Mittwoch, 24. Dezember 2008
Kommt zu Papa
Kieft & Kieft
Die Lichtspiele Hoffnung in Lübeck, 1948 von Ernst Blunck, Albert Kieft und Otto Schwarzloh in den Räumen einer früheren Gaststätte eröffnet, wurden 1958 Gilde-Mitglied. Petra Schaper schreibt dazu:
„Schon früh wurde bei der Gestaltung des Spielplanes der künstlerische und anspruchsvolle Film mit einbezogen, der in den 50er und der ersten Hälfte der 60er Jahre hauptsächlich aus Frankreich, Italien und Skandinavien kam [...]. Damit konnte eine Publikumsschicht gewonnen werden, die im Kino mehr sucht als die gängige und eher seichte Unterhaltung. Im Verlauf der Jahre entwickelte sich ein Stammpublikum, das der Hoffnung auch in den Zeiten der Kinokrise erhalten blieb. [...] Wenn auch die Hoffnung nicht nur ‚anspruchsvolle Filmkunst’ zeigt(e) – ein gewerbliches Kino muß immer auch zu einem gewissen Grad den ‚gängigen Publikumsgeschmack’ berücksichtigen [...]“Im Zuge der Konzentrationsprozesse übernahm Albert Kieft immer mehr Lübecker Kinos. 1975 stieg Marlies Kieft, 1979 Heiner Kieft in das Unternehmen ein. Damals auch noch im Programmkinobereich tätig, zählte die Unternehmensgruppe 2005 um die 570 Leinwände und ist damit Marktführer in Deutschland. Der Name Kieft & Kieft ist inzwischen Vergangenheit. 1998 übernimmt die australische Kino-Kette Greater Union zunächst 50%, 2004 dann 100% der Firma. 2003 übernahmen Kieft & Kieft 30 Ufa-Traditionshäuser, an denen Greater Union nur zur Hälfte beteiligt ist. Die Lichtspiele Hoffnung wurden 2005 durch einen von einer defekten Popcorn-Maschine verursachten Brand beschädigt. Das Gebäude wurde entkernt und sollte "künftig mit einem neuen Konzept für Veranstaltungen (Filmevents, Partys) genutzt werden" wie damals in der Fachpresse zu lesen war.
(SCHAPER, Petra: Kinos in Lübeck: die Geschichte der Lübecker Lichtspieltheater und ihrer unmittelbaren Vorläufer 1896 bis heute. Lübeck (Graph. Werkstätten) 1987)
Flebbe
Noch unterhaltsamer ist die Geschichte des großen Konkurrenten der Kiefts, die man sich mühsam aus alten Filmzeitschriften und Erzählungen zusammenklauben kann. Der spätere Cinemaxx-Chef "Achim" Flebbe stellte sich 1973 im Apollo-Kino Hannover vor und schlug dem damaligen Betreiber ein neues Programmkonzept vor, an dessen Gestaltung er sich beteiligen wollte. Das Konzept ging auf, 1977 hat Flebbe bereits drei Programm- und Studentenkinos in Hannover und expandiert in den nächsten Jahren innerhalb und außerhalb der Stadtgrenzen (vgl.
NECKERMANN, Gerhard: „Multiplexe verändern Kinomarktstruktur“, in: Media Perspektiven 9/1994, S.459ff.). Neun Jahre später berichtet Matthias Hennies aus Hannover:
„Das Apollo gibt es immer noch – aber jetzt ist es nur noch eine Neben-Spielstelle, denn Inhaber Hans-Joachim Flebbe hat inzwischen eine ‚Kino-Straße’ in der City eröffnet. [...] Denn unter den Programmkinos [...] hat die Monopolisierung eingesetzt: [...] Neben Flebbe in Norddeutschland werden Heinz Holzapfel im Westen des Landes und der Berliner Georg Kloster [...] genannt.“Zu dieser Zeit reichte Flebbes Einfluss aber schon weit über Hannover hinaus:
(HENNIES, Matthias: Ende der Kinokultur? Das Kino im Wandel: Der Weg vom Filmtheater zur Abspielstelle. Beiheft zur FILM-Korrespondenz Jg. 32, Nr. 11 vom 27. Mai 1986)
„1981/82 fielen die Lupen in die Hände eines Imperiums, das – ähnlich wie zu Kirchners Zeiten – nicht nur von München bis Hamburg mit Kinos dealte, sondern über Verschachtelungen und Beteiligungen auch ins Verleihgeschäft verstrickt war. Als Käufer traten die Concorde Filmtheaterbetriebe auf, die von Achim Flebbe aus Hannover geführt werden. Während Herr Flebbe nebenbei noch dem Impuls Filmverleih vorsteht, sind die Concorde-Betriebe mit dem Concorde Filmverleih liiert. Dessen Handlungsbevollmächtigter ist François Duplat, der zugleich die Kinoketten und Verleihgeschäfte [...] der NEF-Diffusion Deutschland im Griff hat. Diese ist Ableger der NEF-France, die ursprünglich von Louis Malle als eigene Produktionsfirma gegründet worden ist, deren Anteile er aber heute mit zwei großen französischen Produzenten teilen muß.“Ab Ende der 80er übernimmt Flebbe dann auch klassische Filmpaläste in Hannover, Hamburg und Berlin, 1991 folgen die ersten Multiplexe in Hannover und Essen. Als nur gut einjährige Episode versuchte Flebbes Cinemaxx AG zwischen 2000 und 2001 auch einen operativen Zusammenschluss mit dem angeschlagenen Ufa-Konzern, der aber wieder aufgelöst wurde. Wie die Kiefts nutzte Flebbe die Filmkunst- und Programmkinoszene als Sprungbrett.
(BERTZ, Dieter (Hrsg.): Filmzeit. Das Off-Kino-Buch Berlin. Berlin (Edition Gato) 1987)
„Aufgrund seiner Herkunft aus dem Filmkunstbereich ist die Flebbe-Gruppe dem deutschen Film gegenüber offener als der Durchschnitt der Branche. [...] Im Gegensatz zu anderen großen Kinoketten hat die Flebbe-Gruppe nicht die Strategie, Monopolist in einer Stadt zu sein.“Wie man's nimmt: Neben zwei Cinemaxx-Multiplexen betreibt die Kette dort das Kinocenter am Raschplatz und die Hochhaus-Lichtspiele (beides Filmkunstkinos). Daneben gibt es heute in Hannover nur das Apollo, dem Flebbe/Cinemaxx freundschaftlich gewogen ist, das Kino im Sprengel und das Kommunale Kino im Künstlerhaus – seit dieses vor einigen Jahren zu schließen drohte, gibt es eine Unterstützung in Form des kostenlosen Programmabdrucks in der Cinemaxx-Programmzeitschrift. In dieser inseriert auch das Apollo, nicht aber das Kino im Sprengel.
(wieder NECKERMANN)
Die Gegenwart
Nun also ist Flebbe nicht mehr Cinemaxx, kehrt zu seinen Wurzeln zurück und übernimmt die Hochhaus-Lichtspiele. Auch nach den Raschplatz-Kinos streckt er die Fühler aus, so denn der mittlerweile rund eineinhalb Jahre dauernde Umbau jemals abgeschlossen werden sollte. In der Neuen Presse kann man ein langes Interview lesen. Nebenher erfüllt er sich seinen seit ein paar Jahren gehegten Traum vom Premium-Verzehrkino mit fetten Ledersesseln. (Astor Filmlounge, Berlin) Erinnern Sie sich? Vor ein oder zwei Jahren gab es da dieses Interview, Tenor "die Multiplexe müssen gemütlicher werden", da war sogar von Bücherregalen die Reden.
Cinemaxx, dessen Hauptaktionär Herbert Kloiber (Tele München Group) auch "Die Geschichte vom Brandner Kaspar" produziert hat, stößt inzwischen unrentable Häuser ab. Eines davon, das Sterntheater in Göttingen, übernimmt Torben Scheller vom Apollo Kino Hannover (klingelt da was?) zusammen mit Sybille Mollzahn (bekannt von der Nordmedia).
Weihnachten ist eben das Fest der Familie.
Sonntag, 9. November 2008
This is how we do it
Zunächst war da die Vorstellung unter dem Motto "Erlebnisort Kino" zum Aktionstag der Kommunalen Kinos. Gezeigt wurden "Movie Nights" und Buster Keatons "Sherlock jr.", ein Film, der mir auf Video wenig gegeben hat, sich in der Kinoprojektion aber als ganz fabelhaft herausstellte. Die Vorführung war insofern exeptionell, als dass beide Filme auf 16mm vorgeführt wurden, einem Filmformat, das im Filmtheaterbetrieb in der Tat als ausgestorben gelten darf, und zusätzlich durch Live-Musik gestützt wurden. Allerdings nicht das übliche, pardon, Geklimper, das mir kalte Schauer über den Rücken jagt, sondern eine mutige Variante des Trios "Filmsirup" mit Klavier, Bass und Elektronik-Part. Sehr zeitgemäß und eine echte Erlebniserweiterung!
