen interaktiven Spielereien wie Second Web und Life 2.0 oder wie sie heißen mögen zum Trotz. In Frankreich werden jetzt 40% mehr Ratten verkauft als vor dem Filmstart von Ratatouille, weshalb Tierschützer aufschreien und an Dalmatiner- und Nemo-Effekte erinnern. Man könnte es den Purple Rose Of Cairo- oder Last Action Hero-Effekt nennen, wenn die Nachbarskinder im einen Jahr den Inhalt ihrer Aquarien im Klo versenken und ein paar Jahre später eine Ratte kaufen. Für die Tiere ist das freilich nicht lustig, aber es ist doch schön zu sehen, wenn Filme ihr Publikum bewegen. Auch unterhalb der Schwelle der Rationalität.
Multiplex hin und Major-Verleih her, Filme wie Ratatouille sind gut für die Filmtheater - für alle Filmtheater. Denn große Erfolgsfilme, über die man spricht, sorgen dafür, dass Kino insgesamt mehr in die Aufmerksamkeit rückt. Und wenn's die angestrengten Diskussionen um Valkyrie sind, die jetzt die Feuilletons beschäftigen. Da haben alle was davon, auch wenn ein paar Programmkinos jetzt vielleicht heftig am Ächzen sind, weil noch ein paar weniger Leute kommen als sonst. Dafür bekommen ein paar Kinoabstinente jetzt vielleicht wieder Lust aufs Kino, nachdem sie sich Ratatouille angesehen haben. Wenn man die Artikelsammlung auf film-zeit.de so anschaut, scheint der ja auch ein paar Leute anzuziehen, die man sonst nicht in einem CGI-Film vermuten würde. Meine Eltern jedenfalls - "Best Ager", wie sie im Buche stehen - waren schon drin.

The big picture

Wie versprochen reichen wir die Fotos von der Schauburg nach (sie sind jetzt im Artikel eingefügt). Viel war nicht möglich - beim Fotografieren der Treppe war das aufgestellte Frühstücksbuffet im Weg, und ein Stativ hatten wir gerade nicht verfügbar. Was natürlich ein Grund, wenn auch keine wirkliche Entschuldigung dafür ist, dass wir kein Foto vom Saal haben. Sorry. Aber sehen Sie sich doch auf der Homepage der Schauburg mal das tolle Panoramabild an!

Montag, 8. Oktober 2007

Endgültig ist gar nichts

Für manche Filmvorführung scheuen wir weder Stau noch Spritkosten. 280 km Anreise und tüchtig Rückreiseverkehr nach diesem herrlichen Herbstwochenende: das muss gehen für Playtime in der restaurierten 70mm-Kopie auf einer Cinerama-Leinwand.

Zunächst mal habe ich mich gefreut, die Schauburg endlich kennenzulernen. Mehr als ein altes
s/w-Foto von der legendären Treppe kannte ich bisher nicht. Das Foyer in nachtblau und gold macht schwer was her, auch wenn es ein bisschen schade ist, in so ein Ambiente dann die gewöhnliche Theke zu stellen. Abgesehen davon ist das Haus in allen Details (bishin zu den Toiletten in blau und gold) bemerkenswert stimmig gehalten. Auch die Kassenhäuschen waren angemessen retro. Der Saal war der Rot-Overkill, da kann nach unserer Erfahrung nur das 3001 in Hamburg mithalten. Der Rang ist halt heute ein eigenes Kino, das ist ja in den meisten Kinos so, und der große Saal deutlich modernisiert, aber es ist immer noch ein Großkino von Format, alte Schule sozusagen. Ich weiß nicht, ob es an meiner Faszination lag, aber es war auch einer der ganz wenigen Kinobesuche, bei denen nie etwas gezwackt oder gedrückt oder geächzt hat. Ich bin ja jung und nicht gerade raumgreifend, aber ich treibe mich dann doch selten in Kinos rum, wo man lange gut sitzt.