Vorab wurde die Vorführung von zwei Tati-Filmen angekündigt - mit Trailern! Weiß der Teufel, wo man die noch ausgräbt. Und als Krönung des Ganzen beeilte man sich noch zu sagen, dass die eigentliche Kopie von "Trafic", die gezeigt werde, wesentlich schönere Farben habe als der rotstichige Trailer.
Was ich bestätigen kann. Die Vorführung in der Brotfabrik ist generell über jeden Zweifel erhaben. Scharf gestellt wird immer, wenn es notwendig ist oder wird, und stets sofort. Zu Beginn der Trailerrolle, zu Filmbeginn, beim Aktwechsel und auch sonst. Aber jetzt das Schönste:
Der Trailer zu "Trafic" wurde auch im Vorprogramm von "Playtime" noch einmal gezeigt, und siehe da, es schob sich ein Filtergläschen vor die Linse. Ein Filter. Für die Vorführung eines Trailers. Das hab ich noch nicht erlebt.
Der Vorführ-Effekt
...es ist immer so eine Sache, wenn man sich über Film mitteilen möchte, indem man selbiges Medium dazu benutzt. So war es auch zum Auftakt der Rede des FFA-Vertreters vorgesehen, allerdings scheint das technische Briefing nicht ausreichend gewesen zu sein ("klicken Sie hier und ignorieren Sie die Sicherheitswarnung" hätte genügt). Als alleinige Lösungsstrategie für die durch einen Fehlklick auftretenden Probleme hatte der gute Mann leider nur die Funktion "Notausgang" parat. Das heißt X, schließen, Alt-F4, nennen Sie es, wie Sie es wollen.
Mit sichtlicher Mühe und unter Anfeuerung (und Anleitungschoral) des Publikums gelang es nach gefühlten zehn Minuten steigender Peinlichkeit doch noch, das Imagevideo zu starten. Doch, oh weh, an dessen Ende verfehlte der FFA-Vertreter den "Stop"-Button haarscharf, erwischte den schnellen Rücklauf, und das Elend bewegte sich wieder seinem Anfang entgegen.
Welche Lösung hilft da? Richtig...
"Der Computer wird heruntergefahren."
Dieser Akt, vom Verzweiflungsgrad nahe dem guten alten Stecker-ziehen, wurde vom zahlreich anwesenden Fachpublikum offensichtlich als emanzipatorische missverstanden und beklatscht. Radikale Absage an das Diktat der Technik, eine politische Aussage über Nutzerfreundlichkeit, blabla.
Nochmal: es ist nicht nur der Inhalt, der zählt. Es muss auch vernüftig rübergebracht werden.
Sonntag, 19. Oktober 2008
Faxxen mit den Maxxen
Cinemaxx dagegen holt das Münchner Maxx, das mir Vorort-Kinozweckbau-Sozialisiertem neben dem Royal am Goetheplatz in meiner frühen Jugend Erstberührungspunkt mit "Filmpalästen" war, nach 15 Jahren nun endlich unters Cinemaxx-Label. Dagegen finden sich andernorts (z.B. in Darmstadt und Herten) Cinemaxxe, die zwar das Label führen, aber gar nicht zur AG gehören. Das Darmstädter Exemplar gehört sogar irgendwie mit dem Citydome-Label zusammen, unter dem anderorts die Theile-Gruppe (also eigentlich Kinopolis) Häuser führt. Ganz schwindelerregend das, und eigentlich ist man froh, dass man übers Impressum einer Webiste nicht alles erfährt. In Berlin-Hohenschönhausen wiederum wird sich das Cinemaxx nach der Übernahe durch einen neuen Betreiber umbenennen.
Angesichts der in Aussicht gestellten Trennung von Häusern bei den Ketten wird es da demnächst wohl noch mehr Kuriositäten zu bestaunen geben. Wir sehen uns dann im Cinemaxopolisdomestar!
Früher war alles besser
Stattdessen könnte man das doch als Denkanstoß nutzen. Damals verstand man einfach, dem Samstagabendvergnügen ein bisschen Glamour im Alltag zu verpassen: mit erhabener Architektur, einem pompösen Rahmenprogramm, festlicher Atmosphäre und gediegener Kleidung.
Samstag, 18. Oktober 2008
Volles Haus
Besuch eins war "Baader-Meinhof-Komplex", Startwochende, Samstag 20 Uhr in der Filmwelt Landau, einem Miniplex mit sechs Sälen. Parkplatz, Eingangsbereich, Foyer, Kino-Bar: alles voll mit Menschen! Von der Teeniegruppe über die komplette Familie bis zum Mittvierziger-Ehepaar, überall Stimmengewirr und gespannte Erwartung. Alle wirkten sehr routiniert, gleichzeit aber auch das Gefühl: hier ist Kino noch ein echtes Highlight. Den Aufschriften der Sprortvereinsjacken nach zu urteilen, waren manche bis zu 30 km angereist. Hätte ich dort quasi instantan bloggen können, die Masse der Eindrücke hätte für Dutzende von Einträgen gereicht. Es war faszinierend. Funktioniert Kino besser abseits der Großstädte?
Ich stellte mich an der langen Schlange an und guckte einigermaßen blöd, als ich feststellte, dass an ihrem Ende die Popcorntheke war. An der Kasse dagegen war die Schlange sehr, sehr kurz. Die Kassiererin war so fassunglos darüber, dass ich wirklich nur EINE EINZIGE Karte kaufen wollte, dass sie extra nochmal nachfragte, ob ich ganz sicher keine Plätze links oder rechts neben mir reservieren wolle.
Vor dem Film gab's wieder ein schönes Beispiel für "intelligentes Trailering": Werbung "Komm zur Bundeswehr", Trailer "Walküre", Trailer "Anonyma", Hauptfilm "Baader-Meinhof-Komplex". Quasi Deutschland im Zeitraffer ohne jede Sensibilität für Inhalte und Geschichte. Blöder ist nichtmal die amazon-Empfehlungsmaschine.
Wie anders war es da eine Woche später im Kinopolis Bad Godesberg: Wall-E, zweite Woche, freitags 20 Uhr. Man müsste denken, die Bude ist gerammelt voll (deswegen hatten wir uns die Zeit ja ausgesucht). Nichts dergleichen - kaum Betrieb im Foyer, die einkalkulierte Wartezeit an der Kasse fiel komplett aus, der Saal war bestenfalls halb voll. Bei der Saalbelegung, die dort nach meiner Erfahrung unter der Woche herrscht, muss man sich wundern, dass nicht nur am Wochendende gespielt wird.
Die Stimmung war gut, verlor sich aber in der Tiefe des Raumes. Immerhin ein Lob für das Popcorn, das wir nach langer Zeit mal wieder als passend empfanden (selbst im RAF-Film schreckten viele nicht vor dem knirschenden Genuss von Concession-Produkten zurück): es war zwar nicht so heiß und knusprig wie das unerreichbare Erzeugnis von Frau Kroiß im Abensberger Roxy-Kino, aber immerhin recht frisch und ordentlich gezuckert. Nicht so ein fades, knatschiges Zeugs, wie es die meisten servieren
Und wieder einmal der Gedanke: eigentlich müssten Mutiplexe ihre Tickets verkaufen wie Billig-Airlines, wenn man die Bude voll kriegen will. Die erste Hälfte des Saals zahlt 99 Cent, ab dann wird es immer teurer, für die letzten Plätze werden mindestens 10 Euro fällig. Der Preis eines Kinobesuchs wäre dann für die meisten so, als ob man einen PC zum Preis eines Taschenrechners kaufte. Also irgendwas stimmt da nicht.
Montag, 22. September 2008
Sechzig Plus
"Das Europa hat seit 1970(Abtrennung des Balkons) immerhin 564 Plätze, das Elysee 1 seit der Abtrennung von Elysee 2 im Jahr 1988 noch 311 Plätze und ein großes Bild. Als ich diese zwei von drei betretbaren Kinos (Esplanade wäre das Dritte, wenn man Keller verträgt) vor zwei Jahren besuchte, war immerhin die Projektion einwandfrei, ich fand es auch sauber und bis auf die labyrinthartig verborgenen Toiletten fürs Elysee1 akzeptabel."Das wussten wir natürlich (waren auch schon drin, zumindest teilweise), hätten das aber deutlicher machen können.
Besonders freut uns natürlich die Sternstunde dieses Blogs, dass eine/r unserer Leser/innen ein Kino verteidigt. Hurra!
Freitag, 12. September 2008
Spärlich
Ein Kommen und Gehen
Wie das an Ort und Stelle im Kinofoyer aussieht, wenn gespart werden muss, kann man an unserem örtlichen Multiplex gut verfolgen: Mehr stillgelegte Concessiontheken hat man wohl noch nicht gesehen. In Nebenzeiten ist nicht mal mehr die Kasse besetzt, Kinokarten gibt es an der Popcorntheke. Der Kassencomputer thront dort ein bisschen fehl am Platz neben der Nacho-Vitrine. Hoffentlich teilen sie demnächst keine Handfeger aus, damit man seine Krümel selber wegmacht. Zugegeben: Extrem-Cocooning kann man in den Nebenzeiten auch im Kinosaal machen. Zu viert im 400-Mann-Saal kommt man sich schon ein bisschen asozial vor.
Mehr Produktionen im Kino: das ist schon seit Jahren ein Reizwort für die Branche. Alle beschweren sich über viel zu viele Filmstarts (ca. 500 im Jahr), die Kinos, weil sie nicht genug Leinwände haben, um alles zu spielen, die Verleiher, weil sie kaum noch einen Termin finden, um Ihre Erfolgsfilme ohne kannibalisierende Konkurrenz zu starten. Gleichzeitig klagen die Betreiber kleiner Kinos immer noch darüber, dass sie von den Erfolgsfilmen keine Kopie bekommen. Und die Digitalisierung soll einerseits endlich auch kleinen Produktionen den Weg ins Kino ebnen, von denen viele dort aber auch nichts verloren haben.
Eigenartig, dass sich alle so einig sind, aber nichts verändert. Es ist wie bei der Digitalisierung: bis auf ein paar Risikofreudige, die tief in die Tasche greifen und ihre Kinos umrüsten, sitzen alle wie die Karnickel vor der Schlange und warten darauf, dass einer zuckt (oder Fördergelder spendiert). Zuzusehen, wie alle warten, anstatt endlich zu handeln, kann einen ganz krank machen.
Ein paar haben übrigens doch einen Weg gefunden, an ihre Kopien zu kommen: den Disponenten Peter König. Er ist längst nicht mehr der Geheimtipp, als der er noch vor nicht allzu langer Zeit galt, als Landkinobetreiber fast im Flüsterton davon berichteten, wie sie tatsächlich eine Startkopie von Harry Potter bekommen haben. Über 250 Leinwände "bespielt" König mittlerweile mit seinen Kopien, ohne Programmhoheit über die Häuser zu nehmen. Man fragt sich, wie lange das so bleiben kann. Denn mit dieser Zahl an Leinwänden kommt er gleich nach den fünf großen Ketten. Schon wird darüber nachgedacht, wie bei Cineplex, dem Zusammenschluss unabhängiger Kinos, auch eine Einkaufsgemeinschaft für Popcorn und ähnliches zu bilden.
Freitag, 5. September 2008
Gelebte Utopie
Übrigens hat auch die Utopia-Website - es handelt sich tatsächlich um eine Kinokette! - ein sehenswertes Intro und führt das Malteserkreuz als Website-Icon.
Donnerstag, 28. August 2008
Stay West, Young Man
Klar wäre es schön, mal wieder die Programmkinomacher zu sehen, bei ein paar netten Empfängen zu plaudern und zu hören, wie die Befindlichkeiten so sind. Aber für eine Fahrt quer durch die Republik mit Reise- und Übernachtungskosten und Nächte um die Ohren schlagen sollte schon etwas Zukunftsweisenderes auf dem Programm stehen als eine einwöchige Tradeshow mit abgekauten Themen.
Zur Ehrenrettung: ein echtes Highlight ist doch angekündigt.
Also falls ich mich morgen kurzschlussmäßig doch zur Akkreditierung entscheide, dann deswegen."Ausstellungsprojekt DIE WEISSE WAND
Im vergangenen Wintersemester erhielten Studierende des Haupt- und Masterstudiums der Bauhaus Universität Weimar die Aufgabe, an einem fiktiven Standort in Berlin-Mitte ein Lichtspieltheater zu entwerfen. Neben der Erfüllung eines groben Nutzungs- und Funktionskonzeptes waren die Studierenden aufgefordert, eigene Wege und Modelle zukünftiger Nutzungs- und Erlebniswelten zu formulieren. So entstanden Anregungen für neue Vorführkonzepte vom Kleinstkino für Kleingruppen bis zum professionellen Public Viewing Space, Vorschläge für neue Werbe- und Informationsstrategien und unterschiediche Ideen für ergänzende Nutzungsmöglichkeiten der Kinobauten. Die Filmkunstmesse Leipzig präsentiert die besten Entwürfe vom 8.9. bis 12.9.2008. Akkreditierte Fachbesucher erhalten den Ausstellungskatalog mit den acht besten Entwürfen."
Burkina Faso, ein Sommermärchen
"Dann ist es eine Hommage ans Kino in Ouagadougou und in Afrika überhaupt, denn alles dreht sich in OUAGA SAGA immer wieder um den Film und den Ort, an dem die Menschen Filme anschauen und genießen."Und dass es um junge Leute gehe, die von einem Multiplex träumten etc. pp. Und dann hatte ich das unfassbare Glück, dass der Film viele Wochen nach Bundesstart noch für ein paar Tage nach Bonn kam (Danke Brotfabrik!). Das war mir sogar den Luxus einer Spätvorstellung inklusive grätig dreinblickendem Spiegelbild am nächsten Morgen um sechs wert.
Manchmal wäre es aber klug, einen Film zu sichten, bevor man die Verleiherinfo abschreibt. Tatsächlich gibt es nur eine Szene, die im Kino spielt. Immerhin eine sehr schöne, sie zeigt, wie sich der Film und die Emotionen auf den Gesichtern des Publikums widerspiegelt. Und der Traum vom Multiplex beschränkt sich auf eine Denkblase einer einzigen Person gegen Ende des Films.
Eigentlich geht es um Geld und Träume, und alles wendet sich auf immer so unwahrscheinliche Weise zum Guten, dass wir die Aussage, dass es sich um eine Hommage ans Kino handelt, mal gerade noch gelten lassen.
Adrenalin pur
Also doch Kino. Zunächst ein 4D-Kino, also 3D plus x, wobei wir uns nach der druchlitteenen Höllentour im Colorado Adventure schwer fragten, was plus x wohl sein könnte. Stromstöße? Schleudersitze? Feuerstürme?
Unsere Vermutung war so eine Art MAD-Kino mit Wackelsitzen. Beim Betreten des (augenscheinlich konventionellen) Kinosaals entfuhr meiner besseren Hälfte dann der Satz "Ooch, das ist ja ein ganz normals Kino, das ist ja gar nicht aufregend!" (für diesen Satz wird sie wahrscheinlich als Raubkopien-auf-dem-Laptop-Gucker wiedergeboren).
Nun, tatsächlich war es ein Spürchen mehr Action: drei Spritzer Wasser, ein laues Lüftchen um die Knöchel und ein sanftes Surren unter dem Hintern. Da geht noch was.
Also haben wir uns mal den "IMAX-Ride" Race for Atlantis angesehen. Ganz goldig, einer der bekannten vor-zurück-hoch-runter-Kippsimulatoren, kombiniert mit einer IMAX-Dome-Leinwand und einem reichlich angestaubten CGI-Film. Maximaler Adrenalinschub kam höchstens beim instantanen Zuschnappen der Sicherheitsbügel auf, die einem den Hosentascheninhalt mit Wucht in den Oberschenkel oder empfindlichere Stellen pressten oder den Versuch unternahmen, das Handgelenk zu brechen. Was Menschen mit einem Körpergewicht von mehr als 60 Kilo und entsprechender Leibesfülle wohl widerfahren mag? Immerhin wissen wir jetzt, warum keine Schwangeren eingelassen wurden.
Und die Moral von der Geschicht'? (Nur) Kino ist das Grösste.
Montag, 18. August 2008
CoD Red
Dienstag, 5. August 2008
Kung Fu Sex
Wir stellen die Vertrauensfrage
Wie jetzt?!
Und man fragt sich: war der Rettungsversuch nur ein Werbegag oder kann man wirklich so irre optimistisch sein, einen zweistelligen Millionenbetrag zur Rettung eines Kinos aufbringen zu wollen? Und 550.000 Zuschauer pro Jahr zu erwarten?