Das war er also nun, der endgültige Kinobesuch.
Die Kopie war wirklich sagenhaft, die Leinwandgröße genau richtig - nicht zu groß, um die Brillanz zu beeinträchtigen, nicht zu klein, um den Spaß am Format zu verderben. Obwohl ich den Film über alles schätze, hat er in dieser Form das erste Mal keine Längen gehabt. Auf DVD (meine Güte, in 70mm hatten die Menschen auf einmal alle Gesichter!!) ist er mit über zwei Stunden schon anstrengend, weil man so genau hinsehen muss. Und von Monsieur Failliot, dem eigens angereisten Restaurator, gab's zwar wenig zu hören, und das nur auf Französisch, aber dankenswerterweise stellte die Schauburg ein sehr informatives Papier auf deutsch mit allem Wissenswerten über die Restaurationsarbeit zur Verfügung (übrigens hier auch online verfügbar!). Als ganz besonderes Highlight bekam jeder Besucher auch noch einen Streifen der 70mm-Kopie - nur einer Arbeitskopie, glücklicherweise. Der grausame Scherz, man habe den ersten Akt nach der Vorführung zerschnitten, sitzt immer noch tief. Ich hätte nichtmal Hand an die Arebitskopie legen können - nicht bei Tati. Aber netterweise hat das ja jemand für mich übernommen, und ich kann mir jetzt überlegen, wo das Kleinod in der neuen Wohnung seinen Platz finden wird... wie erwartet eigentlich kaum zu übertreffen.

Aber endgültig? Nein. Entgegen mancher Befürchtung hat die Lust aufs Kino auch nach diesem schwer übertreffbaren Erlebnis nicht nachgelassen, habe ich beim Verlassen des Saals mit Erleichterung festgestellt. Es muss ja nicht immer ganz großes Kino sein. Und jede Vorführung hängt sowieso auch vom Publikum ab. Die 70mm-Freaks (die Vorführung fand im Rahmen des 70mm-Festivals statt) zum Beispiel waren eigentlich eine Spur zu professionell für Tati - es wurde verhältnismäßig verhalten gelacht. Vielleicht, weil der Film immer noch nicht sein Publikum gefunden hat, vielleicht, weil die Spezialisten mehr aufs Korn und auf Kratzer schielten als auf die falschen Hulots, vielleicht weil viele Anwesende mehr richtung Ben Hur und Taras Bulba schwangen und Playtime nur so zwischendrin mitnahmen? Ich weiß es nicht.

Nachdem das größtmögliche Kinoerlebnis vorerst erreicht ist, muss ich mir natürlich ein neues stecken. Ich tendiere bereits stark in Richtung Grand Prix in 70mm. Der ist sicher nicht besser als Playtime, wenn auch ein großartig gedrehter Rennfahrerfilm, aber ich schätze die Kopienlage noch schlechter ein. Ich brenne darauf, das Gegenteil bewiesen zu bekommen!

Mittwoch, 3. Oktober 2007

PG ist uninteressant

Und wieder haben wir ein Abstimmungsergebnis: Unsere Umfrage zur Erweiterung oder Eingrenzung der PG-Regelung vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte ist zu Ende gegangen. Niemand plädierte dafür, die Regelung unverändert beizubehalten, und niemand wählte die Variante, die Regelung an sich beizubehalten, die entsprechenden Filme aber gleichzeitig mit Altersempfehlungen zu versehen. Statt dessen lautet der große Gewinner des Polls (80%): Die Einführung neuer FSK-Abstufungen. Was angesichts der entwicklungspsychologischen Erkenntnisse, die in den letzten Jahrzehnten gewonnen wurden, auch mehr als an der Zeit erscheint. Deutlich dahinter folgt die Forderung, die PG-Regelung ganz abzuschaffen (30%). 20% der Voten waren für die Beibehaltung der Regelung mit der Anwendung aber nur für bestimmte Filme, und 10% der Teilnehmer sähen gern eine Ausweitung der PG-Regelung auch auf andere Altersklassen.*

Da aber nur zehn Leser ihre Stimme abgegeben haben, zeigt der Poll keine wirkliche Tendenz. Die geringe Teilnahme erstaunte uns, denn auf unseren Reisen wurde der Streit um die PG-Regelung zur Grundsatzdiskussion. So schließen wir daraus, daß der Redebedarf für dieses Thema gedeckt ist. Zumindest bei den Lesern unseres Blogs.

* Mehrfachnennungen waren möglich.

Dienstag, 2. Oktober 2007

Ringelsocken für alle!

Ich fiebere schon heftig der Playtime-Vorführung am Sonntag entgegen. Da passt gut, worüber ich heute gestolpert bin: Wer hätte es für möglich gehalten, aber es gibt wirklich Menschen, die sich M. Hulot als modisches Vorbild nehmen.

"1
Die Auswahl des richtigen Vorbildes erleichtert den Entwurfsvorgang. Entwerfen ist
schon schwer genug
.

2
Das Vorbild sollte etwas mit Dir zu tun haben, aber nicht zu nahe liegend oder gar
allgemein verständlich sein. Das Bauhaus finden alle toll.

3
Keine Angst vor abwegigen Vorbildern. Es ist ganz einfach, Frisch kümmert sich
immer um die Sachen, vor denen man sich früher geekelt hat
.

4
Sollten keine geeigneten Vorbilder verfügbar sein, verlasse Dich auf das Oeuvre unseres
universalen Vorbildes Jaques Tati.

Zusammen mit Ulrike Dorn
Die vierte Regel kam bei folgenden Kollektionen zur Anwendung:

Sommer 97:
Collection M. Hulot
Jaques Tatis Filmfigur als Inbegriff des freundlichen, sympathischen Onkels mit sei
nem einzigartigen Regenmantel und Hut.

Sommer 99:
c'est la vie
Der Kampf gegen die Elemente und das Leben als Picknick.

Winter 99/00:
sports
,Die Ferien des M.Hulot' beweisen mit Klappkajak und getanztem Tennisspiel, daß
Sport nicht nur mit Funktionalismus und High-Tech zu tun hat.

Sommer 00:
jardinage
,Mon Oncle' M. Hulot macht vor, wie man allzu durchgeplanten Gartenanlagen Leben
einhaucht.

Sommer 01 :
mobilette
Freud und Leid der Mobilität als Zeichen von Modernität behandelt Tati v.a. in seinem
Film ,trafic'.

Winter 01/02:
bürokrat
Die aufschlußreichsten Einstellungen von Büroräumen und Bürohäusern finden sich
in Tatis Film ,Playtime'."

Gefunden auf der Suche nach etwas ganz anderem (übrigens nicht Tati) in: Heureka oder die Kunst des Entwerfens =Eureka or the art of design / Internationales Forum für Gestaltung Ulm 2001, online hier. Und angucken kann man sich einige der Kollektionen auf der Seite des Designers.

Im Zusammenhang mit Tati muss ich auch dringend darauf hinweisen, dass für alle, die am 7. Oktober nicht in die Schauburg gehen können - oder die, die danach immer noch nicht genug haben - arte am selben Datum einen Tati-Themenabend gibt. Gezeigt werden Vacances, ein Kurzfilm und vor allem die Dokumentation Le rire democratique!

Sonntag, 30. September 2007

Auf dem Jakobsweg

Ich war gestern abend im Kino. Für jemanden, der üblicherweise einmal die Woche geht, nicht gerade eine Sensation – diesmal schon. Immerhin habe ich seit Wochen nicht die Zeit dafür gehabt, und dann war es auch noch ein neues Kino: das Rex in Bonn. Gesehen habe ich Saint Jacques – Pilgern auf französisch, und das passte ganz gut, allein schon, weil der Film beim SchwarzWeiss-Verleih hier aus Bonn ist. Lieber hätte ich Leroy gesehen, aber der lief nur in einem Multiplex in Bad Godesberg, und da hatte ich für den ersten Kinobesuch in Bonn dann keine Lust drauf. War aber gut so. Nur OmU wär noch schöner gewesen.

Mein Jakobsweg begann etwa dreihundert Meter vor dem Rex. Weil ich auf einem Berg (präzise: Hügel, nennt sich aber Berg, den Namen des Bergs wiederum nenne ich nicht, würden Sie eh nicht glauben) wohne, auf den zu später Stunde nur noch sporadisch Busse aus einer Gegend fahren, die die Bonner euphemistisch als Innenstadt bezeichnen (pardon, aber so muss es einem vorkommen, der sich die letzten Jahre vorrangig per U-Bahn fortbewegt hat), entschied ich mich für die einzige Alternative: das Auto. Leider erwies sich die Parkplatzinfrastruktur ähnlich schwachbrüstig wie die Regelmäßigkeit der Buslinie. Eine geschlagene halbe Stunde bin ich da rumgegurkt! bis ich einen Parkplatz fand, etwa 700 Meter entfernt, da war es etwa neun Minuten vor Filmbeginn. Der Weg ließ mir zumindest genug Zeit zu überlegen, wie vorzugehen sei, wenn ich den Filmbeginn verpassen würde. Zu spät in den Saal schleichen und den erstbesten Platz am Rand nehmen? Nah.