Wenn man es auch irgendwie geahnt hat - der Fehlbetrag war schon frappierend hoch - es ist halt doch wieder eine Schlacht geschlagen und verloren. Es ist einfach zu wenig lichtscheues Gesindel da draußen, das sich vor flackernde Leinwände setzen mag.
Montag, 28. Juli 2008
Im Wald der Wörter
Aha: ein eigener Begriff für die Bildaufzeichnung mit digitalen Geräten? Das wäre natürlich ein spannender Ansatz, die technische Genese eines Bildes eindeutig zu halten. Womöglich bezeichnet es aber auch nur eine Fotodruck-Methode von Epson.
Im Deutschen bezeichnet das Wort außerdem die digitale Form der Lomographie. Das gefällt mir besonders für die meist nicht sehr ernstzunehmende, aber von Anlass zu Anlass unverzichtbare Handyfotografie. Immerhin ein guter Teil der "Entdeckungen", über die wir hier und da berichten, konnte nur mittels einer solchen festgehalten werden.
Natürlich denkt man einen Schritt weiter und fragt sich: muss es auch für Kino auch ein solches Wort geben, das zwischen traditionellen Kinos und digitaler Projektion unterscheidet? Erste Schwierigkeit ist dabei, dass "Kinematographie" zunächst einmal nur die Aufzeichnung von Bewegung bedeutet und Kino gemeinhin die Projektion bewegter Bilder in einem dafür vorbereiteten Raum bezeichnet. Von der für die Projektion verwendeten Technologie ist keine Rede. Nicht umsonst wird zwischen Franzosen und Deutschen heiß diskutiert, ob das Bioskop der Skladanowskys nun eine Kinomaschine im Sinn des Cinematographe Lumière ist oder nicht. Immerhin hängt davon ab, wem die Ehre der ersten Kinovorführung gebührt.
Impliziert "Kino" also die 35mm-Projektion und nur "D-Cinema" steht für die digitale Projektion im dunklen Saal? Im Allgemeinverständnis wohl kaum. Und das Wort "Filmtheater" haben sie uns auch schon geklaut und auf alle Kinos angewendet (was ja ursprünglich auch mal irgendwie stimmte). Während "Kino" mittlerweile schon alles vom Fernseher über den Computer bis zum Mobiltelefon bezeichnen darf, wenn es nach ein paar Werbefuzzis geht. Während man mit dem Satz "Ich war im Filmkino" wahrscheinlich für jemanden mit einem drolligen ausländischen Akzent gehalten wird.
Wie zum Teufel ist diesen Leuten damals gelungen, den genauso missverständlichen Begriff "Programmkino" zu etablieren und dafür zu sorgen, dass die meisten immerhin eine vage Vorstellung von dem haben, was dort passiert?!
Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt...
Und da erwarten wir eine perfekte Projektion und "ein paar schöne Stunden"?
Das Kino ist unser Zuhause
Endlich mal wieder ein Anlass, das Mal seh'n zu besuchen und in allerschönster kinofamiliärer Atmosphäre Filme zu sehen, die man beim besten Willen nicht versteht - aber das tut man bei Kunst ja häufig nicht. Und bei uns kommt noch als mildernder Umstand hinzu, dass wir lebensumständebedingt ein bisschen ignorant geworden sind.
In herrlichster Open-Screening-Atmosphäre steht da Helga Fanderl auf einem Stuhl und bedient höchstpersönlich einen Super8-Projektor, der auf einer gewagten Konstruktion aus einem Cafétisch, einem Stuhl und einer Filmkiste thront, genannt der Deller'sche Turm und ebenso oscarwürdig wie der Burth'sche Teller. Ein Foto müssen wir leider schuldig bleiben, weil das mitgeführte Fotogerät nicht ansatzweise gegen die sehr lobenswerte Dunkelheit eines guten Kinos ankam. Eric de Kuyper brachte einen seiner Filme auf Video mit, weil er keine Kopie findet und Karola Gramann nötigte Eunice Martins und Maud Nelissen, ein elektrisches Klavier anzufassen. Also bitte, wenn da mal keine Szenenapllaus vorprogrammiert war!
Für Nicht-Familienmitglieder wird der Anlass mit einer Festschrift gewürdigt - pardon, keiner Festschrift, denn eigentlich ist das in diesem Fall was ganz anderes. Sie ist im Stroemfeld-Verlag erschienen und ganz unbedingt lesenswert.
Samstag, 26. Juli 2008
Im Kino Größenwahn?
Wer jetzt dachte, die nächste Steigerung könnte eigentlich nur Kino in der Achterbahn sein, hat sich getäuscht. Das wäre ja lahm. Nein, die Webers haben sich vorgenommen, das Grindel in Hamburg zu retten. Dazu wird ein zweistelliger Millionenbetrag gebraucht. Rund 3 Millionen sind nach offiziellen Informationen schon zusammengekommen, der Rest sollte tunlichst bis Anfang August 2008 im Sack sein, sonst kommt der Bagger.
Ein genialer Geschäftsmann, ein naiver Zukunftsgläubiger oder ein unverbesserlicher Kinofreak? Schwer zu sagen, muss man abwarten. Gut für das Kino ist es allemal. Wir wünschen viel Erfolg!
Samstag, 12. Juli 2008
RGB
Wir wurden netterweise auf den Kurzfilm "KRWLNG" hingewiesen, den Dennis Rehner und Fabian Kunz zusammen produziert haben. Falls jemandem der Titel bekannt vorkommt: Ja, das Geschehen ist untermalt vom neuen Song von Linkin Park. Aber diese knapp sieben Minuten Film sind im besten Sinne kein Videoclip. Verzichtet wurde auf eine Kopie der schnell vergessen machenden VIVA-Bilder, stattdessen: Eine in ein wenig verstörendes Grün getauchte kurze Erzählung, die geschickt gedreht erstaunlich viel Lokalkolorit vermittelt. Wie man erfahren kann, hatte der Film sogar bereits in einem Kino Premiere, auf Anfrage ist er auf DVD zu erhalten. Das nächste Projekt ist bereits angekünigt, und die Nachwuchstalente haben sich großes vorgenommen, ein Spielfilm soll's nächstes Mal sein. Wer mag, kann sich hier selber eine Meinung bilden. Fanpost erwünscht - aber bitte an die echten Jungs!
Mittwoch, 18. Juni 2008
Radieschenzähler
Komm, wir click'n ins Kino
Erste Station: Gravenbruch. Als ältestes Autokino Deutschlands rückt es, jetzt, zum 75jährigen Jubiläum der Erfindung des Autokinos, endlich mal wieder in den Fokus. Die Hessenschau bringt dazu ein nettes Video mit unfreiwilig komischen Schluß, so von wegen: Helden auch nach 75 Jahren (dabei ist der letzte Indy doch gerade mal 19 Jahre her). Übrigens, der Sprecher des Ausschnitts von 1985 ist ein naher Verwandter!
Wer mehr erfahren will: die Berliner Zeitung rekapituliert die Anfänge des Autokinos in den USA. Loge mit Motor, Loveseat auf Rädern, Knutschkugel mit Ausblick - das Image des dark room wird das Kino, besonders das Autokino nie mehr los. Dass es in Deutschland nicht erfolgreicher war und ist: komische Sache. Hier, wo das Auto nun wirklich einen hohen Stellenwert einnimmt, wo das Cocooning so groß angesagt ist und wo alles aus Amerika schon immer ein bisschen besser war... so ein Wohnzimmer auf Rädern ist doch eigentlich das Größte. Kinoleinwand und doch ganz privat, es gibt Hamburger und man kann den neiderfüllten Blick der Nachbarn ernten, wenn man am letzten Samstag wieder eine Spur gründlicher den Chrom poliert hat.
Nächster Halt: Quernheim. Weiß der Teufel, wo das ist, aber dafür ist so eine virtuelle Reise ja gut, man eiert nicht übers Land. Die FAZ nimmt uns dorthin mit und bestaunt das Phänomen Landkino, das so ungewöhnlich eigentlich doch gar nicht ist, man muss sich nur mal die Mühe machen, übers Land - aber das hatten wir ja schon. Der Betreiber Karl-Heinz Meier trägt den Spitznamen "Fuchs" scheinbar zu Recht: bis zu 1.000 Besucher die Woche bei 465 Einwohnern. So ein Ausreißer kann die schönste FFA-Statistik verderben. "Fuchs" informiert sich in der Zeitschrift "Filmwirtschaft" - Bildungslücke oder Zeitungsente? Wir kennen das Heft nicht, zu ergoogeln ist es auch nicht, aber das mag am Namen liegen. Im Deutschen Filmmuseum Frankfurt am Main, sicher eine der verlässlichsten Quellen für sowas, ist es auch nicht gelistet. Selbst wenn es diese Zeitschrift gibt - das Marketing ist bescheiden.