Und dann das Unfassbare: Ich komme am Rex an, und alles ist voller Menschen. Die standen von der Kasse bis auf die Straße, Kopf an Kopf! Hundert Leute oder so, und die wollten alle ins Kino. Und hinter mir kamen immer noch mehr. Alte, junge, Spießer, Hippies – ich war so perplex, dass ich nicht mal dran dachte, ein Foto zu machen. Da hab ich dann wieder schwer überlegt. Mit der vorletzten Karte in den Saal schieben und den letztbesten Platz am Rand nehmen? Ausnahmsweise.

Und es wurde immer besser. Samstag abend für fünf Euro ins Kino (mit Gildepass, logo), wo gibt’s das noch? Der Rang war zwar voll, aber das festigte immerhin die wenig bahnbrechende Erkenntnis, dass es hinten-oben-Sitzer überall gibt. Das Kino war zu etwa 80% gefüllt (4. Woche!), aber im Parkett, fünfte Reihe Mitte, gab’s noch einen sehr schönen Platz mit angenehmem Winkel zum Aufblicken. Perfekt.

Liebe Leute vom Rex, ihr braucht dringend neue Fotos für eure Homepage. Ich hatte mit so etwa 80-100 Plätzen gerechnet. Weit gefehlt, das Kino ist richtig groß, und schön alt. Ich war so mit umgucken beschäftigt, dass ich den Trailer der Bürgerinitiative fürs Metropol nur am Rande mitgekriegt hab. Kam aber gut an. Im Gegensatz zum Trailer für einen dieser neuen deutschen Problemfilme, die so grau und kalt sind. „November ist nahe“, tönte es da aus dem Publikum, und in nullkommanix war Riesenstimmung, weil keiner Lust hatte, sich von der Berliner Schule den Samstagabend verderben zu lassen.

Das ging dann so weiter, dreimal Szenenapplaus hab ich gezählt, und das Lachen war nicht verhalten. Die waren sogar so amüsierwütig, dass sie sogar da lachten, wo dann eigentlich auch wieder gut war. Aber war ja schließlich auch ein Film, nicht das echte Leben. Bloß Ketchup, hätten meine Eltern früher gesagt. Jedenfalls war’s so, wie Kino sein muss, und das war toll nach der langen Zeit ohne.

Hinterher haben sich dann die Leute zerstreut, ein paar ins Irish Pub nebenan (Notiz für mich: nächstes Mal Bus fahren), ein paar blieben zum Rauchen noch stehen, ein paar drückten sich an der Bushaltestelle zusammen. Das Gemeinschaftsgefühl wirkte noch ein bisschen nach, irgendwer spannte einen Schirm auf, die übrigen taten es nach... eigentlich regnete es gar nicht richtig.

Meine Meinung von Bonn ist nicht die höchste – wenn auch noch nicht gefestigt –, aber vom Bonner Kinopublikum bin ich bis jetzt schon mal schwer begeistert. Mit denen macht das richtig Spaß.

Freitag, 28. September 2007

Aus für "Kinomacher"

Wir haben die traurige Nachricht für Sie, dass unser geplantes Buch "Kinomacher" über ungewöhnliche deutsche Kinos und die Menschen, die sie betreiben, vorerst wohl nicht erscheinen wird. Alle, denen wir davon erzählt haben, waren begeistert von der Idee und waren wie wir überzeugt von der Idee dahinter. Obwohl wir den nach unserer und vieler anderer Ansicht besten Film-Fachbuchverlag Deutschlands für das Vorhaben gewinnen konnten und uns alle großen Kinoverbände mit ihren Empfehlungen unterstützt haben, war es in monatelangen Bemühungen nicht möglich, Filmförderungen, Kulturstiftungen oder Sponsoren für das Projekt zu gewinnen. Zu kommerziell oder "wirft nichts ab", zu wenig regional oder nicht internationale, zu sehr Kino oder zu sehr Print und grundsätzlich keine Druckkostenzuschüsse - wir haben alles gehört. Als letzte Hoffnung bleibt die DEFA-Stiftung, von der wir noch nichts gehört haben. Deren Autoren-Stipendium würde uns zumindest ermöglichen, das Manuskript bis zur Druckreife zu bringen. Daumen drücken!

Mittwoch, 26. September 2007

Nur Kinderkino

Was tut man nicht alles um der Liebe willen... Aber bevor Sie jetzt glauben, ich sei als willenloses Weibchen mit zur IAA geschleift worden, muß ich dem schnell widersprechen: Ich bin aus freien Stücken mitgegangen, weil sich über Autos ja doch so einiges interessante erzählen läßt. Und weil in der Tuning-Halle ein Mondeo stand, der dem aus Casino Royale überraschend ähnelte. Einen Nachmittag hatte ich mir vom Kinderkinotext freigenommen, über dem ich tagtäglich sitze, um einmal etwas anderes zu sehen - nur, um plötzlich auf ein Hinweisschild zu stoßen: Kinderkino! Mitten auf der IAA. War ja klar, daß wir uns das sofort ansehen mußten. Einige Rolltreppen weiter oben, in einem stillen Gang begann es dann: Standies. Jede Menge. Alle Animationsfilme, die in den nächsten Wochen und Monaten auf den Markt kommen. Ein roter Teppich, ein grauer Teppich.... ein grauer Teppich mit aufgesprühtem Logo: Sieh' da. Ein bekanntes Frankfurter Multiplex war offenbar als Kooperationspartner für die Messe gewonnen worden. Angekündigt war natürlich auch Cars, doch als wir an der freundlichen Dame, die den Empfang bewachte, vorbeiwaren, lief Bibi Blocksberg. Eine einsame Mutter mit Kind saß in dem kleinen Raum, und ein ebenso einsamer Beamer warf ein vollkommen verzerrtes Filmbild auf eine Leinwand, die eigentlich sogar hätte abgekascht werden können. Wenn man die vorhandenen Möglichkeiten hätte nutzen wollen.

Montag, 24. September 2007

Heimkino mal anders

Da entdecke ich gerade eben zufällig, dass der letzte Artikel unserer epd-Serie auch online erschienen ist - ohne mich jetzt lange zu fragen, ob sowas zufällig passieren sollte, lasse ich einfach mal den Link rüberwachsen (klickense hier), das ganze findet sich im Angebot von kultur-hessen.de.

Ans Herz legen möchten wir Ihnen den Artikel deswegen, weil das "Mal Seh'n" in Frankfurt kinomäßig sozusagen unsere Homezone ist. Hier habe ich meine Programmkinosozialisation erfahren und durchlitten, in der Reihe "Subversives Kino" mit den Experimentalfilm-Klassikern von den 40ern bis heute. Otto Mühl und so durften da nicht fehlen. Dass es trotzdem Liebe wurde zum Kino im allgemeinen und zu diesem Kino im besonderen, kann ich mir bis heute nicht erklären, aber es hat funktioniert.

Ich grüße von dieser Stelle aus die Kinomacher daheim, bei denen jetzt gerade Hippie Masala - Für immer in Indien durch die Bauer rattert. Gut, dass wir nicht im Fernsehen sind, sonst würde ich jetzt wahrscheinlich wie der Durchschnittsidiot in die Kamera winken.

In Bonn habe ich noch immer keine Kinoheimat gefunden - schlicht aus Mangel an Gelegenheiten. Neulich bin ich immerhin schon mal außen am Rex vorbeigekommen, und das sah sehr vielversprechend aus. Man muss sich den Dingen langsam schrittweise nähern. So wie dem Experimentalfilm...

Sonntag, 23. September 2007

Ein Traum wird wahr

Seit Jahren jage ich dem ultimativen Kinoerlebnis hinterher. Das ist: Jacques Tatis Playtime in der restaurierten 70mm-Kopie. Gelegenheiten, diese Kopie zu sehen, gab es schon genug, aber bisher hat es nicht geklappt: als ich vor ein paar Jahren auf einer Cabrio-Tour zufällig durch Cannes kam, als dort während der Filmfestspiele die große Tati-Retrospektive stattfand, hatte ich mit Film noch nicht viel am Hut. Als ich während der Tati-Ausstellung im Münchner Architekturmuseum ein Zeitlang in der Stadt war, habe ich zu spät davon erfahren. Auch als der Film Open Air auf dem jährlichen Stummfilmfest in Bologna lief, war ich nicht da. Wien war mir zu weit, als Playtime dort vor ein paar Monaten lief. Und so weiter. Immerhin habe ich schon mal eine gute 35er Kopie gesehen, im Münchner Werkstattkino, spät nachts auf der Rückreise von der italienischen Riviera.