Und weiter. Das nächste Kino ist gleich ein guter Grund für ein schlechtes Gewissen. War mal so nah und man ist doch nicht dort gewesen. Das Lichtspielhaus & CineBar in Groß-Gerau kommt unserem Zukunftskonzept von Verzehrkino erschreckend nahe. Wieder eine Geschäftsidee gestorben, wieder eine Reise fällig. Die Möbel sind ein schwindelerregender Designmix aus allen Epochen zwischen der Kindheit unserer Eltern und unserer eigenen, mit dem Effekt, dass jeder Besucher sich jung fühlen muss. Wer in diesem Kinosaal sitzt, kann die Worte Ölkrise, New Economy, Tschernobyl, 9/11 und AIDS getrost vergessen - das kommt erst in ein paar Jahren. Hey, genau wegen sowas geh'n wir schließlich in Filmtheater. Hoffentlich kann man an der Kasse mit D-Mark zahlen. Und ein Capri-Wassereis für 50 Pfennig kaufen.
Wenn uns reut, nicht ins nahe Groß-Gerau gefahren zu sein, so haben wir jetzt die Chance, den selben Fehler nicht auch mit Köln zu begehen. Der Filmclub 813 sieht schwer aus, als könnte er eine neue Heimat werden. Leider sind 39 km Entfernung ein Ausschlusskriterium für "Puschenkino".
Für manche Leute gehört zu jeder Reise auch ein Gang über den Friedhof. Ein bekannter deutscher Filmkritiker hat mal in einer großen deutschen Tageszeitung einen Artikel zum Thema "Kinotod" geschrieben (nein, wie originell), der klingt, als wäre er zum ersten Mal in einem Multiplex gewesen oder aber, als habe er das Wesen des Multiplex noch nicht so ganz verstanden, und dass es schon noch andere Kinos gibt, wenn man diese nicht mag. Das war 2004 (selbst damals waren die Mutiplexe schon ganz gut eingeführt), ich habe den Artikel aber erst vor wenigen Tagen in meine Lesezeichen gelegt. Wie ich darauf gestoßen bin, ich weiß es nicht. Aber verlinken tue ich so einen Schmutz nicht. Basta.
Dienstag, 3. Juni 2008
Der Nogger-Schock
Jetzt also haben wir uns mal das Woki vorgenommen. Wofür das wohl stehen mag? Meine Mutmaßung wäre Wohlfühl-Kino, wenn ich die Einträge des sehr lesenswerten Gästebuchs studiere. Wir taten uns ein bißchen schwer mit dem Woki, aber es mag sich um eines der Kinos handeln, zu denen man einen besonderen Zugang braucht, um dort heimisch zu werden. Wir sind zwar generell im Kino zuhause, aber in ein paar Kinos, die jetzt alle etwas weiter weg sind, ganz besonders. Nicht zuletzt ist der Eindruck manchmal auch fälschlicherweise dem Film geschuldet, und der war ziemlich schlecht. Das Sequel wird wohl der erste Abenteuerfilm mit einem Helden am Rollator sein. Über um einen Satz aus dem Film über eine rsant zerbröselnde Mumie aufzugreifen: "Er war 400 Jahre konserviert, die Luft setzt seiner Haut zu." 19 Jahre reichen manchmal auch...
Erfreulich ist schon mal, dass der Saal sehr groß ist und viel von der mutmaßlichen Originalausstattung noch vorhanden ist. Besonders auffällig ist die gelb-goldene (? ...ließ sich bei dem Licht nun wirklich nicht sagen) Wandbespannung mit Leuchten in Kranichform. Noch ein paar blaue Sitze, und man fühltt sich wie bei der alten Lufthansa. Blaue Sitze gibt es auch, hinten im Saal, dann folgen ein paar Reihen numerierte rote Multiplex-Hochlehner, vorne dann wieder eher spartanische Holzstühle mit ebenfalls roter Polsterung. Da kann man sich durch die Jahrzenhte sitzen. Selbige haben wohl auch an den Stühlen der vorderen Reihen genagt. Manche Sitzflächen gaben bedenklich nach vorne unten nach, an mancher Stelle geriet gar die halbe Sitzreihe ins Schwummern, obwohl wir beide eher zierlich gebaut sind. MAD-Kino zum Selbermachen. Alte Schraublöcher im gestrichenen Boden gaben auch Aufschluss darüber, dass die übliche Reihenauflockerung hier auch schon geschehen ist.
Beeindruckend war die große, gebogene (!) Leinwand, der Ton war (abgesehen von der Lautstärke) nicht auf heutigem Großkino-Niveau, aber bei einem Film wie eine Achterbahnfahrt darf man da schon fast dankbar sein.
Ein echtes Erlebnis war dann die Eispause: Die Verkäuferin baute sich in der vordersten besetzten Reihe auf und spähte feldwebelhaft über die Reihen hinweg. Sie nahm sich einen Moment zuviel Zeit, bevor sie zu Ihrer Ansprache anhob, und so nutzten wir die Zeit, um uns schonmal nach der Verfügbarkeit von Wieder-da-Nogger-Choc zu erkundigen. Wer hätte es ahnen können - die Gute hatte eine effektvolle Kunstverzögerung eingelegt, um die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen. In Saallautstärke teilte sie uns mit, ja, tatsächlich, sie verkaufe Eis, das hätte sie wohl auch jeden Moment kund getan, aber jetzt, da wir ihr zuvorkämen... Solchermaßen bloßgestellt versanken wir ein bißchen tiefer in den Sitz (so wie man es sonst nach Erlöschen des Lichts tut). Temptations habe sie nicht, aber Nogger choc, das habe sie, hier, noch jemand ein Eis, ich reagiere auf Zuruf... Weiteren Darbietungen fuhr zu unserem großen Bedauern das konsumunwillige Publikum in die Parade. "Keiner ein Eis? Is ja gut, ich hau ja schon ab."
Schträge Farbkombination, schräge Sitzmöbel, schräger (Umgangs-)Ton und eine Tendenz zur Überdimensioniertheit: da denken wir doch gleich an eins unserer Frankfurter Stammkinos, das unvergleichliche Filmtheater Valentin. Also vielleicht wird's ja noch was mit der Heimeligkeit. Alles eine Frage der Typfixierung.
Montag, 26. Mai 2008
Kranke Synergie
Was haben Reifen mit Kino zu tun? Welche Kundenbindungs- und Multiplikationseffekte erwartet sich die beiden davon? Hatte der Syron-Werber die Idee beim letzten Kinobesuch im Glukoserausch nach übermäßigem Genuss von Slushies und Popcorn?
Und wie geht es weiter: gibt es im Kino Reifen-Gratisproben? Kann ich Syron-Reifen an der Concessionstheke erwerben? Und zu welchem Mehrwertsteuersatz? Muss beim Reifenkauf eine Abgabe an die FFA gezahlt werden?
Dienstag, 13. Mai 2008
Rentner vor!
Auch Kinos wie das Cinmaxx in Essen oder das Cineplex in Kassel geben deswegen [Rabatte sollen die Hemmschwelle senken und diese zahlungskräftige Gruppe an die für sie fremden Produkte heranführen] gezielt Seniorenrabatte. Die Filmwirtschaft und die Fernsehproduzenten haben sic lange an der Zielgruppe der 14- bis 29jährigen orientiert. Schon 2015 werden aber 50 Prozent der Deutschen älter als 50 Jahre sein und durchschnittlich noch 40 Jahre zu leben haben. Das ist eine große Zielgruppe. Sie hat viel Zeit, ist wohlhabend und - anders als die Nachkriegsgeneration - auch sehr konsumorientiert. Rabatte sollen diese Generation vom Fernsehgerät weg und ins Kino locken. Die Rechnung geht auf. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Anteil der Kinogänger über 50 auf knapp 21 Prozent fast verdoppelt.*
So weit, so schön. Ulkig, daß gerade große Ketten wie Cinemaxx und Cineplex einen Seniorenrabatt anbieten. Nicht nur, daß dadurch das ohnehin schwer überschaubare Preisstaffelungssystem eine neue Verästelung erhält, die das ganze noch ein wenig komplexer macht. Nein, aber daß es gerade die Multiplexe sind, vor denen zumindest alle mir bekannten Älteren schreiend reißaus nehmen.
"Kino?! Nein, da waren wir seit Jahren nicht mehr! Das ist so laut! Und dieser Popcorngestank!" Ja, all die bequemen Analysen der Unbequemlichkeiten kommen nicht von ungefähr! Es gibt eine Menge Menschen, die wirklich so empfinden.
Amüsant auch, daß gerade Essen und Kassel genannt werden, dieses zufälligerweise mit einem anspruchsvollen Programmkino, jenes mit dem vielleicht berühmtesten Kino Deutschlands, der Lichtburg, gesegnet. Ich kann schon gar nicht mehr zählen, wie oft ich von Anwohnern des Ruhrgebietes nostalgische Lobeshymnen auf dieses große Kino gehört habe, und es sind nicht wenige, die auch heute noch den Besuch dort schätzen. Vielleicht ist die - im übrigen brillante - Idee des Seniorenrabatts ja zumindest in diesen Städten eine lokal begründete Marketingmaßnahme.
Worin aber liegt dann die Begründung, daß die Zuschauerzahlen im Bereich der "Best Ager" - warum darf man eigentlich "Senioren" nicht mehr sagen? - so dramatisch gestiegen sind? Nun, die Filmlisten der FFA zeigen in dem genannten Zeitraum pro Jahr unter den Top Ten allein knapp die Hälfte Titel, die einen großen Anteil an der neuen Zielgruppe gehabt haben dürfte. Nicht zu vergessen all die familientauglichen Filme, in die Oma und Opa mitgeschleppt wurden oder gar allein den Besuch mit dem Enkel gewagt haben.
Eines gilt es bei der Rabattaktion, die so vielleicht für andere Artikel stimmt, beim Kino aber nicht nur leicht hinkt, zu beachten: Das KINO ist ja keine Erfindung unserer "neuen" Zeit. Das KINO gab es schon, noch bevor die alten Menschen jung waren. Das ist für viele ja gerade das Schöne daran.
* Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 27. April 2008, Nr. 17; S. 56
Montag, 12. Mai 2008
Tanz der Vampire
In ein paar Jahren schon wird sich das geändert haben. Zu verlangen, dass ein Filmklassiker auf 35mm gezeigt wird, wird dann etwa so anmuten, als würde man heute verlangen, Stummfilme nur auf handbetriebenen Projektoren mit Livemusikbegleitung vorzuführen. Oder Mozart nur auf Instrumenten aus dem 18. Jahrhundert zu spielen. Was natürlich ein Trugschluss ist, denn das Prinzip Filmprojektor weicht 2008 von seinem Ursprung 1895 nicht so dramatisch ab. Intermittierender Transport, Lichtquelle, Optik, Filmstreifen - die Komponenten sind alle da. Der DLP-Projektor aber hat damit nichts gemein. Er kann nur noch den Inhalt transportieren, wie eine DVD. Der von Kopiengeneration zu Kopiengeneration weitergegebene Abglanz des Schauspielers, der 1921 vor der Kamera stand, ist nicht mehr da (ich weiß nicht mehr, wer das geschrieben hat,mag sein, dass es Siegfried Zielinski war). Die Theoretiker unter uns befreit das von dem gerne vorgeworfenen "Fetischismus" (wer das gesagt hat, weiß ich noch, schweige aber höflich), zwischen dem Film als Werk und dem Film als Objekt zu unterscheiden.
Der digitale "Film" - lieber möchte ich wirklich von Video reden, wenn es sich um elektronisch "aufgelöste" Bilder handelt, und der Film hat seinen Namen ja nun auch vom Material des Kunststoffstreifens -, der digitale "Film" ist allerdings auch endlich wirklich in der Welt der Massenreproduzierbarkeit angekommen. So perfekt austauschbar und zu vervielfältigen war er bisher eben nur in der Idee. Und die Filmpioniere hätten keinen Tag gezögert, den Schritt zur Digitalisierung zu tun, wäre er ihnen technisch möglich gewesen: Schärfere Bilder? Billigere Kopien? Höhere Zahlen ohne Qualitätsverluste? Man müsste ja bekloppt sein, sich dieses Geschäft entgehen zu lassen. Und wenn man auf diesem Wege aus alten Schinken noch mal ein paar Mark rausquetschen könnte - grandios. Was das Produktionskosten spart!
Stellt sich die Frage: Warum nur hängen wir so an unserem alten Krempel...?
Hinter Glas
Samstag, 26. April 2008
Skandal im Sperrbezirk
Es beginnt der Exodus, ohne zu blöken versammelt sich die Herde hinter der Absperrung. Auf ein Signal erfolgt die Rückkehr in den gelobten Saal, sechs Sicherheitsschleusen tun sich vor Moses und den seinen auf. Ein bißchen Hände hoch da, ein bißchen in Handtasche leuchten hier, etwas auf den Busch geklopft da. Verbandsspitzen, Verleiher, Kinomacher, alle machen mit, wir machen uns lustig. Wer brav war, kriegt einen Lutscher (echt, ohne Scheiß). Der letzte macht die Tür zu und sein Nachtsichtgerät an.
KINO 2008 - Der beste Satz
"Hier sieht's ja aus wie im Kino!"
KINO 2008 - Die ganz große Nachlese
In der Eröffnungsrede merkte Dr. Negele an, das Denken sei noch 35mm, und klar, das stimmt, wie sollte es auch anders sein. Jede Frage nach so etwas wie Startkopien, Förderkopien etc. erübrigt sich, denn die Kategorien sind andere geworden. Was aber auch wieder auffällt, ist das strikte Warendenken in diesem Teil der Branche, nur wenn es darum geht, Fördergelder aufzubringen, wird die Kulturflagge gehisst (allerdings läuft auch der alternative content von der Oper übers Fußballspiel bis zum Game unter Kultur - solange er im "Kino"saal stattfindet). Mit der Digitalisierung wird das nicht besser werden. Den sozialistischen Gedanken "Startkopien für alle" darf man getrost in der Utopieschublade lassen, das haben die Verleiher deutlich gemacht.
Im Folgenden ein sehr subjektiver Rückblick auf die besuchten Veranstaltungen:
Vorstellung der Filmbefreier-Kampagne der ZKM:
Zwei Details mit Charme fallen auf: In einer Aktion quetscht die ZKM eine Kontorsionistin in ein Fernsehergehäuse - das hat was. Zum Glück ist es kein Flat Screen. Und das Video von der Paderborner Kino-Demo ist ein 1A-Youtube-Pixelbrei, der hier in Baden-Baden auf der großen Leinwand für die große Leinwand wirbt. In bester Demo-Veranstalter-Manier addiert ZKM rund 20% Teilnehmer auf die Medienberichterstattung drauf.
Trendforscher-Panel:
Wahrscheinlich die beste Veranstaltung, die ich je auf einem Kinokongress erlebt habe. Leider konnten sich die Praktiker im Saal nicht für die Theorie auf dem Podium erwärmen. Noch tagelang hört man Kommentare über die "etwas trockene Theorie", vom lapidaren "des is doch ois scho do g'wesn" bis zur aufgebrachten Rechtfertigung. Welcher erfahrene Handwerker lässt sich schon gern Unprofessionalität und Anachronie nachsagen?
Genau das warfen Jörg Domhöfer (sinus sociovision), Prof. Hennig-Thurau (Filmökonom, Bauhaus-Uni Weimar) und Prof. Dirk Blothner (Filmwirkungsanalyse, Uni Köln) aber dem Publikum an den Kopf. Und ihre Argumente waren gut.
Eine Auswertung der Sinus-Milieus etwa zeigt, dass die Kino-Fans vor allem im Bereich der jungen, wohlhabenden und technisch interessierten Deutschen zu finden sind. Technisch ist 35mm aber der Zeit hinterher (was schöner ist, steht hier mal ausnahmswese nicht zur Debatte). Kino ist, lernen wir von Hennig-Thurau, no place for freaks. Wo bleibt das Filmkompetenzzentrum, der "one-stop-shop", wo man von kompetentem Personal beraten wird und zu einem Film im Saal draußen auch die anderen DVDs des Regisseurs, Schauspielers, die CDs des Komponisten etc. pp. kaufen kann?
Da merkt man schon: mit dem Kino, wie wir es seit etwa 1895 in relativ unveränderter Weise tradiert haben, ist es gründlich vorbei. "Kino", will es ökonomisch bestehen, wird in Zukunft so etwas sein wie das Home-Cinema mit Playstation und Satellitenanschluss, nur größer, schärfer, lauter und manchmal in 3D. Und vielleicht auch wieder mit Bedienung am Platz. Die Werbung wird über eine zentrale Datenbank aller Kinos genau die richtigen Leute erreichen. "Der Kintop ist tot - es lebe das Zielgruppenkino", verkündete Domhöfer. Nur das, technisch aufpoliert, wird noch außergewöhnlich und exklusiv genug für die Leitmilieus sein. Im Gegensatz zum Heimkino ist es aber leider schrecklich unkommunikativ.