Tati ist mir einen Exkurs aus der Welt der Filmtheater, die mich sonst gewöhnlich noch mehr fesselt als die des Films. Zwar bin ich gewissemaßen mit ihm aufgewachsen, wenn mein Vater Die Ferien des Monsieur Hulot alle Jahre mal wieder sonntagnachmittags im Fernsehen sah (so wie man eben auch die Feuerzangenbowle schaut oder Manche mögen's heiß), entdeckt habe ich Tati aber ausgerechnet an Weihnachten im Fernsehen (!), kurz nachdem ich das Studium begonnen hatte. Da zeigte arte die große Retrospektive. Schützenfest, den ich auch noch irgendwie aus meiner Kindheit kannte, war dank moderner Technik und der Vernachlässigung aller restaurationsethischen Aspekte plötzlich bunt, ich sah zum ersten Mal Mein Onkel und die Dokumentation Das demokratische Lachen. Ohnehin schon restlos begeistert von dem, was ich da entdeckt hatte, erfuhr ich da von Tatis Opus Magnum, das sich in fitzcarraldohaften Dimensionen abspielt. Und nach der Ausstrahlung von Playtime (früher auch mal bekannt als Tatis Herrliche Zeiten) war klar: es kann nur einen geben. Obwohl ich sonst kein Freund von absoluten Bestenlisten bin - was mich angeht, ist Playtime der unumstößlich beste Film aller Zeiten. Vielleicht gefolgt von Fitzcarraldo. Der Rest kennt keine Prioritäten.

Von da an habe ich mich in das Werk Tatis vertieft, wie es mir sonst sicherlich mit keinem anderen Regisseur in den Sinn käme - ich pflege da üblicherweise keine Fetische. Habe die wenigen Bücher gelesen, die verfügbar sind (am informativsten ist wohl das von Brent Maddock, am schönsten sicher das von Michel Chion, das dankenswerterweise auch in einer englischen Übersetzung erhältlich ist), lange auf eine vollständige DVD-Edition gewartet (in der dann doch Trafic fehlte, Parade auch, ebenso wie die s/w-Version von Schützenfest und die Oscar-Fassung von Mein Onkel. Letztere ist in der Mein Onkel-Box enthalten, Parade und Trafic sind separat erhältlich) und mich sogar durch die alten Interviews in den Cahiers genagt (wehe dem, der sein Französisch vernachlässigt hat). Über Tati habe ich dann auch den unvergleichlichen Buster Keaton kennengelernt, in derer beider Komik doch so etwas wie eine Seelenverwandschaft liegt. Aufgegriffen hat das Elia Suleiman in Göttliche Intervention - einer der ganz wenigen Filme, der an Tatis Stil anknüpft.

Allein was fehlte, waren die Filme im Kino. Von Trafic habe ich eine sehr rotstichige Kopie gesehen, sonst keinen außer Playtime in 35mm.

Jetzt aber! ist es soweit: am 7. Oktober in der Schauburg in Karlsruhe, einem alten Cinerama-Kino mit gekrümmter Leinwand (und der Saal ist sowas von rot...). Dazu gibt's auch noch eine Einführung vom Restaurator. Ganz klar: Das wird ein transzendentales Erlebnis. Da stellen sich Fragen wie: ist Kinogehen nach diesem epochalen Ereignis überhaupt noch möglich? Gibt es ein Kinoleben nach Playtime in 70mm?

Es juckt mich schwer in den Fingern, die Bücher und DVDs rauszukramen und mich und Sie im Detail auf das bevorstehende Großereignis einzustimmen - wäre der Großteil meiner Filmleidenschaft nicht gerade in Umzugskartons verpackt. Das wird also noch warten müssen. Zuerst sehen wir uns - am 7.10. in der Schauburg. Bis dahin empfehle ich wärmstens www.tativille.com, was dann gleich auch noch die am schönsten gestaltete Website wäre, die mir bekannt ist.

Freitag, 21. September 2007

www.kinolabor.de

Für diejenigen unter Ihnen, denen unsere Web-Adresse zu sperrig ist, gibt es jetzt eine Alternative: Ab sofort erreichen Sie uns auch unter www.kinolabor.de!