Hennig-Thurau empfiehlt den Kinos eine intelligentere Preisdifferenzierung: nicht mehr nach Tag, Uhrzeit, Loge und Student (kompliziert genug), sondern nach Spielwoche, Zielgruppe, Budget/Attraktivität des Films und so weiter. "Event films need event ticket prices", heißt das. Kein dummer Gedanke, um "Ertragspotentiale zu realisieren". Aber wie um alles in der Welt soll das Kino so jemals den Ruf des teuren Vergnügens los werden? Und wie reagiert ein Kinobesucher, wenn er für "Indiana Jones" zwei Euro mehr bezahlen soll als ein anderer für "Love Vegas" an der Kasse nebenan? Eine Betriebstypendifferenzierung, wie er sie weiter empfiehlt, haben wir - nur einer dieser Betriebstypen versteht es nicht recht, ein Kino nicht wie das andere aussehen und anfühlen zu lassen. Ich bin gespannt auf die Multi-, Kulti-, Mono- und Eventplexe.
Aber trotz allen Spotts und aus schierem Idealsimus geäußerten Zweifeln: Abwegig sind die Gedanken nicht. Sie passen nur nicht zu unserem Bild vom Kino, obwohl wir sie in Dutzenden anderer Wirtschaftsbereiche selbstverständlich akzeptieren. 35mm-Denke eben.
Eine Idee, für die ich mich sofort erwärmen konnte, ist die "Film Business Academy". Das wäre der Schraubstock, in dem man Handwerker, Denker, Ökonomen und Kreative wenigstens vorübergehend zusammenhalten könnte. Damit zusammenwächst, was nicht zusammengehört, oder -gehören will.
Was Blothner über die "Verwandlung auf einem sicheren Stuhl" erzählte, war dann tatsächlich mehr etwas für Filmwissenschaftler und Psychologen. Schön aber seine Deutung des Begriffs Filmpiraterie: Für ihn sind das Menschen, die das Kino auseinander nehmen, die in Filme gehen, um sie auf einer ironsichen Metaebene für etwas anderes zu benutzen. Und achtung, bevor Sie lachen - nicht nur Pubertierende tun so etwas, auch mancher Filmkritiker und -theoretiker kommt mir so vor. Um ehrlich zu sein, die meisten. Bei Blothner läuft das unter "zeitgenössische Nutzungsformen". Zeitgeist. Das geht vorbei. Wie '68 oder die letzte Fußball-WM. Gerade deshalb, findet er, muss man aber Kindern und Jugendlichen nicht mit viel Erklärungen über Filmästhetik, Ideologie und sowas kommen, sondern ihnen den Zauber des Kinos nahebringen. Ein schöner Gedanke, wenn auch viel Polemik in ihm steckt. Wie auch in seiner Schlußthese, man müsste "Kino als gegen den Strom schwimmende Unterhaltungsform" etablieren. Glaubt man Domhöfer, hat das Kino das schon getan. Bei so einem Satz oder einer Bemerkung wie "machen wir Cocooning doch zu unserem Geschäftsmodell" (Hennig-Thurau) klopfen sich die Anachronisten auf die Schulter.
Am Ende bleibt nur die Idee des Modellkinos: versuchen wir's mal. Wer traut sich? Wir hätten auch schon einen Namensvorschlag. Sehen Sie mal ganz oben auf die Seite.
Seminar: Sind wir noch Kino?
Das nun wäre für mich nach den obigen Überlegungen die alles entscheidende Frage des Kongresses gewesen. Leider auch für so viele andere, dass der Seminarraum sie nicht in der Lage war, zu fassen. Wir standen auf dem Flur, hörten nix und mussten uns die Antwort selber geben. Zwei Leute kamen mir aus dem Saal entgegen, wutschnaubend über den größten Blödsinn, den sie je gehört hätten. Ja, wer weiß.
Der Vortrag über den "Goldesel Generation 50plus" war die große Enttäuschung. Wer hätte schon geahnt, dass Menschen "über 60" (siehe Titel des Vortrags) schlechter sehen, weniger mobil sind, Sauberkeit und Bequemlichkeit schätzen, dafür gerne etwas mehr zahlen und nicht gerne lange anstehen?
Die Vorstellung der Imagestudie Deutscher Film brachte auch keine weltbewegenden Überraschungen mit sich. Gelernt haben wir, dass nur Kinofilme sich unsympathische Charaktere leisten können und Literaturverfilmungen bei uns angeblich dehalb so gut gehen, weil wir keine richtigen Stars haben. Willkommen im Land der Dichter und Denker, uns geht halt nix über unsern Goethe. Alle paar Jahre kommt dann mal Til Schweiger und sorgt mit sechs Millionen Besuchern für die Ausnahme, die die Regel bestätigt.
Am Ende dreht sich wieder vieles um die Förderung und um die Frage "Wer setzt die Schere bei der Zahl der Produktionen an und wo?", nur eine Antwort hat man immer noch nicht gefunden. Falls Sie sie wissen, freut sich die MFG in Baden-Württemberg auf Ihre Antwort. Stefan Arndt wandelt mit dem "Filmkompetenzzentrum" auf nicht erst seit Prof. Hennig-Thurau ausgetretenen Pfaden, die mit DVD-Vitrinen gesäumt sind. Frank Völkert von der FFA ist es dann, der fordert, aus den Kinos keine "Sportsbars" zu machen, heißt: lasst bitte wenigstens das Fernsehen draußen. Seine berühmten Fußball-Metaphern kamen diesmal nicht überall gut an: "Können Sie das nochmal für Nicht-Fußballer ausdrücken?"
Aus dem sehr unterhaltsamen Dienstleistungsseminar von Söhnke Thomssen nehme ich vor allem einen genialen Psychotest mit. Wenn Sie Filmfreak sich für einen guten Beobachter halten, wird Sie dieses Video Demut lehren. Zählen Sie ganz genau, wie oft die weiße Mannschaft den Ball hin- und herpasst. Die Auswertung Ihres Ergebnisses erhalten Sie hier, unter der Überschrift "Sustained inattentional blindness ...". Weitere Erkenntnisse für den Alltag: wenn ein Mensch Dampf ablässt - lassen Sie ihn brüllen. Dauert im Schnitt nämlich nicht mehr als 20 bis 30 Sekunden.
Aussichtslose Beschwerden, hört man in der Diskussion, treten im Kino vor allem an zwei Punkten auf: bei mitgebrachtem Essen und bei der FSK. Während die Nordlichter hier diskutieren bis zur Verzweiflung, parieren die Bayern mit einem kessen Spruch.
Der Workshop zur Mitarbeitermotivation ist gelebtes Teleshopping. Eine attraktive junge Frau verrät einem Psychotipps, die man aus jeder Fernsehzeitung kennt. Nachdem sie sich damit über die Zeit gerettet hat, pariert sie die intensiven Fragen mit: "Oh, jetzt muss ich aber wirklich aufhören, aus Kollegialität den anderen Veranstaltern gegenüber. Ihre Frage geht da sehr in die Tiefe, das sollten wir unbedingt individuell angehen. Das würde ich gerne machen. Visitenkarten liegen hier vorne aus."
Da hätte ich meine Zeit mal besser auf der Independent-Tradeshow oder in den Workshops zur Digitalisierung verbracht. Dann wüsste ich jetzt, wie weit das Thema 4K in Deutschland ist. Gelesen habe ich schon, dass man bei 4K-Projektoren die Pixel nicht mehr sieht und die Auflösung so gut ist, dass sie das Filmkorn abbilden kann. Klingt beeindruckend, aber es ist eine Perversion, nicht? Sony jedenfalls verteilt schon mal Schlüsselbänder mit goldenem 4K-Logo. Heute in der Hosentasche, morgen im Kopf, übermorgen im Projektionsraum. Zu den übrigen Tradeshows kann ich sagen: ein Verleiher hat nahezu alle Favoriten auf den größten Käse des Jahres gebucht, ein anderer ist dichtauf. Die übrigen haben mich positiv überrascht. Habe ich mir letztes Jahr in Baden-Baden noch bei 90% der Produktionen an die Stirn geschlagen, war dieses Jahr viel Solides dabei.
Prokino verkündete, "Bienvenue chez les ch'tis" in die deutschen Kinos zu bringen, aber erst, wenn die Synchro überzeugend ist. Nach allem, was ich über den Film gelesen habe, dürfte das nie eintreffen. Schonmal was von OmU gehört?
Einen unterhaltsamen Dialog verfolgte ich dann noch nach den Trailern zum neuen Actionfilm mit Angelina Jolie, dem neuen Hellboy und der neuen Mumie:
"Na, so a G'schmarrn, der Film mit der Jolie."