Von oben nach unten

Von Sonntag, den 23.09., bis Sonntag, den 30.09.2007 ist endlich wieder Kinderzeit: In Frankfurt am Main findet das diesjährige Kinderfilmfestival LUCAS statt. LUCAS ist weithin bekannt und gewürdigt, als großes und, vor allen Dingen im Kinderfilmbereich exklusiv, als A-Festival hat es seinen herausragenden Status mit Kinderfilmen aus aller Welt verdient. Was ebenfalls nicht selbstverständlich ist: Bei LUCAS ist die Jury paritätisch aus Kindern und Erwachsenen besetzt, auch auf der Homepage werden beide gleichberechtigt vorgestellt. Daher verwundert es immer wieder, das jährlich neugestaltete Plakat zu sehen: Mit Ausnahme des Jahres 2004, als der schwedische Film Misa mi und die nordwesteuropäische Koproduktion Weiter als der Mond gewannen, ist auf den Plakate immer nur ein Kind, von dem die strahlend blauen Augen von unten herauf leuchten, mit dem Blick eines Erwachsenen zu sehen.

Vielleicht ist den Marketingfachleuten nicht bewußt, daß es ein langer Weg war, bis Kinder eine Art von Gleichberechtigung auch in der Kunst erfuhren: Angefangen von Rousseau, der das Kind märchenhaft idealisierte, über den Märchendichter Andersen, der ihm erstmals eine kluge Stimme gab. Hier wurde die Umwelt des Kindes von diesem selbst in Worte gefaßt, und nicht mehr nur das Kind durch den Erwachsenen gespiegelt. Später dann waren es Paula und Richard Dehmel, die dem Kind sogar erlaubten, nicht mehr adrett und anständig zu sein, die durch ihre Kinderpoesie das wahre Paradies aufzeigten. Und so weiter und so fort: Seit also Kinder so von oben herab betrachtet wurden, wie es auf dem LUCAS-Plakat der Fall ist, ist schon einige Zeit vergangen. Schade, daß ein Festival, bei dem Kinder und ihre Meinungen sonst so ernst genommen werden, so mißverständlich an die Öffentlichkeit tritt.

Samstag, 15. September 2007

In Farbe!