"Was? Der war doch geil. Nur geil. So muss a Äktschnfilm sein."
"Naa. Tschuldige, aber des is mir zu überzogen."
"Überzogen? Des ist Äktschn. Des muss überzogen sein. Der Hellboy und der Hulk - des is überzogen."
"Naa, des is Fantasy. Aber a Äktschnfilm, der muss... also dem Bruus Willis, dem kauf ich des ab. Der is einfach so verrückt."
Der große Knaller, auf den dann doch nicht alle gewartet haben, war natürlich die Vorstellung des 100er-Modells zur Finanzierung der Digitalisierung. Auf programmkino.de ist es schön knapp dargestellt. Ein paar Fragen blieben für natürlich offen, für mich vor allem: was passiert, wenn es wieder mal ein richtig schlechtes Kinojahr gibt und sich der eine oder andere die 375 EUR pro Leinwand plötzlich nicht mehr leisten kann? Die Antwort von Bernd Papenstein kommt schnell, direkt und unverblümt: "Die gehen dann pleite." Zack. Die "Marktbereinigung" wird kommen, aber die Branche scheint sie zu akzeptieren. Bei der Vorstellung des 100er Modells wurde jedenfalls eher Beifall als Protest laut. Immerhin scheint es für alle Beteiligten machbar, die Verleiher spielen mit, die genannten Summen sind realistisch, und es deckt 3.700 Leinwände ab. Die übrigen rund 1.100 spielen nicht permanent und fallen damit aus dem Modell. Auch ist es einfach zu erklären: die Virtual Print Fee wird an ein "virtuelles Kopierwerk" gezahlt, heißt, sie fällt da an, wo bisher ein Kopierwerk ins Spiel gekommen wäre. Also nicht bei Nachaufführungen, aber bei Startkopien, bei Erhöhung der Kopienzahl, bei Neuanfertigung von Kopien von Repertoirefilmen... das kapiert jeder.
Völlig neu gedacht werden muss dort, wo man bisher von Start- und Förderkopien sprach. 3D bleibt Luxus, den man selber finanzieren muss, das ist einsichtig. Ob nun der Staat auch die fehlenden 60 Mio. EUR beisteuert? Kinowelt-Kölmel hat da eine findige Idee: im Sinne der LOHAs über die Öko-Schiene argumentieren: 35mm-Kopien sind Sondermüll, und der entfällt jetzt. Klar, da hat er die Rechnung ohne die Energiekosten für Großrechner, Server und stärkere Projektorlampen gemacht. Aber das Argument hat was. Vielleicht fällt Vater Staat drauf rein, beim E10-Sprit hätte es ja auch beinah geklappt.
Die Umstellung beginnt, davon gehen die meisten jetzt aus, 2009. Wer zuerst drankommt und wie man dafür sorgt, dass die, die später dran sind, nicht zu spät dran sind, weiß noch keiner so genau. Bei der KINO 2009 wissen wir mehr.
Samstag, 19. April 2008
Hochstapler im Hunsrück
Danger of the reel world
Das ist zugegebenermaßen nicht ganz von der Hand zu weisen. Wir wollen aber nicht vergessen, auf welchem Hintergrund das geschieht: Dort ist man immer noch bemüht, Film nicht nur von der technischen und ökonomischen Seite zu betrachten, sondern auch von der ästhetischen. Und manchem liegt eben an der warmen und lebendigen Ästhetik des 35mm-Films, auch wenn die heutige Kopienqualität nur noch wenig davon übrig gelassen hat. Unter Gesichtspunkten der Vernunft kann Kino nur noch digital sein - aber wer betrachtet das Kino schon als einen Raum der Vernunft?!
Mit den Tücken und Gefahren der "reel world" konfrontiert sah sich auch Jan Ackermann, der sich bei einem technischen Defekt im Umgang mit ein paar Kilometern 35mm-Film einige Blessuren geholt hat. Ganz nach dem Motto einer vor etwa zwei Jahren gelaufenen Kampagne: analoge Technik ist teuer und gefährlich - aber auch sehr sexy. Nur echte Helden tragen Narben!
Mittwoch, 16. April 2008
Heimkino, vergoldet
Vor dem privat-cineastischen Abenteuer allerdings steht die Erkenntnis des Drehbuchautors, was man mit Geld vermeiden kann.
Douglas Kennedy, Um jeden Preis
"Man hatte ein Privatkino in jeder Residenz. Nie mußte man eines dieser schrecklichen Multiplexe betreten oder so ein heruntergekommenes und verflohtes Programmkino... außer natürlich, man wollte sich mal einen Abend in primitiven Verhältnissen verlustieren."
Ach ja, hatte ich das noch nicht erwähnt? Das zitierte Heimkino befindet sich natürlich auf einer Insel, in der Karibik..."Nach dem Überraschungsdiner an diesem Abend (einer exquisiten Bouillabaisse aus der Pazifik-Küche, zu der ein ebenso erstaunlicher Au bon Climat-Chardonnay gereicht wurde) setzte ich mich allein in den Kinosaal und genoß eine Doppelvorstellung. [...] Statt Popcorn bracht mir Meg mal ein Tablett mit belgischen Pralinen, mal einen Bas Armagnac von 1985. [...]
Er [der spätere Milliardär] wohnte in einem Dreckloch Ecke 11th Street/First Avenue und verbrachte seine Freizeit wie ich vor allem im Bleecker Street Cinema oder im Thalia, im New Yorker oder sonst einem von diesen längst verschwundenen Lichtspielhäusern in Manhattan, die alte Filme wiederholten. So wurden wir Freunde - ständig liefen wir uns in diesen Flohkinos über den Weg, und wir stellten fest, daß wir beide es für völlig normal hielten, sich vier Filme pro Tag anzuschauen.
Na, jedenfalls war Phil seit jeder wild entschlossen zu diesem Autorenfilm-Kram, während es mein großer Traum war, eines Tages mein eigenes Kino zu haben und vielleicht ab und zu in einer dieser berühmten europäischen Filmzeitschriften erwähnt zu werden, in Sight and Sound oder Cahier du Cinéma. [...] Mein alter Kinokumpel... jetzt ein Multimilliardär!
Das Hauptarchiv befindet sich in einem Lagerhaus ganz in der Nähe seiner Residenz in San Francisco, aber in jedem seiner Häuser ist ebenfalls eine Abteilung untergebracht. Ich bin Leiter des fünfköpfigen Teams, das sich um das Hauptarchiv kümmert, aber ich begleite ihn auch auf allen seinen Reisen, damit ich ihm jederzeit zur Verfügung stehe, wenn er mich braucht. [...]
Man mußte schon ein absoluter Filmfreak sein, um seinen eigenen Vollzeit-Filmarchivar zu beschäftigen... noch dazu einen, den man ständig mit sich herumschleppte, nur falls man mitten in der Nacht das Bedürfnis verspürte, einen frühen Antonioni zu sehen, oder man einfach mal eben Eisensteins Theorie der Montagetechnik diskutieren wollte, während man den Sonnenuntergang hinter den Palmen von Saffron Island beobachtete. [...]
Also erschien ich Punkt neun Uhr abends im Kinosaal, ließ mich in einem der üppig gepolsterten Ledersessel nieder und balancierte eine mit Popcorn gefüllte Schale aus Steubenkristall auf den Knien. Das Licht erlosch - und der Projektor erwachte flackernd zum Leben."
Suchspiel
Im September schrieb ich in der irrigen Ansicht, kilometerweit weg von einem "richtigen" Kino zu sein - sprich, einem Zweckbau, um mal dieses unschöne Wort zur Klarstellung zu benutzen. Tatsächlich waren es nur acht Kilometer. Beim Gang durch die leere, verregnete Einkaufsstraße eines halbmondänen Badeortes, der schon zur vorvergangenen Jahrhundertwende, als das Kino noch neu war, den Gästen kleine Villen mit Namen wie "La Violette" Freude bereitete, fiel mir plötzlich ein eindeutiges Schild ins Auge: "CINEMA"!!!
Es bedurfte einiger weiterer Augenblicke, bis ich den dazugehörigen Eingang entdeckt hatte, denn zwischen dem Fremdenverkehrsbüro und einem kleinen Café verbargen sich die wenigen Filmplakate gut hinter den spiegelnden Glastüren. Ein Blick um die Ecke, und der langgezogene Bau verriet dann aber doch sehr deutlich das Kino.
Ein sozusagen an das ursprüngliche Haus angeklebtes Kino, steht zu vermuten. Das vordergründige Gebäude heißt übrigens "À la petite épicière" - Zur kleinen Krämerin. Angesichts der Titel, die hier gespielt werden, gar kein schlechter Zufall.