Neulich saßen wir mit einem Freund zusammen, wir sprachen - Sie erraten's - über Filmtheater, und er beschrieb eins, in dem er kürzlich gewesen war, mit den schwärmerischen Worten: "Ich gehe in den Saal und sehe: rot! Kino-rot!"
Ja, das Rot hat sich schon als eine DER Farben für die Kinosaal-Ausstattung schlechthin etabliert. Kein Wunder, als Farbe des Lebens und der Sünde. Kaum ein Saal kommt ohne rote Sessel oder roten Vorhang aus, als Alternative gibt es fast nur dunkelblau und natürlich das zweckmäßige Schwarz, das jegliches Restlicht im Saal schluckt und die Farben des Films dafür umso mehr strahlen lässt - unerreicht in Kubelkas "Invisible Cinema". Und sonst? Ich kenne tatsächlich ein Frankfurter Multiplex, das mindestens einen grünen Saal besitzt. Ich erinnere mich nicht, öfter als einmal drin gewesen zu sein, weiß aber noch, dass mich der Anblick irritierte. Die Endstation in Bochum hat ihren schwarzen Saal mit orangen Sesseln aufgepeppt - auch etwas, das in Erinnerung bleibt, und das Deutsche Filmmuseum hat bei den Polstern zu einem dezenten Grauviolett gegriffen. Jeder Klecks außerhalb der Skala der Rot-, Blau- und Grauschattierungen wird gleich zum Hingucker. Welchen Eindruck müssten Kinos wie dieses heute auf uns machen:
"Das ohne Prunkaufwand errichtete Theater liegt im dichtest besidelten Norden Berlins und hat 2000 Sitzplätze. Die die Bühne flankierenden Fontainen mit von innen frabig beleuchtetem fließenden Wasser bilden die einzige Konzession an das Sensationsbedürfnis des Publikums. [...]" (über den Berliner Mercedes-Palast, aus: Fritz Wilms, Lichtspieltheaterbauten, 1928)
Ohne Prunkaufwand? Naja.
"Im Theaterraum, der 1200 Plätze im Parkett und 500 Plätze auf dem Rang enthält, sind die Wände und Decken in zartem, lichtem Elfenbeinton gehalten mit Ausnahme des gewölbten Deckenrundes, das mit Rücksicht auf die indirekte Beleuchtung weiß geblieben ist. Alle architektonischen Verzierungen [...] sind in Silber gehalten. Die einzig farbige Note bildet das Lichtblau der Dekorationen an Fenstern und Türen, des Vorhangs und der Bezüge des Gestühls. Der Zuschauerraum hat eine vornehme Behaglichkeit, umso mehr, da er durch farbige Beleuchtung in weißes, blaues, rotes oder violettes Licht nach und nach heller oder dunkler eingestellt, getaucht werden kann." (über das Ufa-Theater in Berlin-Moabit, selbe Quelle)
Die Farben sind zwar noch die gewohnten - rot, blau, immerhin schon violett - aber hier ist es schon das Licht selbst, das den Raum in Farbe taucht. Und wie mag wohl ein lichtblauer Vorhang aussehen? Aber jetzt, vor die Tür:
"Parkett- und Rangfoyer mit Garderobenanlagen sind geräumig und mit zarten Farben behandelt worden. Im Parkettfoyer sind die Wände hell mattgelb, die Decke weiß [...], während die Vorhänge der Garderobe aus hell mattgrünem Sammet bestehen. Im Rangfoyer sind die Wände erdbeerrosa mit sanft beschwingten, zarten Wandmalereien und die Decke in einem lichten Mattgrün ausgeführt worden. Die Türeinfassungen, die Umrahmung der Garderobe und die ornamentalen Bildhauerarbeiten sind in Silber gehalten, während die Vorhänge der Fenster und der Garderobe aus hellgrünem Sammet bestehen." (wieder über das Ufa-Theater, selbe Quelle)
Pastellinferno oder Augenschmeichler - wer kann es heute noch ahnen. Die Nuancen von grün und rosa nehmen jedenfalls auch im angrenzenden Café kein Ende:
"Die Wände sind matt meergrün und zeigen zarte Malereien von Jagd- und Schäferszenen. Alle Nischen, wie das Orchester, die Foyers und die Garderoben sind fraisefarbig abgesetzt. Die ornamentalen, architektonischen Verzierungen und Bildhauerarbeiten sind in Silber gehalten. Die Decke ist mattblau und zeigt in der Mitte ein Rundfeld, von dem aus sich sternförmig ornamentales Blattwerk über die Decke erstreckt, das in silbernen Strahlen ausläuft." (über das angrenzende Café Vaterland "Turmstraße", selbe Quelle)
Die Beschreibung auch anderer Kinos geht immer so weiter, doch dort dominieren die Rottöne: pompejanischrot, bischofsrot, scharlachrot, weinrot... abgesetzt mit Gold, Silber, Hellviolett, Bräunlich-Gelb, Schwarz und Azurblau. Gibt es heute nicht mehr? Ha!
"Bei der Farbgebung des neuen Plafonds entschieden wir uns - wie immer - für eine sehr eigenwillige, aber genau durchdachte und historisch motivierte Version. Kennen Sie die Farbenlehre von Hermann von Helmholtz? Der geniale Wissenschaftler legte in den 60er Jahren des 19. Jahrhundert seine bahnbrechendes "Handbuch der physiologischen Optik" vor, das bis ins 20. Jahrhundert international als Standardwerk galt und das, wie wir feststellten, offenbar auch den Baumeistern des Lindenfels als Grundlage für ihre Farbauswahl diente. Helmholtz beschreibt darin die drei "reinen Farben", die er als Grundfarben des Farbspektrums definierte. In unserem Saal fanden wir an der historischen Decke Reste eines uns zunächst verstörenden Blauvioletts, das neben Rot und Grün früher offenbar die Farbgebung des Raumes wesentlich bestimmte. Genau diese drei Farben sind die Grundfarben nach Helmholtz.
Neben der günstigen Wirkung einer dunklen Deckenfläche für Theater und Kino stellt sich nun durch die blauviolette Farbgebung noch ein ganz besonderer Effekt ein. Die Wirkung der Decke verändert sich je nach Beleuchtung ganz erheblich. So können sehr unterschiedliche Raumatmosphären erzeugt werden. Schauen sie selbst."
So schrieben die Betreiber des Kinos in der Schaubühne Lindenfels or einiger Zeit über die Renovierung des Kinosaals (Text ist nicht mehr online). Der Rotton des Kinovorhangs in diesem Saal ist von einer Dunkelheit und Tiefe, wie man sie sich nicht vorstellen kann. Das Geheimnis dahinter: Der Vorhang ist in Wahrheit schwarz. Nur das Licht der Scheinwerfer, die ihn von unten beleuchten, ist rot. Und eine Etage höher wartet der "Grüne Salon" auf die, die Farbe bekennen.